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(c) Pester Lloyd / 38 - 2012   SERBIEN 19.09.2012

 

Fakten schaffen

Deutschland und Russland teilen sich Energiemarkt in Serbien auf

Gazprom und RWE haben sich das Gas- bzw. das Stromgeschäft in Serbien weitgehend aufgeteilt. So gewinnen sie auch Einfluss auf den gesamten Balkan, der als attraktives Entwicklungsgebiet gilt und als Verbindung zwischen Europa und der Türkei sowie dem Nahen und Mittleren Osten auch altbekannte geostrategische Begehrlichkeiten weckt. Die politischen Forderungen aus Deutschland an Serbien hinsichtlich der Kosovo-Frage klingen im Lichte dieser "Realpolitik" verlogen. Viel lieber nutzen die Deutschen die EU-freie Zeit, um ungehindert agieren zu können.

Russland sieht Serbien (die orthodoxe Schiene) als Interessensgebiet in Europa, Gazprom ist der sehr überzeugende Botschafter dafür. Serbiens Präsident Nikolic vorigen Donnerstag in Moskau bei Präsident Putin.

Während der serbische Premier Dadic sich umständlich zu einem "deutschen Forderungskatalog" zur Kosovo- und EU-Frage äußerte, hielten sich sein Vize, Aleksandar Vucic, gerade in Berlin und Präsident Tomislav Nikolic in Moskau für "energiepolitische Beratungen" auf. Dadic spielte sozusagen auf der Bühne des Polittheaters, während die beiden anderen praktische Politik betreiben und Geld mit nach Belgrad bringen.

“Großzügiges” Angebot aus Moskau

 

Laut Berichten Belgrader Medien, hat Präsident Putin seinem Amtskollegen Nikolic in der Vorwoche unumwunden direkt einen "Kredit angeboten, damit Serbien seine Budgetlöcher stopfen und Renten und Gehälter weiter pünktlich zahlen kann." Ein Angebot, das bei einem erwarteten Budgetdefizit von 8% (und noch 55% zum BIP) in diesem Jahr, sicher gern genommen wird, zumal Russland längst nicht solche strengen Auflagen daran knüpft wie z.B. der IWF. Russland will "nur" Teilhabe an der Wirtschaft, ein Stück vom Kuchen, möglichst das größte. "Russland steht als Partner für die Modernisierung des serbischen Energiesektors bereit", heißt das in Präsidentensprache und meint um einiges mehr als den gemeinsamen Bau an der South Stream Pipeline.

Mit Milliarden-Investitionen baut die serbische Gazprom-Tochter NIS (56% gehören dem russischen Staatskonzern) gerade sein Netzwerk über den Balkan aus. Dabei geht es um Förderlizenzen, Raffinerien, Tankstellennetze und darum, Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Bis 2015 will Gazprom rund 1 Mrd. EUR in den Energiefeldzug stecken, fast die Hälfte soll "in Verteilung und Verkauf", der Rest in Exploration und Produktion fließen, der Ausstoß von derzeit 1,7 Mio. Tonnen Ölequivalent auf 5 Mio. Tonnen steigen. Das Netzwerk von rund 250 NIS- bzw. Lukoil-Tankstellen in Serbien soll auf Rumänien, Bulgarien und Bosnien ausgeweitet werden, am Ende sollen dort jeweils 80 bis 120 neue Tankstellen enstehen. Die Raffinerie in Pancevo, bei Belgrad, wird noch in diesem Jahr massiv aufgerüstet. Neben Serbien bohrt die NIS auch in Bosnien, Rumänien und Ungarn nach Gas.

Die regionalen Hauptrivalen waren bisher die MOL, die sich in Kroatien einigermaßen verzettelt hat und mit dem staatlichen Partner bei der INA im Dauerclinch liegt, die österreichsiche OMV denkt bereits darüber nach sich aus dem Einzelhandel in Bosnien und Kroatien wieder zurückziehen. Serbien war dagegen immer russisch. Neben den Ländermärkten und den Durchleitungsplänen über South Stream hier und Nabucco da, geht es auch um Explorationen in der Adria, im Schwarzen Meer und um das zunehmende Flüssiggassgeschäft.

Djerdap I, ein 2,2 GW-Kraftwerks-Monstrum und ein Gemeinschaftsprojekt mit Rumänien

RWE will Milliarden in zwei Großkraftwerke stecken

Aleksandar Vucic, passenderweise nicht nur Vizepremier, sondern auch Verteidigungsminister, kam aus Berlin mit einem ebenso attraktiv klingenden Paket für den Strombereich zurück. Im Namen des serbischen Stromkonzerns EPS unterzeichnete er mit dem Energieriesen RWE ein "Memorandum of Understanding" zu einer "strategischen Partnerschaft". Daraus soll ein Jont venture entstehen, bei dem aus Deutschland Investitionen von 2,2 Milliarden Euro ins serbische Netz, vor allem in Kraftwerke, für eine langfristige Beteiligung am serbischen Strommarkt erwartet werden.

Fast die Hälfte fließt dabei in einen dritten Block des thermoelektrischen Kraftwerks "Nikola Tesla B", das bereits heute halb Serbien mit Strom versorgt. Rund 1 Milliarde wird für ein Wasserkraftwerk an der Drina benötigt, ein Projekt das schon seit Jahren vorangetrieben wird und als ökologisch höchst problematisch einzustufen ist, aber wegen strategischer Überlegungen, die über Serbien, konkret nach Bosnien hinausreichen, durchgesetzt werden wird, noch bevor umständliche EU-Regeln für den Umweltschutz schlagend werden.

Ist die Investition dann getätigt, Wettberwerbsregeln spielen in Serbien noch keine große Rolle und fließen die Renditen, sichert man sich selbige über einen EU-Beitritt rechtlich ab. Als Dank wird Deutschland bei der Kosovo-Frage kompromissbereit sein. So einfach ist das. Im Lichte dieser Interessenslagen, klingen die Forderungen aus Deutschland hinsichtlich des Kosovo geradezu verlogen und sind auch nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver der regierungsnahen Energielobby in Deutschland.

 

Auch entwicklungsökonomisch und umweltpolitisch ist das Vorgehen problematisch: das Gas für die Russen, der Strom für die Deutschen und der Staat als Teilhaber mit im Boot. Serbien geht wie ganz Europa, auch sämtliche Neumitglieder im Osten, den gleichen Weg der Mono- bzw. Oligopole, mit den gleichen Risiken für Preisentwicklung, Verfilzung und politischer Verbarrikadierung vor Erneuerbaren Energien, Lokalisierung und Diversifizierung, um die im Westen, aus Einsicht und Notwendigkeit nun in schwierigen Grabenkämpfen gerungen wird. RWE und Gazprom tun praktisch alles für Marktmacht und Einfluss, beide interessiert dabei die politische Vergangenheit der politischen Entscheidungsträger in Serbien wenig, im Gegenteil, für "stabile Verhältnisse" sind die heutigen Machthaber allemal brauchbarer als schwer einzuschätzende demokratische Bewegungen und komplizierte, rechtsstaatliche Strukturen.

red.

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