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(c) Pester Lloyd / 34 - 2012   KULTUR 20.08.2012

 

Kollisionsarme Kontrapunkte

Ai Weiwei und "Was ist Ungarisch?" - Zwei Ausstellungstipps für Budapest

Das Ernst Museum in Budapest zeigt, quasi als Gegenpol zur derzeit stattfindenen offiziösen China-Schau, Fotos des Künstlerdissidenten Ai Weiwei. Das gewählte Sujet "New York" umschifft zwar Kollisionen mit dem neuen “strategischen Partner”, allein die Präsenz ist jedoch zu würdigen. Die andere aktuelle Ausstellung des ambitionierten und daher vor der staatlichen Gleichschaltung stehenden Hauses geht der nationalen Gretchenfrage nach: Was ist Ungarisch? - So viel vorweg: die Frage bleibt glücklicherweise offen.

"Was ist Ungarisch?" Diese Frage ist die Gretchenfrage magyarischen Tuns und Seins, Einst und Jetzt, zumindest wird sie als solche immer dargestellt. Das Ernst Museum für Zeitgenössische Kunst stellt sie wieder und lässt 50 Künstler darauf Antworten geben, schränkt aber vorauseilend ein, dass es bei der Schau nicht um nationale Identitätsstiftung geht, sondern um eine Reflektion der modernen Kunst zu Themen wie EU und Globalisierung. Weitere Fragestellungen sollen jene, die irrtümlicherweise herkommen könnten, um die Frage, was Ungarisch ist, beantwortet zu sehen, auf den richtigen Pfad der Rezeption zurückbringen: Wie denken wir über das Erbe der Kádár-Zeit, welche "ungarischen Charakteristiken" sind Stereoptypen? Welchen Rollen- und Vorbildern folgen wir? Aus was ist `nationale Identität` gemacht? - Vielleicht sollte man eher fragen: “Wozu”?!

 

Zwangsläufig ergibt sich aus der Vielzahl der Künstler ein überbuntes Sammelsurium an Möglichkeiten und Varianten, einiges ist hintersinnig, tiefgründig, vieles verspielt, nicht weniges geht in die Klischeefalle beim Versuch der Umgehung selbiger, nur weniges ist erfrischend abwegig, das meiste harmlos bis anbiedernd. Kollisionen gibt es so gut wie keine. Niemand stellt Grundsatzfragen. Dennoch ist die Ausstellung ein erfrischender Gegenpol zur offiziellen Interpretation, was Ungarn war und heute zu sein hat, nämlich eine Projektionsfläche der jeweils herrschenden Ideologie, zu bestaunen sind die “Helden, Könige und Heilige” noch bis Ende des Monats in der Nationalgalerie auf der Burg.

Eines aber zeigen viele Werke: Ungarn ist, die Ungarn sind, folgt man ihren Künstlern, erstaunlich normal und entziehen sich sowohl der westlichen Belanglosigkeit, wie auch dem nationalistischen Einheitsbrei, eine bittere Diät, die dem Land seit ein paar Jahren als Festmahl verkauft wird. Beide Widerstände, die gegen den Westen, wie die gegen das “nationale Erwachen” sind, wir wissen es, letztlich zwecklos, denn jedes Glas ist im Leben bis zur Neige zu leeren. Und so muss, ja darf, die Frage danach, was nun Ungarisch sei, doch offen bleiben, wenn man sie nicht einfach mit “eine Spielart des Menschlichen” erledigen möchte. Im Zuge der nationalen Planerfüllung musste natürlich auch der "Ungar im Ausland" herhalten und wird verschiedentlich thematisiert, immerhin wird das Museum staatlich finanziert, daher muss alles irgendwie doch einen Zweck erfüllen. Das ist zwar nicht Ungarisch, aber typisch. Noch bis 14. Oktober.

Ai Weiei-Fotos aus New York

Quasi als Kontrapunkt zur offiziösen Schau mit zeitgenössischer chinesischer Kunst im Museum der Schönen Künste, präsentiert das Ernst Museum Budapest seit 17. August 227 Fotografen des Künstlers und Dissidenten wider Willen, Ai Weiwei. Die Schau trägt den Titel "New York 1983-1993" , die Werke sind vom Künstler selbst ausgewählt und reflektieren seinen Aufenthalt in den USA in den Achtziger und frühen Neunziger Jahren, als Teil der chinesischen Exil-Gemeinschaft im East Village. Als Kuratoren zeichnen József Keszman sowie die Alexander Ochs Galerie in Berlin.

 

Die Thematik "New York" verhindert natürlich eine Kollision mit dem Grundton der offiziellen Schau im Museum der Schönen Künste, gibt aber einem Künstler Raum, der in Persönlichkeit und künstlerischem Ausdruck so gar nicht dem Ideal chinesischer Selsbtdarstellung entsprechen mag, allein dies ist ein Statement und das nicht nur gegenüber China, sondern auch in Ungarn selbst. Denn das Ernst Museum für Zeitgenössische Kunst, als Abteilung der Kunsthalle, steht, wie die anderen großen Häuser bildender Kunst vor der Verschmelzung in eine staatliche Museums-Holding, die die Räume für solche Extras einengen wird. Während in China sich mehr und mehr gulaschkommunistische Tendenzen Bahn brechen, wird Ungarn immer chinesischer. Auch das eine Art von Annäherung...

2011 wurde Ai Weiwei wegen "Steuervergehen" von der chinesischen Polizei verschleppt, tatsächlicher Grund der Festnahme und monatelangen U-Haft war jedoch seine Systemkritik. Heute steht er, Dank des massiven internationalen Protestes "nur" noch unter Hausarrest. Der zur Ausstellung gestaltete umfangreiche Katalog enthält neben den Fotos auch Essays und Interviews. Die Ausstellung ist bis zum 21. Oktober 2012 zu sehen.

red.

www.mucsarnok.hu

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