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(c) Pester Lloyd / 36 - 2012   WIRTSCHAFT 04.09.2012

 

Die 150-Milliarden-Forint-Frage

Haushaltspolitik in Ungarn zwischen Politik und Taschenspielertricks

Ja, darf der denn das? Árpád Kovács, Chef des Haushaltsrates, zweifelt am Budgetentwurf für 2013. Vor allem ein Posten macht ihn stutzig: zusätzliche 150 Milliarden Forint (rund 542 Mio. EUR) sollen allein dadurch eingehoben werden, in dem man die "Effizienz der Steuereintreibung" erhöht. Premier Orbán präsentierte dafür einen Lösungsvorschlag, der gleich ein paar Dutzend Jungkader umhaute. Die Haushaltspolitik der Regierung am Beispiel eines Budgetpostens...

Wie zaubert man 150 Milliarden Forint aus dem Hut? Er hier versuchts mit Kartentricks...

Im Jahr 2012 lag dieser Haushaltsposten, der im Budget 2013 150 Mrd. HUF durch "effizientere Steuererhebung" generieren soll, noch bei 40 Milliarden Forint, auch schon eine stattliche Summe, die den Mitarbeitern im Finanzamt viel Kreativität und Durchsetzungskraft abverlangte. Der plötzliche Sprung in der Planung ist, im Gegensatz zu vielen anderen Sprüngen, schon erklärlich, hatte doch Regierungschef Orbán, als das Budget schon geschrieben war, die Idee eines 300 Milliarden teuren Programmes zum "Schutz von Arbeitsplätzen" gehabt, der einige Arbeitgeber massiv von Lohnnebenkosten befreit, im Budget aber noch gar nicht vorgesehen war. Er wollte damit die EU und den IWF beeindrucken, was aufgrund anderer Baustellen, nur partiell gelang.

Die weiteren für seinen Plan fehlenden 160 Milliarden sollen zum Teil aus Reserven sowie vor allem durch die Einbeziehung der Zentralbank in die sogenannte Finanztransaktionssteuer http://www.pesterlloyd.net/html/1228transaktionssteuerhu.html generiert werden. Es dauerte eine kleine Weile, bis man im Finanzministerium darauf kam, dass die Zentralbank ihre Gewinne ohnehin schon an den Haushalt abführt, die doppelte Abschöpfung also nicht automatisch doppelt so viel Geld in die Kassen bringen wird. Das war für Orbán aber kein Grund, seine Entscheidung in Frage zu stellen, wie hier nachzulesen ist, offenbar bereitet es dem Regenten Kurzweil, IWF-Mitarbeiter mit schöner Regelmäßigkeit auf die Palme zu bringen.

Permier Orbán am Montag bei der sehr hitzigen Eröffnung des Studjenjahres an der Kaderuni.

Wie richtig Ökonom Kovács mit seinem skeptischen Nachhaken liegt, beweist das Statement von Premier Orbán anlässlich der Schuljahreseröffnung an der neuen Staatsuni, an der die für den "ökonomischen Befreiungskampf" benötigten Kader geschmiedet werden: Orbán "bat" die Finanzbeamten, doch einmal ein bisschen "brain storming" zu betreiben, wie man "Steuern effizienter eintreiben könnte". Allzu tief scheint man sich also noch nicht mit der Umsetzung des nach oben korrigierten Haushaltspostens beschäftigt zu haben oder besser gesagt, die Schergen sollen sehen, wie sie sich die geforderten Beträge aus den Rippen schneiden. Während gleicher Rede am Montag sackten übrigens rund 50 Studenten, zukünftige Polizisten, Verwaltungsbeamte, ja Soldaten der Kaderuni reihenweise in sich zusammen, angeblich wegen der übergroßen Hitze, - gehässige Zeitgenossen meinen, sie seien schlicht zusammengebrochen, weil sie rechnen können.

Während es also Orbán - wie immer - mit viel Phantasie und noch mehr Pathos versucht, kommt Ökonom Kovács ihm mit Argumenten: um die geforderte Summe real umsetzbar zu machen, müsste die Wirtschaft ebenfalls in diesem Maße wachsen, was höchst unwahrscheinlich bis eher unmöglich sei. Zudem sei irgendwo auch ein Limit gegeben, was die Effizienzverbesserung von Steuereintreiben angehe. Kovács sagte außerdem, dass die Ziele des diesjährigen Budgets nur umgesetzt werden können, würde sich eine spektakuläre Wende in der Wirtschaft im Vergleich zum ersten Halbjahr ereignen und die Landwirtschaft ebenfalls gute Zahlen verzeichnen.

Árpád Kovács, Chef des Haushaltsrates, wundert sich. Manchmal soll er das, solange er seine ihm zugedachte Rolle nicht überzieht...

In diesem Land sind andere schon für weniger "geköpft" worden: Der Haushaltsrat, eine nominal unabhängige Körperschaft mit Beratungsfunktion in budgetären Angelegenheiten, die vor allem geschaffen und so besetzt wurde, um theoretisch denkbaren, zukünftigen Nicht-Fidesz-Regierungen das Leben zu erschweren, bat die Regierung jetzt um genauere Informationen, wie sie dieses vage klingende Ziel von 150 Mrd. Forint Mehreinnahmen eigentlich erreichen will. Bisher wurden solche Begehren von der Regierung mit viel PR-Aufwand und wenig Substanz erledigt, die Akteure der Demokratieshow spielten sich die Bälle hin und her und glauben bis heute, dass das Volk nicht sieht, dass es faule Eier sind. So ist es Art des Hauses.

 

Laut seinem Statut wäre der Haushaltsrat bei "nicht nachvollziehbaren" oder "unverantwortlichen" Budgetmaßnahmen zu einem Veto berechtigt, ja verpflichtet, doch da friert eher die Hölle zu, als dass Orbáns Angestellte dem Chef wirklich Steine in den Weg legen. Was passiert, wenn man gegenüber Orbán an Kritik festhält, erlebte der 1. Vorsitzende dieses Gremiums, der Ex-Zentralbankchef und eigentich fidesz-nahe Zsigmond Járai. Er musste seinen Hut wegen eines eigenen Kopfes genauso nehmen, wie seine Vorgänger, wurde doch der vorherige Haushaltsrat quasi wegen "Majestätsbeleidigung" komplett aufgelöst und in "ein neues System überführt", um die "Effizienz zu erhöhen", wie Gleichschaltung im Fidesz-Neusprech heute genannt wird.

Die Eckdaten des Budgets 2013

mb., cs.sz., red.

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