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(c) Pester Lloyd / 29 - 2012     WIRTSCHAFT 20.07.2012

 

Das große Geschacher

Die Verhandlungen Ungarn - IWF begannen gewaltfrei

Die ersten Tage der Verhandlungen um das dringend benötigte „Sicherheitsnetz“ aus Krediten von IWF und EU verliefen „ruhig“, wie der ungarische Chefverhandler Mihály Varga zur Erleichterung des Vaterlandes heute mitteilen konnte, so als hätte man eine Schlägerei erwarten müssen. Den Gesprächsverlauf möchte man während der Verhandlungen nicht kommentieren, doch Varga beschwörte noch einmal den unbeugsamen Willen der Regierung, alles im Unklaren zu lassen.

Wenn man Mihály Varga (Foto), Ungarns für die Verhandlungen zuständigen Minister, Glauben schenken darf, liefen die ersten Gespräche "ruhig und faktenbasiert" ab. Dabei hatte das Kriegsgeheuel, das monatelang in Budapest einstudiert wurde, wie "Wir wollen keine Kolonie sein", "Brüssel ist das neue Moskau", "Wir können uns selbst finanzieren" etc. durchaus heftigere Begegnungen ermöglicht, - Varga ist aber einfach nicht der Mann für sichtbare Erruptionen und - mag es Zufall oder Weisheit sein, so wenigstens formal der Richtige an dieser Stelle. Dass er andererseits seinen Gesprächspartnern nicht einmal einen Tee servieren wird, ohne dafür zuvor das O.K. seines Chefs, Viktor Orbán, einzuholen, dafür ist Varga jedoch ebenso bekannt.

 

Beide Seiten haben sich darauf verständigt, zunächst keine Kommentare zum Inhalt der Diskussionen abzugeben, bevor die Standpunkte nicht einigermaßen gefestigt seien, sagte Varga. Die Regierung habe lediglich ihre Erwartungen zur wirtschaftlichen Entwicklung präsentiert, auf die die Verhandlungspartner erwartungsgemäß eine etwas andere Sicht hatten.

Danach gefragt, was passiere, wenn man sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner einigen könne, meinte Varga, die Regierung könne jederzeit die Verhandlungen verlassen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen. Ebenfalls könnte man die Forderungen des IWF akzeptieren, was Varga jedoch als „unwahrscheinlich“ bezeichnete. Seiner Meinung nach solle man am besten auf die Zahlen des zweiten Quartals warten und auf deren Basis weiter verhandeln. Betonte Lässigkeit und Unnachgiebigkeit bleibt also nach wie vor Regierungskalkül, auch wenn das der Wirtschaft nicht hilft. Die Regierungspropaganda hat die ganze IWF-Sache derart überhöht, fast schon zu einer Schicksalsfrage gemacht, dass man sich nun schwer tut, die Dinge schlicht technisch anzugehen und (!) zu verkaufen.

Die Delegation aus EU- und IWF-Offiziellen wird während dieser Woche noch Gespräche mit verschiedenen Institutionen führen, darunter auch mit dem Chef der Nationalbank, Simor der die Regierungspläne zur Finanztransaktionssteuer kürzlich scharf kritisiert hat. Auch im Wirtschaftsministerium stehen Treffen auf dem Plan, jedoch ist György Matolcsy, der Minister des Hauses, leider momentan im Urlaub, was viele Ungarn intuitiv als den Verhandlungen förderlich sehen werden.

Obwohl ein Zustandekommen des Abkommens in weiter Ferne liegt, ein kleines positives Zeichen bringen die Verhandlungen zumindest mit sich. Zum ersten Mal in diesem Jahr sind die Risikoaufschläge auf Schuldenkredite an der Londoner Börse gesunken. Das dürfte jedoch eher am Zweckoptimismus der Märkte liegen als an der souveränen Performance der ungarischen Regierung.

Kritische Töne kommen derweil aus dem gesamten Oppositionslager. Die Sozialisten unterstellen der Orbán-Riege, kein wirkliches Interesse an dem Abkommen zu haben, weshalb nur auf Zeit gespielt werde. Man habe durch die "rhetorische Kriegführung" Monate vertändelt, was das Land bares Geld an zu hohen Zinsen gekostet habe. Die Befürchtung, die Regierung könnte ein Scheitern politisch im Sinne einer „nationalen Standhaftigkeit“ gegen die ausländischen Kreditgeber ausschlachten, wurde dabei schon häufiger geäußert.

Auch die neofaschistische Jobbik-Partei, die die Verhandlungen gänzlich ablehnt, geht davon aus, dass die Finanzhilfen nur unter „einem hohen Preis“ realisierbar sind. „Der IWF wird Ungarn weitere Bürden auferlegen, wie z.B. die Vermögenssteuer oder zusätzliche Sparmaßnahmen“, sagte Vize-Fraktionsführer János Volner.

 

Während die Regierung weiter öffentlich von einer Vereinbarung über die erwünschten mindestens 15 Mrd. EUR Stand-by-Kredit im Oktober träumt, sind die meisten Wirtschaftsexperten weitaus skeptischer. Viele Experten halten auch ein Scheitern der Verhandlungen für möglich, sollten Orbán und Matolcsy keinen Änderungswillen bei ihrer Wirtschafts- und Steuerpolitik hin zu mehr Verlässlichkeit und Ausgewogenheit signalisieren. Der IWF wird allerdings vor allem um die Aktionsfreiheit seiner Klientel bemüht sein, des freien Wettbewerbs, dem er verpflichtet ist und den Großbanken, die er mitfanziert. Neoliberale Weltsicht gegen nationalkonservative Ansichten, das wird ein hässliches Geschacher geben, bei dem die Verlierer immer die gleichen sind. Siehe die aktuelle Einkommenssituation in Ungarn.

Immerhin könnte die EU-Vertreterin, die mit am Tisch sitzt, versuchen, über den IWF politische Forderungen aufzustellen und durchzubringen, die vom mehrheitlich Orbán gesonnenen Rat der Regierungschefs gestoppt worden waren.

TA / red.

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