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(c) Pester Lloyd / 15 - 2012     BOULEVARD   12.04.2012

 

Sie haben Teddy getötet!

Regierung von Ungarn schaltet Sandmännchen gleich

Die Nachricht vom "Mord an TV Maci", dem seit 1963 über die ungarischen Bildschirme flimmernden Gute-Nacht-Teddy, schlug ein wie eine Bombe. Neue Verfassung hin, Demokratie her, aber dass sich die neue Regierung auch am Lieblingshelden der Kinder vergreift? Manche sehen im Nachfolger einen treuen Parteibären, andere einen Coup von oppositionellen Seilschaften, einig sind sich aber die meisten darin: wir wollen unseren alten Teddy wiederhaben...

Die orangenen Pausbäckchen wurden vom Fernsehpublikum umgehend
als unterschwellige Fidesz-Logos geoutet
.

Am Montag startete das Staatsfernsehen MTV2 die traditionelle "Gute Nacht Geschichte" (Esti mese) also das ungarische Sandmännchen mit einem "Relaunch". Statt dem alten, etwas abgeliebt aber umso treuherziger erscheinenden TV-Maci und seinem Kumpel Paprikajancsi (Video 1 unter dem Text), mit denen Generationen von Ungarn zu Bett gegangen sind, erschien ein geliftetes Exemplar und dazu ein Teddymädchen (Video 2 unter dem Text. Das neue Ding Foto oben), das von der Community einheitlich als potthässlich, zeitgeistig und überflüssig abgelehnt wird, sitzt plötzlich in der neuen Rahmenhandung vor einem Computer, auch irgendeine neue Fahrstuhlmusik haben die Verbrecher des Staatsfernsehen dazu verzapft und das alte Düdeldü gelöscht.

"Sie haben den TV-Maci getötet" titelte das führende News-Portal Index.hu, umgehend versammelten sich Protestgruppen auf Facebook, nicht lange danach machten die ersten Verschwörungstheorien die Runde. Die orangenen Pausbäckchen des neuen Zeitgeits-Bären wurden umgehend als Fidesz-Logos identifizert und sollen ihre unterschwellige Botschaft an die Kleinsten weitergeben. Der Tipp mit dem Computer solle die Jugend nur zum Stundenlangen surfen animieren und von eigenen Gedanken abhalten.

Das war noch ein Teddy, finden Zehntausende entsetzte Eltern.

Andere mutmaßen, dass dem sittenstrengen Medienrat das Halstuch des alten Bärchens zu schwul erschien, zumal er auch schon mit einer anderen männlichen Puppe ins Bett gestiegen ist (siehe Beweisfoto) und dabei auch noch ein Nachthemdchen trug. Solche Dekadenzen soll sich der Westen (Ernie und Bert) erlauben, im "neuen Ungarn" wo alles megújult also erneuert werden muss, haben sie nichts zu suchen. Die kleine Piroska an seiner Seite soll nun alle Zweifel an seiner sittlichen Reife ausräumen, wobei sie eher seine Schwester ist, auch weil sie genauso hässliche Fidesz-Flecken auf ihrem Gesicht trägt.

 

Die entschuldigenden Bemerkung aus der Sendezentrale, so eine Puppe sei ja keine Erscheinung außerhalb von Zeit und Raum und schließlich gab es schon mehrfach in den Achtizgern und zuletzt 1992, eine Anpassung, kam gar nicht gut an. Da ging es nämlich nur um die Klamotten, nicht aber um den Bären selbst. Auch die Ausrede, die Neuerungen seien doch sehr dezent, man bliebe doch fast im alten Look, halten viele für eine faule Ausrede der subtilen Kindesmanipulatiaoren.

Wieder andere glauben, alte Seilschaften der Sozis beim Staatsfernsehen haben sich den Coup ausgedacht, um das Volk, die Eltern und Kinder gegen die Regierung aufzuwiegeln, weil ihnen sonst die Kraft fehlt sich politisch ins Rampenlicht zu spielen. Man erinnerte an eine Episode aus der Kádárzeit als der Bär ausgerechnet am Revolutionsfeiertag des 7. November bei seinem abendlichen Auftritt ausgespuckt haben soll. Er war ein Dissident, deshalb haben ihn die Kommunisten aus Rache umgebracht.

Sogar die regierungstreue "Magyar Nemzet" nahm den Ball auf und führte ein "Interview" mit dem alten, abgestellten Maci, wie er sich denn so fühle, nach 50 Jahren Berufsleben in die Wüste geschickt zu werden. Er war zuerst geschockt, nahm die Sache aber letztlich recht locker und könnte sich nun Auftritte in Reality Shows, z.B. bei Big Brother, vorstellen. Index.hu machte einen Publikumstest und setzte einige Erstklässer vor die Monster. Féri meint, "der ist gar nicht niedlich", der andere soll weinend nach Mama gerufen haben. Ein Mädchen wandte ein, dass sie es schön findet, dass jetzt auch ein Mädchen an Macis Seite ist. Weiber!

Die Stoßrichtung der Protestwelle ist aber klar: der neue nationale Problembär soll sich schleichen und zwar umgehend. Über 22.500 Fans auf Facebook flehen, "Gebt uns - zum Wohl des Volkes - unseren alten Bären wieder", "der Neue ist Scheiße." Der Staatsfunk kontert, man solle sich mal nicht so haben, mag ja sein, dass manchem die alte Version fehlt, aber man werde sich an alles gewöhnen. Was in Ungarn wohl nicht nur für TV-Teddys gelten soll...

Befreit TV Maci bei Facebook
Fanseite mit 22.500 Mitgliedern

 

 

 

ms.
 

 

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