Hauptmenü

 

Kleinanzeigen für
Ungarn und Osteuropa
Stellenanmarkt
Immobilienmarkt
Geschäftskontakte
Privatanzeigen
Anzeigen ab 35.- / Monat

 

(c) Pester Lloyd / 31 - 2012     KULTUR 02.08.2012

 

Sisi in einer Wanne voll Blut

Vom Täter zum Opfer: das Musical "Báthory" als ungarisches Gleichnis

Im Juli wurde auf der Freilichtbühne der Margareteninsel die Weltpremiere von "Báthory, das Musical" gegeben. Das faszinierte und sommerlich-dankbare Publikum sieht und hört dabei zu, wie in zwei Akten verlogenem Seelenkitsch aus der mythischen Blutgräfin ein real scheinendes und bemitleidenswertes Opfer montiert wird und lernt, wie man labilen Charaktern vergibt, die das sie umgebende Volk ins Elend gestürzt haben.

Monthy Python? Mitnichten. Das offizielle Plakat des offiziellen Musicals auf der offiziellen Webseite

Elisabeth oder Érzsébet Báthory, schon in frühen Jahren verwaist, wird sie als junges Mädchen mit dem Grafen Ferenc Nádasdy verheiratet, der sie, wenn er nicht gerade gegen die Türken in den Krieg zieht, mit seinen zahlreichen Mätressen betrügt. Ihr Kind kommt nicht als der erhoffte Stammhalter, sondern nur als Mädchen zur Welt und bevor sie die Möglichkeit bekommt, diese Scharte wieder auszuwetzen, fällt ihr Mann im Krieg. In ihrer verzweifelten Suche nach Liebe beginnt Erzsébet nun, den jungen Maler Caravaggio zu umschwärmen, und wird wiederum zurückgewiesen.

Die Frau greift nun zu rabiateren Mitteln, um ihrem Leben eine positive Wendung abzuringen und fertigt aus dem Blut junger Mädchen ein Elixier für ewige Jugend und Schönheit. So weit, so blutig. Der königliche Kriminalbeamte, der das Schicksal der verschwundenen jungen Mädchen in Csejte aufklären soll, kennt keine Gnade. Nur aufgrund ihrer hohen Geburt bleibt Erszébet Báthory die Hinrichtung erspart. Stattdessen wird sie für den Rest ihres Lebens in eine Gefängniszelle eingemauert.

Die Gräfin Báthory bebildert ihr Schicksal mit ihren Opfern, beweint wird aber nur sie...

Zu wenig Geschmack oder zu viel britischer Humor?

Dass diese mutmaßende Geschichte rund um die "Blutgräfin" schon wieder zu einem Musical verwurstet wurde (es gibt übrigens auch etliche Filme, von einer heftigen Schmonzette "Báthory" 2008 bis hin zu reflektierter Leistung aus dem Nobelpreisträger-Hause Jelinek: "Die Gräfin", 2009), ist nur zwingendes Erfordernis heutiger Wertschöpfungslogik, das im “hystorisierenden” Ungarn auf ein dankbares Publikum auf der Freilichtbühne der Margareteninsel traf. Autor und Komponist David Levinson, ein Amerikaner, hat entweder zu wenig Geschmack oder zuviel britischen Humor, mit anderer Qualifikation ist das Produkt jedenfalls nicht erklärlich.

Das Musical will uns weißmachen, dass die Gräfin Báthory nicht die berüchtigte Blutgräfin, die weibliche Dracula, war, die wir mit ihrem Namen verbinden. Das war sie sicherlich nicht. Doch hier soll uns eine Frau begegnen, gefangen in den Sitten und Traditionen ihrer Zeit, unglücklich trotz ihres hohen Standes und ihres Reichtums und auf der Suche nach Liebe. Die von ihr getöteten jungen Mädchen rücken dabei gänzlich in den Hintergrund. Ihre blutigen Leichen werden, um der Dramatik willen, eine Szene lang gezeigt, dienen allerdings nur als Aufhänger, anhand derer Erzsébet von ihrem eigenen, leidvollen Leben erzählt. Als Opfer bleiben sie gesichts -und namenlos, ohne eigene Geschichte. Wie immer, in der Geschichte.

Historienkitsch, geformt zu schönen Gruppen

Báthory als Stellvertreterin für das "Leiden" ungarischer Magnaten

 

Das eigentliche Opfer ist ja schließlich die Gräfin selbst und - unabhängig, ob alles nur Legende und die ihr zu Last gelegten Morde nur eine politische Intrige waren, um sie aus dem Weg zu räumen - sie erinnert uns recht bildhaft an die Lamoryanz der ungarischen Magnaten und ihrer kulturfreien Nachfolger, die ständig unter "Fremdherrschaften" litten und leiden, aber dennoch alle paar Jahre neue Paläste in Wien oder auf dem Lande bauen konnten, während das ausgesaugte Volk bis heute nur ein bedeutungsloser Statist in diesem historischen Selbstbetrug geblieben ist. Diese grottentiefe Verlogenheit aus dem bombastischen Kitsch dieses Musicals herausgeschält zu haben, ist, zugegeben, keine kleine Kunst des Kritikers, angesichts der Übertreibungen, von denen Musicals aber gemeinhin leben, jedoch verzeihlich.

Das Publikum wischt sich gerührt die Tränen aus den Augen
und vergibt ihr alle Taten

Ziel des Stückes ist es, so teilt es uns die Dramturgie im Programmheft mit, Erzsébet Báthory jenseits ihres Rufes als Blutgräfin, als „labile Persönlichkeit, (Ehe)frau, Mutter und Geliebte, als Opfer ihrer Zeit“ darzustellen. Eine Sisi, nur eben in einer Wanne voll Blut. Herausgekommen sind dabei zwei Akte austauschbarer Vollkitsch, bei der die "Heldin" am Ende alle "geltenden Konventionen" bricht, um dem schrecklichen Leben, das ihre Zeit ihr als Frau auferlegt hat, zu entkommen, indem sie die Leben anderer auslöscht. Das Publikum wischt sich gerührt die Tränen aus den Augen und vergibt ihr alle Taten. Labilen Charakteren verzeihen, die das sie umgebende Volk ins Elend stürzen, wird noch eine vielgebrauchte Übung im Lande werden, daher sollte man dem Theater für das spielerische Heranführen an die Realitäten nur dankbar sein!

 

Die Inszenierung des Ungarischen Opernhauses aus dem rumänischen Kolozsvár wählte glücklicherweise eine derart übertriebene Bildhaftigkeit, dass eine erfrischend (unfreiwillige?) Selbstironie erkennbar wurde. Dass in der Geschichte der leidenden und Leid verbreitenden Gräfin aus dem Mittelaler eigentlich auch nicht der Hauch von nationalem Überschwang zu verstecken ist, es aber dennoch indirekt versucht wurde, setzte der Lächerlichkeit dieser spätmittelatlerlichen Horror-Picture-Show die Krone auf und macht sie daher zu einem würdigen Vertreter ihres Genres, das wir erst jetzt rezensieren wollten, um ihnen den sinnlosen Weg dorthin zu ersparen.

Nächste Vorstellungen: mutmaßlich im kommenden Jahr

Eva Gärtner / Marco Schicker

___________________________________

Zwischenbericht in eigener Sache:
Spendenziel zu 75% erreicht - DANKE!!!
>>>
___________________________________