Hauptmenü

 


Kleinanzeigen für
Ungarn und Osteuropa
Stellenanmarkt
Immobilienmarkt
Geschäftskontakte
Privatanzeigen
Anzeigen ab 35.- / Monat

 

(c) Pester Lloyd / 22 - 2012     POLITIK 30.05.2012

 

Schritte aus dem Sumpf

Ein Korruptionsfall in Rumänien und was Ungarn daraus lernen kann

Rumänien scheint in letzter Zeit den Kampf gegen die Korruption in den obersten Staatsetagen ernster zu nehmen als die Nachbarländer in der Region, denn der Ex-Minister, der nun 7 Jahre ins Gefängnis muss, ist nicht der erste hochrangige Politiker, der tatsächlich verurteilt wurde. Ungarn hinkt einer effektiven Bekämpfung von Amtsmissbrauch und Korruption weit hinterher, weil sie vor allem politischen Zwecken dient...

Die Antikorruptionsbehörde blieb dem Minister auf den Versen

Das Oberste Gericht von Rumänien bestätigte am Montag ein Urteil gegen den ehemaligen Landwirtschaftsminister Ioan Avram Mureşan (Bild Mitte) vom Februar, dieser muss nun eine siebenjährige Haftstrafe wegen erwiesener Unterschlaugung / Untreue antreten. Zusammen mit Mureşan wurden zwei Mittäter, beide waren früher hochrangige Beamte bzw. Abteilungsleiter in seinem Ministerium, zu Haftstrafen verurteilt, zusätzlich sind sie zur Zahlung von Schadenersatz von umgerechnet rund 2,5 Mio. Euro verpflichtet worden. Den Dreien wurde nachgewiesen, insgesamt rund 1,2 Mio. US-Dollar aus Mitteln der USAID, der staatlichen US-amerikanischen Agentur für Internationale Entwicklung, für private Zwecke abgezweigt zu haben.

Mureşans Taten liegen bereits mehr als zehn Jahre zurück, er war ab 1997 in den Kabinetten der sich schnell ablösenden Premiers Constantinescu, Ciorbea, Vasile, Isărescu Minister für Reformen, später dann Landwirtschaftsminister. In diese Position kam er übrigens, weil sein Vorgänger erwischt worden ist, wie er von einem Geschäftsmann "Naturalien" im Wert von Zigtausenden Euro annahm, darunter auch Schnaps und Würste. Als Dank bekam dieser "Sponsor" dann eine bevorzugte Behandlung bei Privatisierungsprojekten. Später wurden diese dann beeinsprucht. Die Zeit um die Jahrtausendwende war eine echte Chaosperiode für das Land, in der die sogenannte "graue Privatisierung" ihre Höhepunkte erreichte. Bereits seit 2003 war die Antikorruptionsbehörde DNA hinter ihm her und verhinderte durch rechtzeitige Klagseinreichungen auch die Verjährung der Diebstähle.

Rumänien und Korruption, das waren bis vor kurzem Synonyme

Die hohe Korruption im Lande und die mafiaartige Struktur bis hinein in die Behörden und Ministerien war auch bei der EU-Aufnahme im Jahr 2007 bekannt, die Aufnahme in die Gemeinschaft erfolgte jedoch aus der Überlegung, dass man den Kampf gegen diese illegalen Machenschaften innerhalb der EU-Strukturen effizienter führen könnte und auch die Regierung, die dann zur Einhaltung der EU-Regularien verpflichtet sei, besser unter Kontrolle habe. Das stellte sich jedoch, aufgrund der internen Strukturen und der relativen Einigkeit der politischen und ökonomischen Eliten als fast unmöglich heraus. So war es auch die Korruption, nicht nur jene bei den Zollorganen, die 2011 die Aufnahme des Landese in den Schengenraum verhinderte.

Seit dieser für das Land nicht nur peinlichen, sondern hinsichtlich potentieller Investoren auch schädlichen Zäsur tat sich einiges. Grenzpolizisten, Zöllner, Beamte wurden gleich dutzendweise verhaftet, sogar Antikorruptionskämpfer ausgetauscht, auch der Zollchef musste gehen (
Hier mehr dazu). Höhepunkt und ein starkes Zeichen an die Nachfolger, dass sich niemand, der Gesetze bricht, mehr sicher fühlen sollte, war die Verurteilung des sozialdemokratischen Ex-Ministerpräsidenten Adrian Nastase (Foto) Ende Januar, der rund 1,5 Mio. EUR aus der Staatskasse illegal in den Wahlkampf seiner Partei und seiner Person umleitete. Drei Jahre dauerte der Prozess dazu, fast eintausend Zeugen wurden geladen. Dabei kamen auch weitere Fragwürdigkeiten zu Tage. So wunderte man sich, dass der Chef der Baufirma, die Nastases Luxusvilla für einen erstaunlich niedrigen Preis errichtete, kurz danach einen beachtlichen Posten in einem Ministerium erhielt. Nastase beteuert bis heute seine Unschuld. Das Urteil: zwei Jahre Gefängnis und finanzielle Wiedergutmachung.

Öffentlichkeit wird wachsamer, Widerstand ist möglich

Diese und etliche weitere Fälle haben zwar die Grundstrukturen des organisierten Verbrechens in Rumäinen nicht zerstört und auch die illegalen Links zwischen Politik und Unternehmern nicht kappen können, doch die Sensibilität der Öffentlichkeit ist derart erhöht, dass heute schon kleinere Verfehlungen von Politikern zu deren Abtritt führen. So war nur ein paar Tage Ioan Mang als Bildungsminister unter dem aktuellen Übergangspremier Ponta im Amt, als er schon wieder seine Entlassungsurkunde abholen durfte. Eine von ausländischen Forschern kopierte und als seine eigene verkaufte Forschungsarbeit reichte dazu aus, früher hätte danach kein Hahn in Rumänien gekräht. Sensibilisierung der Bevölkerung, die Einsicht, dass man etwas dagegen unternehmen kann und eine verläßliche Judikative, das sind schon erste, wichtige Schritte heraus aus dem Sumpf. Eine weitestgehende soziale Gerechtigkeit wäre die konsequenteste Lösung, aber davon ist die gesamte EU, ja die Welt zu weit entfernt, als dass man dies seriös zum mittelfristigen Ziel erheben darf.

Wo die Politik die Urteile fällt: das Beispiel Ungarn

Der nördliche Nachbar Rumäniens, Ungarn, obwohl in Sachen Korruption ebenfalls kein Waisenknabe, könnte von Rumänien einiges lernen. Er wird es nicht, warum, wird noch behandelt, aber er könnte. Ungarn tut sich vor allem im ministeriellen Bereich aufwärts mit der Aufarbeitung offensichtlicher Untaten viel schwerer. Zwar gab und gibt es bereits etliche Urteile gegen ehemalige Kommunalpolitker, vozugsweise der sozial-liberalen Koalitionen der Jahre 2002-2010, auch der eine oder andere Staatssekretär ist im Fadenkreuz der Justiz gelandet, doch einer umfänglichen, juristischen Aufarbeitung der "Machenschaften der Gyurcsány-Ära", aber auch der durchwegs unsauberen Perioden zuvor, steht heute vor allem deren politische Instrumentalisierung durch die Nationalkonservativen im Wege.

Der "Sonderkommissar"

Die Orbán-Regierung wollte die Fälle oder Verdachtsmomente den Gerichten nicht einfach zur seriösen Auswertung überlassen, sondern inszenierte einen regelrechten Rachefeldzug gegen Ex-Premiers, Minister, aber auch Vertreter der links-liberalen Akademikerschaft. Dazu setzte Orbán einen Regierungskommissar ein, der, völlig außerhalb der Judikative stehend, letztlich mehr Schaden anrichtete, als dass er werthaltige Beiträge zur Aufklärung lieferte. Seine Vorverurteilungen und Pressekampagnen gegen von ihm Verdächtigte, bringen ihm mehr Rufmordklagen ein, als den Beschuldigten Prozesse und sowohl die Öffentlichkeit, noch mehr die Richter, durchschauen längst die parteipolitische Absicht, das wahltaktische Kalkül dahinter, das durch anhaltende Diffamierung und Behauptung den politischen Gegner in seiner Gesamtheit langfristig erledigen soll.
Ausführliche Berichte zum Sonderkommissar.

Höhepunkt dieser offensichtlichen und weit vom Thema abweichenden Politjustiz war die Schaffung eines
"Sozialistengesetzes", das alle heutigen MSZP-Mitglieder für die Taten ihrer poststalinistischen Vorgänger pauschal in Sippenhaftung nimmt sowie der Entwurf für eine "Lex Gyurcsány", in dem man nachträglich Straftatbestände erschaffen wollte, um "die drei Ex-Premiers, Medgyessy, Gyurcsány, Bajnai hinter Gitter zu bringen", wie es der damalige Fidesz-Fraktionschef Lázár postulierte. Man ließ die Sache fallen, weil die "exzessive Erhöhung des Haushaltsdefizits", die man als Strafvehikel nutzen wollte, womöglich eines Tages auf die Erschaffer des Gesetzes zurückfallen könnte.

Der “Freundeskreis Orbán” auf der Tribüne in dessen Fußballschule in Orbáns Heimatort

Missbrauch und Instrumentalisierung auf allen Seiten

Hinzu kommt, dass auch die Regierung Orbán, seine Regierungspartei Fidesz sowie ihr geschäftliches Umfeld, Freunde und Verwandte - naturgemäß - nicht nur aus Unschuldslämmern bestehen. Mittlerweile gibt es Dutzende Verdachtsfälle von Amtsmissbrauch, Vetternwirtschaft und Korruption, die von der Vergabe von Standortgenehmigungen für Einkaufscenter über eine anonyme ministerielle Kommission, über wundersame Auftragsvermehrungen bei einer dem Innenminister nahestehende Sicherheitsfirma bis hin zu mutmaßlich geschobenen EU-Milliarden-Aufträgen für ein Firmenkonsortium eines Ex-Finanzamtschef im Fidesz-Dunsktreis reichen, die sogar bereits die EU-Ermittler von OLAF auf den Plan riefen.

Auch die Häufung auffallend parteilicher “Landnahmen” werden aus vielen Landesteilen dokumentiert, involviert auch der Bürgermeister von Orbáns Heimatort, Orbáns Vater und dessen Gattin. Von PR-Aufträgen für einen vorbestraften Fidesz-Funktionär durch die umstrittene, da rein parteilich besetzte Leitung der Medienbehörde und Außenwerbeaufträgen für einen Fidesz-nahen “Werbefachmann” ganz zu schweigen. Diese Auswahl ist nur klein, das Spektrum aber identisch mit den "Leistungen" der Vorgänger. (Mehr zu den “Junkern von Felcsút und Links zu den anderen genannten Fällen in diesem Beitrag.)

Doch auch die Gegenseite ist bei der politischen Instrumentalisierung nicht faul. So wollen sich die Neonazis von Jobbik, die mit fast 17% im Parlament sitzen, als die nationalen Saubermänner produzieren und kämpfen, gegen den erbitterten Widerstand der Regierungsparteien, für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der die "Machenschaften der Fidesz-Oligarchie", die es laut Fidesz natürlich gar nicht gibt, untersuchen soll. Dabei bedienten sich die Neonazis sogar der Stimmen der "sozialistischen" MSZP, die, seit ihrer Wahlniederlage 2010 orientierungslos taumelnd, jeden vermeintlichen politischen Zaubertrank bis zur Neige leert, der ihr wieder Bedeutung verschaffen könnte, sei er auch noch so vergiftet. Einige NGO´s und Aktivisten versuchen sich mit Wächterwebseiten, Petitionen und Anzeigen, doch das Interesse des Volkes an der Aufklärung seiner eigenen Ausplünderung ist fatalistisch gering.

Korruptionsbekämpfer als Volkshelden. Mediale Inszenierung und Ausdruck neuen Bewußtseins...

"Paris des Ostens" oder "Palermo des Karpatenbeckens"?

Auf dem Feld der Korruptionsbekämpfung könnte Ungarn also auch einmal von dem sonst vermeintlich unterentwickelten Rumänien lernen. Es ist hier zunächst eine ebenso unabhängige, machtvolle und personell wie materiell tip-top ausgestattete Antikorruptionsbehörde zu schaffen, die mit dem besten Know how internationaler Spezialisten und einem EU-(OLAF)-Monitoring auszustatten ist. Letzteres ist entscheidend. Die Einsätze der DNA-Truppe in Rumänien ist heute ein Medienereignis, ihre Mannen haben den Status von Volkshelden.

Dergleichen gibt es in Ungarn nicht, seit mehr als zwei Jahren wurschtelt die Regierung an einem neuen, natürlich "epochalen" Antikorruptionsgesetz. Bisher gibt es nichts nennenswertes, außer den Parolen, von denen es in der Tiefebene nur so wimmelt. Eine Steuerpolizei wurde auf Geheiß der neuen Regierung aufgelöst, Finanzamt und Zoll zusammengelegt, die Dienst- auch die Missbrauchswege verkürzen sich so weiter.

Diese erforderliche neue Behörde arbeitet selbstredend mit einer eigenen, ebenso unabhängig zu gestaltenden Korruptionsstaatsanwaltschaft zusammen, um regionale und auch parteiliche Verflechtungen zu umgehen und das notwendige fachliche Wissen zu bündeln. Doch der in Ungarn heute dafür noch zuständige Oberstaatsanwalt ist ebenfalls ein Orbán-Spezi, hunderte Jungrichter werden aufgrund einer neuen Altersgrenze in die Gerichte geschickt, die Auswahl übernimmt im wesentlichen die Frau eines Fidesz-Funktionärs, die als Chefin der Obersten Richterkammer erkoren wurde. Die EU verklagte Ungarn wegen dieser Eingriffe in die Unabhängigkeit der Gerichte in Luxemburg, Ungarn ficht das bisher nicht an.

 

Außerdem müsste Ungarn auch noch bereit sein, sich helfen zu lassen, die ungarische Regierung gewahr, dass auch Leute aus den eigenen Reihen zur Verantwortung gezogen werden könnten. Beides hat in Ungarn gerade nicht oberste Priorität, zumal wenn es sich um Rumänien und die EU als Vorbilder oder Supervisor handeln soll. Denn die einen halten, so die Mehrheitsmeinung in Ungarn, Teile Ungarns besetzt, die anderen sind - so sprach Premier Orbán - "das neue Moskau". Ungarn scheint sich jedoch vehement für den Ehrentitel "Palermo des Karpatenbeckens" zu bewerben. Die Politiker haben es so gewollt, die Bürger es zugelassen, denn die wehrlose Agonie der Bevölkerung, mithin der Opfer, ist und bleibt der größte Freund des organisierten Verbrechens.

ms.

 

IN EIGENER SACHE
Der PESTER LLOYD möchte sich verbessern - Helfen Sie mit? ZUM BEITRAG