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(c) Pester Lloyd / 15 - 2012     TSCHECHIEN   10.04.2012

 

Prager Ultimatum

Regierungskoalition in Tschechien bringt sich in Schwierigkeiten

In Tschechien steht die Regierungskoalition des Ministerpräsidenten Petr Necas vor dem möglichen Aus. Nachdem es in den vergangenen Wochen und Monaten wiederholt zu Großdemonstrationen gekommen ist und Gewerkschaften, Opposition und große Teile der Bevölkerung Neuwahlen fordern, hat nun der tschechische Premier selber seinen Koalitionspartnern ein Ultimatum gestellt.

Die 3-Parteienkoalition in Prag muss sich neu zusammenraufen, oder sie wird bald Geschichte sein. Necas (Foto) Bürgerpartei (ODS) steht schon seit Langem im Konflikt mit der VV-Partei ("Öffentliche Sache"). Diese hatte die jetzige Regierungskrise ausgelöst, als sie am Dienstag unter Androhung des Rückzugs ihrer Minister hohe Forderungen in Hinsicht auf die Einhaltung des Koalitionsvertrages und gegen die angedachten Sparmaßnahmen machte. Darauf aber gingen die ODS und der dritte Partner im Bunde, die Partei TOP 09 von Außenminister Karel Schwarzenberg, nicht ein. Am Mittwoch hatte Necas deshalb ein vorzeitiges Ende der erst seit 2010 amtierenden Regierung und Neuwahlen nicht ausgeschlossen.

Sollte in der Regierungssitzung am kommenden Mittwoch, dem 10. April, kein gemeinsamer Haushaltsbeschluss zustande kommen, sei die Koalition am Ende, sagte der Regierungschef vor Journalisten. Man müsse schon am Dienstag eine solche Einigung zustande bringen, dass am Mittwoch die Regierung alle Schritte beschließen kann, die nötig sind, um das Defizit der öffentlichen Finanzen für das kommende Jahr auf drei Prozent zu drücken, erklärte ODS-Chef Necas.

Partei der öffentlichen Angelegenheiten löst sich auf

Tomáš Jarolím, Fraktionschef der VV hatte am Mittwoch seinen Rücktritt erklärt, nachdem er die Regierungskoalition davon benachrichtigt hat, dass die VV die Regierung verlassen wird. „Ich möchte mich beim ganzen Land entschuldigen. Ich war es, der die ganze Sache initiiert hat, die zur Eskalation führte.“ Er hatte die VV-Kabinettsmitglieder Karolína Peake, Pavel Dobeš und Kamil Jankovský dazu aufgerufen zurückzutreten. Hinzu kommt, dass die VV-Basis ihren eigenen Vorsitzenden, Radek John, aufforderte von seiner ultimativen Position abzusehen, andernfalls solle er zurücktreten. Alle drei VV-Minister stammen nämlich aus der Prager Gruppe der Partei, die offenbar den Machtverlust mehr fürchtet als die Aufgabe von inhaltlichen Positionen.

Tomáš Jarolím versuchte, die Wut der Prager Parteigruppe auf sich zu lenken, in dem er eingestand: „Ich war es, der die wichtigsten Köpfe unsere Partei zu einem radikalen und nicht mehr rückgängig zu machbarenden Schritt aufforderte, um die ruhigen Wasser aufzuwirbeln, in der unsere Gesellschaft zu ertrinken droht“, fügte er melodramatisch hinzu. Diese „unerfreuliche Erfahrung wird allen Koalitionspartnern helfen und zeigen das proaktive Kommunikation vonnöten ist.“ Diese Ideen scheinen in der tschechischen Bevölkerung jedoch nicht besonders gut anzukommen.

Regierung steht in Umfragen schlecht da

In Umfragen hat die linke Opposition derzeit die Nase vorn. Wenn es jetzt Wahlen geben würde, würden die Sozialdemokraten der CSSD 73 von 200 Parlamentssitzen erhalten, die Kommunisten der KSCM 38, Necas ODS nur noch 46, Top 09, der dritte Koalitionspartner 32 und die Christdemokraten würden wieder mit 11 Sitzen ins Parlament einziehen. VV hingegen würde die 5%-Hürde nicht erreichen. Pikant ist, dass VV mit Anti-Korruptionsrhetorik Wahlkampf gemacht hat, nun aber selber einige Skandale und Affären zu verkraften hat. Parteivorstand Vít Bárta wird wegen Bestechungsvorwürfen derzeit vernommen.

Eine andere Umfrage zeigte, dass 80% der Befragten vorgezogene Wahlen befürworten würden. Folgerichtig haben auch die KSCM und CSSD am Mittwoch ihre Bereitschaft dazu bekannt gegeben. Auch in der Regierung macht man sich Gedanken über Neuwahlen. Sollte sein Ultimatum nicht den gewünschten Erfolg bringen, strebe er schnellstmöglich Neuwahlen an, so Necas. Falls es so weit komme, sollen diese noch vor dem Herbst dieses Jahres stattfinden. Andernfalls könne sich die neue Regierung nicht um einen stabilen Haushaltsplan für 2013 kümmern, was eine „enorme Bedrohung“ für das Land darstellen könnte, so der Premierminister. Er zeigte sich aber durchaus kompromissbereit: „Es war korrekt und fair öffentlich zu machen, dass Teile des Koalitionsvertrages aufgrund von Zeitdruck oder den Einsparungen im Haushalt nicht erreicht werden können. Die Pause zu Ostern wird allen Beteiligten die nötige Zeit zum Nachdenken geben“, fügte er hinzu.

Anti-EU-Rhetorik als Ablenkung

 

Ob diese Zeit reicht, um die Gemüter abzukühlen, bleibt abzuwarten. Der Druck von der Straße wegen der unpopulären Sparmaßnahmen war schon groß und wird nicht weniger werden. Dass jetzt auch noch die Koalition zerstritten ist und jeder sein eigenes Süppchen zu kochen scheint, macht die Sache nicht einfacher. Mit dem Ultimatum hat Necas vorgeblich Gesicht gewahrt und spielt den starken Mann. Es ist jedoch anzunehmen, dass er sich damit nicht beliebter machte in der Koalition. Verlierer ist definitiv die VV, da sie von allen Seiten -zurecht - als Buhmann auserkoren sind. Verlierer kann aber auch der tschechische Staat und die tschechische Bevölkerung werden. Eine Regierungskrise hat bei finanzieller Schieflage selten gut getan. Sollte es zu Neuwahlen kommen und die linke Opposition gewänne, würden sie schnell merken, wie schwierig es sein wird die nötigen Sparmaßnahmen zu verkaufen.

Auch Europa sollte ein Auge auf Tschechien haben, beim letztwöchigen Besuch hatte Necas Bundeskanzlerin Merkel noch Zusagen wegen der Zustimmung zum Fiskalpakt gemacht. Ob das eine andere Regierung auch tun würde, steht derzeit in den Sternen, zumal Präsident Vaclav Klaus wieder einmal mit Anti-EU-Rhetorik zu punkten versucht, am Osterwochenende nannte der den Euro ein "Disaster" nannte. Das tschechische Volk, das zeigen Umfragen und Proteste, sehen die Katastrophen aber eher im eigenen Lande als auf EU-Ebene und Klaus´ ständige Seitenhiebe entlarven sich immer mehr als Stellvertreterdebatte, um von einer diskreditierten Politikerelite, der Klaus nahe steht, abzulenken.

Philipp Karl

 

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