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(c) Pester Lloyd / 24 - 2012     WIRTSCHAFT 15.06.2012

 

Bankenkatzenjammer

Premier von Ungarn in Wien: Transaktionssteuer als Allheilmittel

Wie bereits angebahnt, wird die Bankensondersteuer in Ungarn ab dem kommenden Jahr vollständig durch die neue Finanztransaktionssteuer ersetzt werden. Dazu muss sie aber verdoppelt werden. Premier Orbán bestätigte dies indirekt während eines Treffens mit österreichischen Wirtschaftsvertretern in Wien am Dienstag, auf dem die Unternehmen ihr ungarisches Weh klagen durften. Politische Problemthemen wurden bei dem Routinebesuch eher weggelächelt.

Bundeskanzler Faymann und Premier Orbán am Stephansdom in Wien

Verzockt und abkassiert

 

Die Frage zur "Konsolidierung der Steuerpolitik" kam von einem Repräsentanten der Raiffeisenbank, die - neben der Erste - zu den am meisten in Ungarn gebeutelten Instituten gehört, hatten sie sich doch durch die mehr als großzügige Vergabe von Forex-Konsumentkrediten an jeden noch so "kreditunwürdigen" Kunden ziemlich verzockt und einige Milliarden im Osten versenkt. Die Erste und die Raiffeisen bauten bereits Filialen und Mitarbeiter ab, fuhren vor allem auch ihr Kreditgeschäft im Consumersegment zurück, allerdings auch bei den (ungarischen) KMU. Die Volksbanken wurden an einen russischen Konkurrenten verkauft, einige kleinere westliche Banken machten in Ungarn ganz dicht.

Orbán spricht, die grauen Eminenzen der Finanzwelt hören zu. Alle Fotos: MEH

Transaktionssteuer mal eben verdoppelt?

Orbán mochte nun hinsichtlich der zusätzlich aufgetretenen steuerlichen Belastungen unter seiner Regierung insofern beruhigen, dass: „voraussichtlich ab 1. Januar 2013 die Bankensteuer gestrichen wird, nicht nur teilweise, sondern komplett – und stattdessen ist eine Finanztransaktionssteuer geplant.“ Ursprünglich sollte die Bankensteuer nur um die Hälfte reduziert werden, bevor sie 2014 wieder abgeschafft wird. „Es wird erwartet, dass die Finanztransaktionssteuer gigantische Einnahmen generieren wird und wenn das dann der Fall ist, werden diese Einnahmen ausschließlich genutzt um Einkommens- und Sozialsteuern zu reduzieren um damit die Wettbewerbsfähigkeit anzuheizen“, versprach Orbán.

Derzeitige Schätzungen seines Finanzministeriums gehen von bis zu 280 Mrd. Forint (ca. 1 Mrd. EUR bzw. 1% des BIP) Einnahmen durch die 0,1% Steuer auf alle Finanzgeschäfte (hier die Details dazu) aus. Allerdings ist bei der bisherigen Performance der Orbán-Regierung zu befürchten, dass dieser Steuersatz als flexible Stellschraube benutzt wird, die je nach Budgetlage auf- oder zugedreht werden könnte. Den Beweis für dieses Vorgehen hat Finanzminister Matolcsy schon erbracht, kalkulierte er nämlich für 2013 ursprünglich mit 130 Mrd. Forint Einnahmen, d.h. die Steuer muss auf 0,2% verdoppelt werden, um die neuen Zeiel zu erreichen. Der Bankenverband sieht darin einen Bruch der gemachten Vereinbarungen, es wäre nicht der erste.

Enthüllen, statt verbergen. Orbán enthüllt das Werk eines ungarischen Künstlers, das wiederum die Firmenzentrale der Wiener Städtischen verhüllt.

Eine allesheilende Steuer, statt Wirtschaftspolitik

Die neue Steuer sei nicht zum Krisenmanagement, sondern als permanentes Element der ungarischen Wirtschaft geplant, führte Orbán weiter aus. Herbert Stepic, Vorstandschef der Raiffeisen Bank International, meinte „die Last, die Ungarn den Banken aufgebürdet hat, ist inakzeptabel” und dass man keine Finanztransaktionssteuer auf Kosten der Banken einführen solle. Orbán nannte die Bankensteuer daraufhin „brutal und außergewöhnlich hoch in Europa.“ Aber eben auch notwendig, um "die Bürden" der Gesellschaft und der Krise gerecht zu teilen, argumentierte Orbán in die angespannt lächelnden Gesichter der Wirtschaftsvertreter.

Was allgemein gegen eine Transaktionssteuer als eine Art zusätzliche Umsatzsteuer einzuwenden ist, zumal sie vor allem exzessive Geschäftspraktiken verteuert, in ihrer Höhe aber kaum die kleinen Sparer tangiert, konnten die Experten aus der Bankenwelt nicht darlegen, sie drohten nur indirekt immer wieder mit "Kreditklemme", ihrem üblichen Argument, um dem Staat niedrige Steuerbelastungen abzupressen. Diese Kreditklemme ist jedoch schon lange, eigentlich seit der Lehman-Krise Realität und lähmt die Wirtschaft seitdem.

Banken als Melkkühe und wehleidige Profitcenter

Die Banken müssen neben den Zusatzsteuern in Ungarn auch die enormen Kreditausfälle (je nach Institut 10-15%, Tendenz übrigens immer noch steigend!) sowie die dadurch sinkenden Zins- und Gebühreneinnahmen verkraften, den größeren Teil der Kosten für das gesetzliche Forex-Ablösemodell bzw. dessen Nachfolger ein Forexkreditumtauschmodell tragen, ihren Eigenkapitalanteil wegen neuer EU-Vorgaben aufstocken sowie kürzlich auch noch die Herabstufung ihrer eigenen Kreditwüridgkeit durch Ratingagenturen hinnehmen. Auf der anderen Seite können sich die Banken zu 1% Zinsen bei der EZB eindecken. Welchen Zinssatz zahlen Sie als Kunde? Insgesamt sind die Klagen der Banken gegenüber den Problemen ihrer Kunden im Osten eher ein höhnischer klingender Katzenjammer, letztlich ist das Risiko, das man eingegangen ist, eben eingetreten, ein normaler Vorgang in der Welt der Spekulation. Nicht zuletzt hatten die Banken auch jahrelange Milliarden an Gewinnen in die Heimat überwiesen.

Ein bisschen Planwirtschaft

Die mangelnde Kapitalausstattung für seine Kleinbetriebe und den Mittelstand, das erhoffte Rückgrat des künftigen ungarischen Wirtschaftswunders, will Orbán übrigens durch den großflächigen Einstieg des Staates ins Kreditgeschäft ermöglichen, wozu bereits erste Schritte gesetzt wurden. Damit kann er zwar den Banken kurzfristig die lange Nase zeigen, macht aber gleichzeitig einen weiteren großen Schritt in Richtung neue Planwirtschaft, ein Weg auf dem bereits sehr bekannte und erlebte Schwierigkeiten und Risiken warten.

Auch kein Apotheker, eher ein Quacksalber fürs Seelenheil.
Fototermine mit christlichen Würdenträgern sind unter Orbán geradezu inflationär.

Rezepte ohne Apotheken

Neben ein paar launigen, wenn auch an der Peinlichkeitsgrenze aufgesetzten Scherzen, hatte Orbán - wie immer - die passenden Rezepte für die Heilung seiner Nationalökonomie gleich mit. Nur findet er seit 2 Jahren keine Apotheke, die ihm diese einlöst. Um Ungarns Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, benötigt man laut dem Premierminister: eine Staatsverschuldung, die weniger als 50% des BIP beträgt, mindestens fünf Millionen steuerzahlende Arbeitnehmer (derzeit 3,6), ein proportionales Steuersystem (er meint die Flat Tax, auch wenn gerade diese dysproportional wirkt), keine Pensionierung vor dem offiziellen Rentenalter und eine Lösung des demographischen Problems. Wie die Lösung des letzten Problems aussehen könnte, haben wir hier dargestellt, wenn nur alles so "einfach" wäre.

Erreicht hat Orbán bis heute vor allem eine weitere Verarmung der Massen, damit die Binnenachfrage abgewürgt und durch seine chaotische Steuerpolitik eine Kapitalflucht eingeleitet, die noch durch Steuerentlastungen für Besserverdiener finanziert worden ist. Investitionen bleiben - gesamtwirtschaftlich - auf niedrigem Niveau, der Arbeitsmarkt belebt sich nur durch kommunale Beschäftigungsprogramme, die den Staat mehr kosten als sie bringen. Im Schönreden sind die Ungarn freilich Weltmeister, wie erst kürzlich wieder der Nationalwirtschaftsminister bewies als er die Krise für beendet erklärte.

 

Bei seinem Besuch in Wien, der nicht mehr als eine lästige Pflichtübung zu sein schien, die mal wieder fällig war, traf Orbán auch mit dem obersten Vertreter der katholischen Kirche in Österreicht, Christoph Schönborn, zusammen sowie mit Kanzler Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Spindelegger (ÖVP). Tagesaktuelle oder gar kritische Fragen wurden öffentlich nicht angesprochen, zusammen mit dem Kanzler und Wirtschaftsvertretern traf man sich zu einem eher launigen Gespräch, weihte ein Kuntsprojekt ein und gedachte dem Wirken eines ungarischen Kardinals.

Ein von FPÖ-Chef Strache gewünschtes Treffen, wurde wegen Terminschwierigkeiten abgesagt. Der ungarische Botschafter in Österreich gab kürzlich einer rechtsradikalen Postille in Wien ein Interview, in regelmäßigen Aussendungen verteidigen die Hassprediger von der FPÖ die Fidesz-Regierung vor der "linken Hetzjagd". Offenbar hatte man Hoffnungen, man könnte mit Orbán ein staatsmännisch anmutendes Foto schießen, immerhin strebt Chefdemagoge Strache ja für die kommenden Wahlen die Kanzlerschaft an, seiner Partei wird - Dank jahrzehntelanger Filzpolitik von ÖVP-SPÖ - Platz 1 zugetraut.

Weitere Details zur Lage der Banken und der Finanzen im FINANZMARKT
Mehr zur Wirtschafts- und Steuerpolitik, der Lage der Wirtschaft und der Bevölkerung.

PK / red.

 

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