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(c) Pester Lloyd / 25 - 2012     WIRTSCHAFT 18.06.2012

 

π x Daumen

Ungarn will Budget 2013 im Eiltempo durchbringen - die Eckdaten

Das ungarische Kabinett hat jetzt - nach zweiter Lesung - veränderte Eckdaten für das Budget 2013 vorgelegt, das bereits im Herbst durch das Parlament verabschiedet werden soll. Dabei folgte man der Empfehlung des Haushaltrates, die Reserven zu erhöhen, um Rücklagen für unvorhersehbare Risiken zu schaffen. Dass die Planung dennoch auf tönernen Füßen steht, liegt an den weiterhin zu optimistischen Prognosen für Arbeitsmarkt, Steuereinnahmen und Wirtschaftswachstum.

Das Budget in Nationalfarben geflochten und offenbar auch durch die rot-weiß-grüne Brille geschrieben.
Der USB-Stick für Journalisten. Foto: MEH

Nationalwirtschaftsminister Matolcsy, der kürzlich noch vom "Ende der Krise", Ungarn als "leuchtendem Beispiel der ganzen Region" und einem "ungarischen Märchen, das ab 2013 wahr wird" schwadronierte, gab sich bei der Vorstellung der Eckdaten des 2013er Haushalts deutlich kleinlauter und räumte sogar ein, dass die Regierung einen "Alternativplan" ausarbeitet, falls seine Prognose von 1,6% BIP-Wachstum 2013 nicht eintreten sollte. Zuvor wurde ein Plan B stets erst dann erarbeitet, wenn der Negativfall bereits eingetreten war, was auf bedingte Lernfähigkeit schließen lässt.

Immerhin stehen im kommenden Jahr nicht mehr die Abermilliarden (über 10% des BIP) der enteigneten Beiträge aus der ehedem obligatorischen privaten Rentenversicherung zur Verfügung. Diese hatte man - entgegen der Ankündigung - nur teilweise zur direkten Schuldentilgung bzw. zur Stabilisierung der Staatsrenten genutzt, nicht wenige Gelder versanken unwiederholbar in "plötzlich" auftretenden Budgetlöchern.

Einnahmen und Ausgaben per Federstrich erhöht

 

Trotz des sprübar gebremsten Optimismus` der Regierung, geschieht weiterhin viel π x Daumen, hat man doch nach den kritischen Anmerkungen des Haushaltsrates gleich sowohl die Einnahmen- wie die Ausgabenseite um 170 Mrd. Forint (ca. 560 Mio. EUR) erhöht, eben um die Reserven nominell anheben zu können. Sie sollen 100 Milliarden (340 Mio. EUR) betragen. Das bringt jedoch auch die Einnahmeseite unter Zugzwang, Summen, die mehr als 0,5% des BIP entsprechen, zaubert selbst Matolcsy nicht einfach so aus dem Ärmel.

Eckdaten mit vielen Wenn´s und Aber´s

Das geplante Defizit soll 2013 bei 660 Milliarden Forint liegen bzw. 2,2% des BIP. Die Einnahmen sind mit 15.500 Milliarden Forint (heute 52,75 Mrd. EUR), die Ausgaben mit 18.840 Mrd. Forint (64,12 Mrd. EUR) veranschlagt. Der Haushaltsentwurf sieht eine Reduzierung der Staatsschuldenquote von 78% (in denen sind die Schulden von Staatsbetrieben - nochmal rund 1,5% des BIP - nicht enthalten!) auf 76% des BIP vor. Man legt eine Jahresinflation von 4,2% (letzte 12 Monate ca. 5,6%) und einen durchschnittlichen Forintkurs von 299,4 Forint / EUR zu Grunde (heute 294, ein Schnitt von über 300 ist jedoch realistisch). Der Leistungsbilanzüberschuss wird auf 4% nach 2% des BIP in diesem Jahr angesetzt. Matolcsy selbst sieht nun das BIP im ersten Halbjahr 2012 fallen, im zweiten bereits wieder Wachstum, für das Gesamtjahr sieht er eine Stagnation (Regierung: +0,1%, Fachleute -0,7%). Ungarns BIP ging im ersten Quartal (kalender- und saisonbereinigt) um 1,2% zurück.

Transaktionssteuer als flexible Stellschraube und Zankapfel mit den Banken

Wie kommt man an die zusätzlichen Milliarden, die für die neue Einnahmenplanung fehlen? Wie bereits berichtet, wird man um eine Verdopplung der Finanztransaktionssteuer noch vor ihrer Einführung von den zunächst geplanten 0,1 auf knapp 0,2% nicht umhinkommen, was den Bürgern wie den Unternehmen das Signal gibt, dass diese Steuer in Zukunft als Allheilmittel bei jeder budgetären Verwerfung herangezogen werden könnte. Damit setzt sich die Unplanbarkeit und Unvorhersagbarkeit des Orbánschen Steuerregimes fort, mit den entsprechenden Auswirkungen auf Investitionen, Binnennachfrage und Arbeitsmarkt.

Matolcsy behauptete zwar, dass er die 280 statt der zunächst geplanten 130 Mrd. Forint aus dieser Steuer erreichen kann, ohne den Steuersatz von 0,1 anzuheben und zwar indem er die Deckelung aufhebt, doch so recht will ihm dabei kaum ein Steuerkenner folgen. Denn für das Budget ist es sicherer, einen höheren Steuersatz für alle anzusetzen, als auf entsprechende Transaktionssätze der Finanzindustrie zu spekulieren, die jene mit ein paar Knopfdrücken auch ins Ausland verlagern kann.

Im Moment befinde man sich mit dem Bankenverband in Gesprächen, um ein neues allumfassendes Abkommen zu schließen. Das soll neben der Aufhebung der Deckelung der Transaktionssteuer im Tausch für die Abschaffung der Bankensondersteuer (die laut Orbán defintiv 2013 von der Transaktionssteuer abgelöst wird) auch einen "Wachstumspakt" umfassen, sprich, etwas gegen die Kreditklemme erbringen. Auch die Wohnbauförderung funktioniere nicht wie geplant, hier müsse wieder einmal "ein neues System" her.

Die Banken aber sind stinksauer, denn mit der Aufhebung der Deckelung habe die "Regierung ein weiteres Mal Vereinbarungen mit uns gebrochen". Zwar versucht Orbán mit der Schaffung staatseigener Mittelstandsbanken den Finanzsektor allmählich zu umgehen (hier wird Anfang 2013 mit einer Großaktion gerechnet), doch ganz ohne Fremdkapital kommt keine vernetzte Wirtschaft aus, die Regierung wird sich irgendetwas einfallen lassen müssen, um die Kreditsäckel der Banken zu öffnen, andernfalls riskiert man die vollkommene Austrocknung der sich im Überlebensmodus befindlichen Klein- und Mittelbetriebe in Ungarn.

Einsparungen durch Rentenreform, kaum Entlastung am Arbeitsmarkt

Außerplanmäßige Einsparungen erhofft sich Matolcsy von der Rentenreform und der Übernahme von rund 250.000 kommunalen Beschäftigten unter die Hoheit der Zentralregierung (sog. Kommunalreform). Ab 2013 werden alle ab 62 in Rente geschickt, auf diese Weise wird man 10.000 bis 11.000 staatliche Angestellte an die Rentenkasse los, das soll allein 20 Mrd. Forint (ca. 70 Mio. EUR) sparen. Prognosen zur Entwicklung des freien Arbeitsmarktes mochte Matolcsy diesesmal nicht geben, die Regierung behauptet ja fortgesetzt einen Anstieg der Beschäftigtenquote, der sich jedoch fast ausschließlich aus den Zwangsrekrutierungen von Sozialhilfeempfängern zum Waldfegen erklärt. Die Arbeitslosenquote ist praktisch unverändert hoch, bei über 11%.

Wo ist der Konservativismus, wenn man ihn einmal braucht?

 

Die Regierung will sich auch diesmal nicht die Zeit lassen, die ökonomischen Entwicklungen im In- und Ausland zumindest bis kurz vor Jahresende abzuwarten, um dann seriösere Prognosen als Berechnungsgrundlage für das wichtigste Finanzdokument, den Wirtschaftsplan des Staates stellen zu können. Auch der Forintkurs und die Anleihezinsen sind Faktoren, die man völlig unmöglich ein halbes Jahr im Voraus prognostizieren kann.

Es ist natürlich schwierig für ein Land eine zuverlässige Finanzprognose zu stellen, dass so sehr von ausländischen Unternehmen und Entwicklungen abhängt und eine Regierung hat, die so wenig für eine freie Entfaltung der kreativen Produktivkräfte im Lande unternimmt. Umso wichtiger wäre eine behutsame, zeitnahe und eher konservative Herangehensweise. Doch schon am 13. Juli, also noch vor der Sommerpause, sollen die Eckdaten verabschiedet werden, das Budget zum Gesetz erhoben wird dann bereits am 23. September, üblicherweise geschieht dies im Dezember. Das Thema soll vom Tisch.

Mehr zur Wirtschafts- und Steuerpolitik der Regierung
Mehr zur Situation der Banken

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cssz.

 

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