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(c) Pester Lloyd / 21 - 2012     POLITIK 21.05.2012

 

Die Macht vor Augen

Neonazis wollen ab 2014 Ungarn regieren

Die neofaschistische Partei Jobbik hält einen Wahlsieg 2014 für möglich, Parteiführer Gábor Vona gab auf einem Parteitag am Samstag vor rund 700 Delegierten das Ziel aus, "stärkste Partei" zu werden und "das Land zu regieren." Dabei erklärte er, dass ohnehin "zwei Drittel der Ungarn `Jobbik` seien, es nur noch nicht wissen...". Sobald alle Ungarn sehen können, wie Jobbik arbeitet, werde man auch Wahlen gewinnen. Und das Unvorstellbare wird tatsächlich denkbar...

“Nur die Nation!” - Gábor Vona, Chef der Partei Jobbik, am Samstag beim Parteitag

Das Unvorstellbare wird denkbar

Dass ein solches - für viele europäische Zivilisationen heute geradezu undenkbares - Szenario für Ungarn nicht zu weit hergeholt ist, erweist sich nicht zuletzt aus den jüngeren Umfragewerten, die diese offen neofaschstische Partei stabil über 20% sehen, die Höchstwerte liegen schon heute bei bis zu 25%, in manchen Komitaten im Nord- und Südosten des Landes erhielt man schon 2010 jede dritte abgegebene Stimme. Ein erwartbarer weiterer Vertrauensverlust in die Regierungsparteien, die fortgesetzte Zersplitterung der demokratischen Opposition und weitere wirtschaftliche Krisen und ökonomische Talfahrten und damit verbundene weitere Verarmung der Massen, rücken Jobbik als stimmenstärkste Partei in Ungarn in den Bereich des Denkbaren, wenn auch kaum in Bereich des Vorstellbaren. Der Weg ist schon geebnet.

Zigeunerkriminalität und "Schutz der Magyaren" als Hauptthemen

Auf dem Parteitag bediente Vona denn auch das Thema, mit dem man bisher am meisten punkten konnte, die "Zigeunerkriminalität" und der damit verbundene Mangel an "Schutz der Ungarn". Auf diesem Feld hat Jobbik nach wie vor die Meinungsführerschaft inne, kann sie doch auf einem soliden rassistischen Fundament quer durch alle Gesellschaftsschichten aufbauen und durch Aufmärsche und "Miliz"-Gründungen Präsenz und vermeintliche Perspektiven aufzeigen. Tenor: der Staat tut nichts gegen den "Zigeunerterror", die Regierungsparteien sind - wie die linke Opposition - Volksverräter, deshalb müssen wir, die wahren Ungarn, das selbst in die Hand nehmen.

Und Jobbik hat in sofern Recht, als dass die
sogenannte "nationale Romastrategie" nichts weiter ist als eine Chimäre aus ein paar Förderstipendien und Gießkannenaktionen, ohne Struktur, ausreichende Mittel, und tieferen Plan oder auch nur Willen. Als Lösung oder auch nur Lösungsansatz für die tief sozial verlendete Minderheit taugt sie nicht. Gegenteilige Behauptungen ungarischer Vertreter auf europäischer Ebene sind glatte Lügen, wie wir mehrfach nachweisen mussten.  Lokale Beschäftigungsprogramme sollen für Aufsicht und eben "Beschäftigung" sorgen, eine Perspektive ist darin nicht vorgesehen.

"Das Zeichen" Gyöngyöspata

 

Jobbik geht die "Lösung der Zigeunerfrage" entsprechend ihrer Herrenrassenideologie an: eine landesweite "Bürgermiliz" soll für Ruhe und Ordnung sorgen, alle Roma sollen zur Arbeit eingeteilt werden, wer sich sträubt, kommt in Lager, auch "Maßnahmen zur Geburtenkontrolle" bei Romafrauen, um die "ausufernden demographischen Verschiebungen zum Nachteil des Magyarentums" aufzuhalten, wurden bereits vorgeschlagen, die Kinder sollen den Eltern entzogen und in Spezialheimen zu guten Ungarn erzogen werden. Vorschläge, die auf breiten, positiven Widerhall bei großen Teilen der Bevölkerung stoßen.

Am Beispiel Gyöngyöspata habe die Öffentlichkeit "Jobbik in Aktion und aus erster Hande erleben können" und nicht durch die lügenhaften Verzerrungen der Medien. Prompt gewann man dort die Bürgermeisterwahlen, zeigte sich Vona stolz und nannte dies "ein Zeichen". So wie man auch Gyöngyöspata besser regieren könne als der Fidesz, werde man auch das ganze Land besser regieren können und das werde man ab 2014 zeigen, sagte der Parteichef unter dem Gejohle seiner Anhänger. Wie Jobbik in Gyöngyöspata "regiert" und dabei von der Fidesz-Gesetzgebung (bzw ihrer Umsetzung) gedeckt wird, kann
ausführlich hier nachgelesen werden.

Orbán, Gyurcsány - alles eine Partie

Vona hat weiterhin erkannt, dass Orbáns Fidesz versucht, seiner Partei die Themen streitig zu machen, in dem sie u.a. durch eine oberflächliche Law-and-Order-Politik, aber auch durch den amtlichen, großungarischen Nationalismus im ureigenen Terrain der Rechtsextremisten "wildert." Vona nennt diese Versuche "hilflos", sie erinnerten ihn an die Performance von Ex-Premier Gyurcsány von den Sozialisten als der versuchte das Volk zurückzugewinnen, obwohl er durch seine Politik längst jedes Vertrauen verspielt hatte. So panisch agiere mittlerweile auch Orbán, der sein Mäntelchen stets in den Wind hänge. Hier ist Vona nur insoweit zu widersprechen, als dass sich Orbán kein Stück um "das Volk" und dessen Vertrauen kümmert, dafür hält er sich im moment noch für zu unantastbar. Die Panik vor Macht- und Bedeutungsverlust, die teilt er mit seinem Widersacher Gyurcsány allerdings zu 100%.

Jobbik als weißer Ritter

Die Regierung mit der demokratischen Opposition in einen Topf zu werfen, ist eine Strategie, die so typisch wie erfolgversprechend ist (
hier auch auf der letzten Demo symbolkräftig umgesetzt), denn der Frust auf die politischen Eliten zieht sich heute durch das ganze Land, die Hoffnungen, die die Mehrheit 2010 in die Orbán-Partei gesetzt hatten, sind verflogen, bald verfliegt auch die Mehrheit.

Hauptargument für Jobbik gegen das "Establishment" ist stets die Fremdbestimmtheit oder der Eigennutz der Handlungen der anderen Parteien, die entweder für eine feindliche Gruppe (Juden, Linke, Liberale, Schwule, int. Finanzkapital, überhaupt alles Nichtungarische) arbeiten oder eben in die eigene Tasche wirtschaften, wofür es ja tatsächlich nicht wenige Beispiele gibt.

Mit großem Tam-Tam hat Jobbik gerade einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einberufen, um sich die "Oligarchen-Strukturen" des Fidesz genauer zu betrachten, übrigens tat man dies gemeinsam mit den Sozialisten (!), sozusagen den Erfindern der Oligarchie in Ungarn, ohne deren Stimmen man das Quorum für die Einrichtung eines solchen Ausschusses nicht hätte erreichen können. Eine Kooperation, die zeigt, dass es nicht um Aufklärung, sondern um wahltaktisches Kalkül geht, die desorientierte, prinzipienlose MSZP gibt sich so noch als Balljunge für die Faschisten her, nur um auch mit dem kleinen Finger auf den gemeinsamen Widersacher Fidesz zeigen zu können. So tief ist diese Partei gesunken.

Jobbik treibt Fidesz vor sich her

Jobbik stellt sich also als "weißer Ritter" der Politlandschaft hin, als einzige Kraft, die, weil sie aus dem Ungarntum kommt, nur dem Ungarntum dienen kann. Die Jobbik-Parlamentsfraktion, "in der Kathedrale der Verantwortung", wie Vona das Parlament nannte, habe gezeigt, dass seine Partei nicht nur für die "Politik der Straße" gut sei, sondern hart für die Menschen arbeite. Zwar könne man durch Parlamentsarbeit nicht viel an Popularität gewinnen, ließe man sie aber aus, könnte das Land viel verlieren.

So habe der Druck von seiten der Jobbik in den letzten beiden Jahren viele positive Ergebnisse erbracht, Vona nannte u.a. den "Trianon-Gedenktag", die vereinfachte doppelte Staatsbürgerschaft für Auslandsungarn, die zuerst nach Blutslinie, erst in zweiter Linie nach Bekenntnis zugeteilt wird, die "Ostöffnung" in der Wirtschaftspolitik (die ist nicht nur ein Liebkind der Jobbik wegen der EU-Antagonie, sondern wegen ihrer irren Abstammungstherorie, demnächst hier mehr dazu) sowie der Schutz von Bauernland vor dem Zugriff von Ausländern.

Fidesz auf Kuschelkurs

All dies wäre, so zeigte sich Vona überzeugt, ohne den Druck seiner Partei und die Angst des Fidesz Wähler zu verlieren, nie möglich gewesen. Die Frage, welche Übertreibungen in der Gesetzgebung Fidesz ohne Jobbik tatsächlich unterlassen hätte, ist interessant, aber ziemlich spekulativ.

Dass sich die Regierungspartei von den Neonazis treiben lässt, ist indes unübersehbar. Die Ernennung des Neonazis Dörner zum Theaterdirektor als Anbiederung an rechte Wähler, die vielen Kooperationen in ländlichen Kommunen, aber auch die immer offener ausgelebte Verklärung der Horthy-Zeit (hier nur ein kleines aktuelles Beispiel dazu) sprechen eine eindeutige Sprache. Es ist nicht nur die Panik vor dem Machtverlust, es ist die ideologische Verwandtschaft, aus der sich solche Nähen ergeben. Diese werden zwar verbal geleugnet, aber gelebt und den Weg zurück in eine demokratische Mitte verbaut sich Fidesz durch die Konstruktion seines Feindbildes, die fortschreitende Verweigerung jedweder Kooperation und das “Sendungsbewußstsein” seiner Führer selbst.

Interne Querelen, Einigkeit nach außen

Vona kündigte an, dass man den Kurs des parlamentarischen Drucks fortsetzen will, aber auch die Präsenz auf der Straße weiter zu erhöhen gedenkt, ja man will die Straße endgültig in seinem Besitz wissen.
Bereits am Sonntag ließ man den Worten Taten folgen.

Er kündigte einen "heißen Herbst" an, was nichts Gutes u.a. für die diversen Feiertage bedeuten wird. Diese Anmerkungen haben jedoch auch mit innerparteilichen Streitigkeiten zu tun, die Jobbik im Vorjahr fast zerissen hätten. Dabei kämpfen besonders militante Teile der Partei, die am liebsten nur Barrikaden errichten und marschieren würden, gegen "Pragmatiker" vor allem um die Abgeordneten im nationalen und Europa-Parlament herum, die durchaus auch den Weg durch die Instanzen als geeignet sehen, die Macht eines Tages zu übernehmen (sich dabei aber nicht zu fein sind, als EU-Abgeordnete auch mal öffentlich eine EU-Fahne abzufackeln). Ausdrücklich lobte Vona die "Garden", die einer unfassbaren "politischen Verfolgung" ausgesetzt seien, aber dennoch Stand hielten.

Auf dem Parteitag wurde auch die Wahl der Führungsmannschaft vorgenommen, mit der man in den Wahlkampf 2014 gehen wird. Vona ist einziger Kandidat für den Parteivorsitz gewesen, an seiner Wiederwahl herrschte nie Zweifel. Nach seiner Eröffnungsrede wurde die Öffentlichkeit in Form der verhassten Journaille ausgesperrt. Die Strategie zur angestrebten Machtergreifung wollte man offenbar eher im Geheimen beraten, wozu auch der Aufbau einer Schulungsstruktur und mehrerer völkisch ausgerichteter Akademien für Volk und Kader gehört.

Ansonsten bedarf es keiner ausufernden Phantaise, sich Methoden, Wege und Ziele dieser Partei vorzustellen, sollte sie irgendwann exekutive und legislative Macht erhalten. Dazu genügen schon die Aktivitäten, die sie als Oppositionskraft entfalten zur Genüge.

ms.

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