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(c) Pester Lloyd / 16 - 2012     TSCHECHIEN 20.04.2012

 

Noch ein Ultimatum

Die tschechische Regierung stolpert von einer Krise in die Nächste

Vor gerade zwei Wochen konnte der tschechische Premier Nečas nur noch mit einem Ultimatum das Auseinanderbrechen seiner Regierungskoalition verhindern, beruhigen konnte er die Partner aber nicht. Vor allem die Partei VV "Öffentliche Angelengenheiten" stiftet durch ihre Spaltung und die Alleingänge einzelner Mitglieder immmer wieder Unruhe. Wieder soll ein "Ultimatium" helfen, doch diese Waffe wird langsam stumpf.

Tschechiens Premier kann seine Regierung einfach nicht aus der Krise befreien. Nachdem bereits vor zwei Wochen die Regierung wegen Eskapaden des Koalitionspartners VV "Öffentliche Angelegenheiten" vor dem Aus stand ist es nun wieder soweit. Neben Karolína Peake, der Vize-Vorsitzenden der VV, traten ein weiteres halbes Dutzend Abgeordnete, darunter Verkehrsminister Pavel Dobeš, aus der Partei aus um ihr eigenes Süppchen zu kochen. Theoretischerweise könnte die neue Fraktion die Regierungsmehrheit zusammen mit den anderen drei Koalitionären weiter behaupten, aber dies scheint nicht im Interesse Peakes zu liegen.

Opposition freut sich

Die oppositionellen Sozialdemokraten, die in letzten Umfragen vorne liegen, was zweifelsfrei nicht auf deren eigene Politikleistung, sondern allein auf die katastrophale Performance des bürgerlichen Lagers zurückzuführen ist, haben das wiederholte Chaos zum erneuten Aufruf für Neuwahlen genutzt. „Der Abgang von Peake ist das definitive Ende der Regierung“, sagte Parteichef Bohuslav Sobotka. Seiner Auffassung nach sollen vorzeitige Wahlen schon im Juni abgehalten werden, denn „die Tatsache auf neue Rebellen angewiesen zu sein, um regieren zu können, wird die Integrität der Regierung weiter ruinieren.“, fügte er hinzu. Vor zwei Wochen hatte Premier Nečas bereits verlauten lassen, dass er nur mit einer stabilen Mehrheit regieren werde.

In der aktuellen Krise kam auch Präsident Vaclav Klaus zu Wort. „Die Koalitionsparteien sollten ein Abkommen treffen, um eine klare Mehrheit bilden zu können, oder es müssen Neuwahlen stattfinden.“ Dabei gilt Klaus als klarer Rechtsausleger, auch ihm dürften die Umfragewerte bekannt sein.

Spaltung der VV

Die VV ist zumindest in zwei Lager gespalten. Auf der einen Seite, diejenigen, die Peake (Foto) unterstützen und auf der anderen Seite diejenigen, die noch zum inoffiziellen Parteichef Vít Bárta halten, der jedoch derzeit vor Gericht steht und am Freitag wegen Untreue verurteilt wurde. Seine Ehefrau, die Parteisprecherin Klasnerova, versuchte noch Stärke zu demonstrieren. „Die VV existierte vor Peakes Eintritt und wird auch nach ihrem Abgang noch existieren.“ Die Frage ist jedoch, wie lange sie aktiv am politischen Leben teilnehmen kann. Laut letzten Umfragen (vor Peakes Austritt) würde sie heute an der 5%-Hürde scheitern.

So steht jetzt Nečas wieder dumm da. Er erklärte am Mittwoch, eine mögliche Zusammenarbeit mit der Gruppe um Karolína Peake, sei nur möglich, wenn diese eine sichere Mehrheit im Parlament garantieren könne. Sollte Peake diese Mehrheit nicht bis Montag haben, werde er Neuwahlen ausrufen. Eine weitere Zusammenarbeit mit der verbliebenen VV-Partei schloss Nečas aus, solange Vít Bárta Mitglied der VV-Fraktion bleibe. Die Regierung braucht 101 Stimmen im Abgeordnetenhaus, Nečas´ ODS hat 52 Sitze, die Partei von Karel Schwarzenberg, Top 09, 41 Sitze. Es fehlen also mindestens acht Sitze für eine Mehrheit. Sollte Peake es schaffen, mehr als neun Abgeordnete mit zu ihrer neuen Plattform zu holen, könnte die Regierungsarbeit fortgesetzt werden.

So oder so, in jedem Falle sind die Integrität Nečas und seiner Regierung stark beschädigt worden. Da auch das Volk unzufrieden mit der Situation in Tschechien ist, sind Neuwahlen wohl eigentlich unabwendbar um weiteren Schaden für das politische Systems Tschechiens abzuwenden, vor allem aber Klarheit für eine Regierungsmehrheit zu schaffen. Jedoch hat Nečas gezeigt, dass er nichts dagegen hat Krisen durch Auszusitzen zu vertiefen, um irgendwie an der Macht zu bleiben, auch ihn scheint die übliche Politikseuche befallen zu haben.

 

Das Volk wird langsam munter, die seit Jahren anhaltenden Dauerquerelen der Polit-"Elite" nerven die meisten Menschen nur noch. Verdrossenheit ist die häufigste Reaktion, aber auch die sichtbaren Proteste nehmen wieder zu. In den letzten Wochen und Monaten kam es wiederholt zu Massenprotesten.

Auch diese Woche haben wieder Studenten, Gewerkschaften und Hochschul-Professoren protestiert, beziehungsweise zu Protesten aufgerufen, um gegen die Regierungspolitik zu demonstrieren. Für Samstag wurde zu landesweiten Protesten aufgerufen, es wird erwartet, dass diese ähnlich viele Menschen anziehen werden wie vor einem Monat. Prognosen gehen weit auseinander und sprechen von Zahlen zwischen 45.000 und 100.000 Menschen. Dies ist bei der aktuellen Regierungskrise auch nicht weiter verwunderlich. Am vergangenen Wochenende hatten bereits mehrere Hundert Demonstranten auf dem Prager Wenzelsplatz ihre Meinung kundgetan.

Philipp Karl
 

 

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