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(c) Pester Lloyd / 16 - 2012     BUDAPEST   16.04.2012

 

Multinationale Spaßbremse

Kultklub in Ungarn kollidiert mit deutschen "Investoreninteressen"

Im Vorjahr musste der Budapester Kultklub "Zöld Pardon" der kulturpolitischen Engstirnigkeit der Regierungspartei weichen, nun könnte die Neueröffnung an neuem Ort am "deutschen Wesen" scheitern. Weil man den teuren Mietern keinen Lärm zumuten will, läuft das Infopark-Management Sturm gegen die bald geplante Eröffnung des Open-Air-Clubs unweit der Bürogebäude. Sogar die Botschaft schaltete sich "auf höchster Ebene" ein.

Unkontrolliert feiernde Massen, offenbar nicht nur ein Albtraum für nationalkonservative Kulturstrategen, sondern auch eine Gefahr für deutsche Bürokleinstadtidylle...

Im September des letzten Jahres wurde der Budapester Open-Air-Kultklub "Zöld Pardon" - nach 13 Jahren erfolgreichem Betrieb - wegen "Lärmbelästigung" von einer Verkehrsinsel auf der Pester Seite des Donauufers vertrieben (hier die ganze Story), in dem der zuständige Bezirk die Betriebsgenehmigung nicht verlängerte, was zu großen Protesten führte. Selbst der Budapester Oberbürgermeister István Tarlós, Fidesz, befand die Entscheidung als "nicht sehr clever", da es ringsum das Areal keinerlei Anwohner, nur Verkehr gibt. Viele sahen in der Entscheidung einen Schachzug im "Kulturkampf" gegen alternative Kulturkonzepte und "unkontrollierte" Freiräume, andere orteten eher “familiäre” Interessen.

Die zuständigen Behörden vollzogen nun einen vermeintlich schlauen Schachzug, in dem sie den Veranstaltern auf deren Antrag hin einen neuen Standort zuwiesen und das neue "Zöld Pardon" auf bezirkseigenes Gelände, jedoch in unmittelbarer Nähe des Bürokomplexes Infopark auf der Budaer Seite ansiedelten. Damit setzten sie es direkt neben einen Nobel-Bürostandort, der vor allem von deutschen Mietern wie der T-Com oder Lufthansa Systems genutzt wird. Diese können nun ihre Toleranz gegenüber der Jugendkultur beweisen, sind es doch - nach hier gängiger Lesart - vor allem meist die Deutschen die am lautesten gegen “antiliberale Tendenzen” in Ungarn tönen. Wenn Zwei sich streiten...

Wie die amtliche Nachrichtenagentur MTI, bezugnehmend auf das Internetportal Index.hu, genüsslich berichtet, scheint die Toleranzschwelle bei "den Deutschen" jedoch sehr niedrig zu liegen. Einige Mieter des Infoparks sowie der Betreiber, eine Tochter der deutschen IVG AG, hätten sich beschwert, weil sie "Befürchtungen" hinsichtlich die Mieter störenden Lärms haben, meldet MTI unter Bezug auf das Newsportal Index.hu. Die Beschwerde wurde auch der Deutschen Botschaft übermittelt, die sich an Regierungsverantwortliche "der höchsten Ebene" gewandt haben soll, schreibt Index.hu.

Tausende Jugendliche protestierten im September 2011 gegen die Schließung “ihres” Clubs. Vielleicht sehen wir sie bald vor dem Infopark wieder? Fotos: Zöld Pardon, iroda.hu, MTI

Die IVG ging früher einmal aus einer bundeseigenen Immobiliengesellschaft hervor und war noch bis vor wenigen Jahren zu über der Hälfte in Staatsbesitz, heute befindet sich der Großteil der Anteile in Streubesitz, größere Pakete in Händen internationaler Investorengruppen. Dass Verantwortliche so noch über ganz gute Kontakte zur deutschen Politik verfügen, scheint da nicht so abwegig. IVG, so berichtet das Portal weiter, führt unter anderem an, dass "extrem hohe Dezibellevel" in einer Entfernung von gerade 50 Meter zu fürchten seien, was die Mieter verschrecken könnte.

 

Der zuständige Bezirksrat von Újbuda sagt dazu, er sei eben nicht zuständig, denn die Entscheidung über den Standort für das neue Zöld Pardon habe die Hauptstadt in die Hände des 12. Bezirkes gelegt. Von dort heißt es wiederum, das Genehmigungsverfahren und die entsprechenden Prüfungen seien derzeit im Gange, daher könne man jetzt nichts kommentieren.

Die Klubbetreiber sehen die Lage indes so: man habe sich an alle bekannten Vorschriften gehalten, eine Baugenehmigung für das Objekt sei nicht notwendig gewesen, da die Errichtung nur “provisorisch”, also für maximal 180 Tage (die Sommersaison) geplant ist. "Im Gegensatz zu den Behauptungen der Infopark-Betreiber" habe man sich mit allen relevanten Behörden besprochen und "auch die Direktion des Infoparks kontaktiert". Dessen Geschäftsführer zeigte sich jedoch “nicht für einen Kompromiss bereit”, zitiert MTI bzw. Index.hu die Klubchefs. Die Betreiber weisen daraufhin, dass die Veranstaltungen vor allem abends und am Wochenende, also außerhalb regulärer Bürozeiten, stattfinden. Offenbar scheint es sich bei den Alternativkünstlern noch nicht herumgesprochen zu haben, dass Deutsche immer arbeiten...

red.
 

 

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