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(c) Pester Lloyd / 38 - 2012   WIRTSCHAFT 20.09.2012

 

Monster im Anmarsch

Eurovegas in Ungarn: Zocken gegen die Krise

Das gigantomane Großprojekt "Eurovegas" schwebt seit mehr als einem Jahrzehnt im nordwestungarischen Raum und hat sich vom Kasino-Monster immer mehr zu einem jährlich grüßenden Murmeltier entwickelt. Nun scheint es wieder einmal so weit, dass eine erste, etwas abgespeckte Version des Megakasino-Projektes "Eurovegas" in Angriff genommen werden kann. Zocken gegen die Krise? Auch die selbsternannten ungarischen Nationenschützer haben nur noch Euro-Zeichen in den Augen.

Einzugsgebiet bis an den Ural? Graphik einer inoffiziellen und nicht zuzuordnenden Webseite zum Eurovegas-Projekt in Ungarn. Diese, http://www.eurovegas.co/ unter der kolumbianischen Domain .co wurde von einer Slovakia Green Tours s.r.o registriert, eine andere verbirgt sich hinter einer IT-Firma, die im Kundenauftrag Domains registriert, damit man eben nicht den Besitzer erkennt...

Die Risikolust ist zurück, das Geld scheinbar auch

Der Baubeginn sollte 2006, 2008, einmal 2009 sein, dann wieder der Sommer 2011. Abwechselnd wurden ungarische Oligarchen, Ölscheichs, Hedgefonds und ausländische Bankenkonsortien sowie österreichische Immoentwickler als Finanziers und Partner genannt. Es kam erst die Lehman-, dann die Banken-, dann die ungarische Wirtschaftskrise und blieben. Umweltschützer nervten, die sozialliberale Regierung favorisierte aus “naheliegenden” Gründen ein anderes Projekt, Genehmigungsstreits waren die Folge. Vor allem aber fehlte die Risikolust der Investoren. Diese ist zurück.

Nun scheint es wieder einmal so weit, dass eine etwas abgespeckte Version des Megakasino-Projektes "Eurovegas" als “erste Bauphase” in Angriff genommen werden kann. Nach Informationen ungarischer Medien steht der Baustart für das mit 300 Mio. EUR "größte und teuerste Tourismusprojekt Mitteleuropas" in Bezenye, nahe der Grenze Ungarns zur Slowakei und zu Österreich, unmittelbar bevor. Wieder einmal.

Hinter dem Projekt steht maßgeblich der Österreicher Hans Asamer, ein gut vernetzter Immobilienentwickler, der schon in den 90er Jahren einige Grundstücke in der Gegend erwarb bzw. erwerben ließ und auch die betroffenen Bürgermeister von seinem Projekt überzeugen konnte. Dieser nahm sich andere österreichsiche Immobilienentwickler, u.a. Alfred Supersberger in Salzburg, hinter denen viel privates Kapital stehen soll sowie diverse Banken mit ins Boot und hielt sie durch die Krise bei Laune. Als Financierskonsortium werden die im Entertainement-Bereich erfahrenen Konsortien PBL/Guggenheim/Eighth Wonder genannt, 300 Mio. EUR Startkapital treibt man heute nicht mal eben so auf.

Im Internet kursieren verschiedene Entwürfe und Skizzen, alle inoffiziell und alle ähnlich scheußlich anzusehen. Es gibt den einen oder anderen Torso einer Webseite mit dem Titel “Eurovegas” sämtlichst ohne richtiges Impressum, nichts verifizierbares. Dafür, dass in 18 Monaten hier der Rubel rollen soll, ist das Marketing noch nicht sehr weit...

Was hier an “Vegas” erinnern soll, ist nicht auszumachen. Der Entwurf, dessen Herkunft nicht nachvollziehbar war, hat den Charme eines gewerkschaftlichen Ferienheimes aus der Kádárzeit. Aber alles ein bisschen bunt beklebt und mit Beleuchtung hochgetunt, wird sicher seinen Zweck erfüllen: Geld einsammeln.

Dekadenter Zockertempel in einem krisengeschüttelten Land

Der "Entertainment-Komplex" auf 160 Hektar soll in einer ersten Baustufe ein 4000 Plätze umfassendes Kongress bzw- Veranstaltungszentrum, ein 350-Zimmer Hard Rock Hotel sowie, als eigentliches Herzstück und cash cow, ein riesiges Casino im "Las Vegas"-Stil umfassen, all das soll in 18 Monaten fertig werden. In einer zweiten Ausbaustufe, die aufgrund von Finanzierungsengpässen erstmal zurückgestellt wurde, waren bzw. sind weitere Casinos, Themenparks, Shoppingmalls, Golfplatz, Luxusvillen etc. geplant. Es ist davon auszugehen, dass diese Planungen dann jweils an die Umsätze der ersten Phase und die sich daraus gebenden Geschäftserwartungen flexibel angepasst werden.

 

Kritiker halten das ganze Projekt - bzw. generell solcherart Projekte - für eine Ausgeburt postmarktwirtschaftlicher Dekadenz, ohne jede Nachhaltigkeit und Rücksicht auf regionale Entwicklungsperspektiven. Anstatt in wertschaffende Produktions- und zukunftsweisende Technologiestandorte oder wenigstens in eine gesunde ländliche Struktur zu investieren, protegieren Staat und Kommunen ein Projekt, das wie ein UFO ins Nichts gepflanzt wird und in dem eine kleine Geldschicht aus dem In- und Ausland Zockerei und Nichtstun zelebrieren. Investoren sehen aber offenbar genau in diesem "Geschätszweig" Zukunft und Rendite. Größenwahn als Geschäftsprinzip. Das klappte in der Vergangenheit oft, führte aber auch regelmäßig zu einem bitteren Ende, wie der ganze Kontinent mittlerweile gelernt haben dürfte, von ein paar Nimmersatten abgesehen.

Auf einmal rückt der “Schutz der Nation” in den Hintergrund

Die Argumente der Gegenseite sind dabei nur vordergründig einleuchtend: "Eurovegas" soll bis zu 11.000 Jobs schaffen (welcher Qualität, ist freilich eine andere Frage) und "signifikante Steuereinnahmen" generieren. Schon während der Bauphase könnten, so hofft das Finanzministerium, über 100 Mio. EUR in die "Koffer des Staates" wandern, weitere Einnahmen durch die Casinolizenzen und die Glücksspiel- bzw. Automatensteuer stehen in Aussicht. Da wundert es nicht, dass sich die sonst so für den “Schutz der Nation” ins Zaumzeug werfende Regierung mit Kritik an den nutzlosen “Multis” auf einmal auffallend zurückhält. Der Bürgermeister von Bezenye und die Mehrheit der Bürger befürworten das Projekt aus ganz pragmatischen Gründen: besser als nichts lautet da die Devise und man fragt die Kritiker: wo sollen denn sonst Jobs herkommen... Begeisterung sieht anders aus.

Vegas No. Proteste gegen ein 18 Mrd. EUR-Projekt in Spanien. Ein “Nem” in Ungarn hört man kaum.

Einzugsbereich bis Weißrussland

Neben der dünnen ungarischen und slowakischen Schicht Neureicher, die kulturlos genug sind, im Besuch eines "Megacasinos" freizeitlichen Mehrwert zu erblicken, schielen die Projektmanager auf verschiedenartige Klientel. Diese reicht von vom immergleichen heimischen Angebot gelangweilten Stammspielern aus Österreich und Deutschland, über die wachsende Zahl russischer Touristen, die man in einer halben Stunde von Wien nach Eurovegas apportieren könnte bis hin zu Israelis in Billigfliegern, die seit Jahren schon in Budapester Casinos das Zockverbot in Israel umgehen. Inoffizielle Karten zum Einzugsgebiet reichen über Minsk hinaus bis fast nach Moskau. Eine offizielle Webseite ist indes noch nicht auffindbar, nur der eine oder andere Torso mit verschiedenen, doch jeweils gleich grottigen Entwürfen für den “Komplex”.

Das Entertainment-Konzept wird durch Show-Halle und Hardrock-Hotel so ausgelegt, dass möglichst ganze Familien zu irgendwelchen Shows von der Stange anreisen, auch für die lieben Kleinen wird einiges geboten werden, während Papi dann, umgeben von pseudoglamourösem Tant und abgefüttert durch Buffets und Drinks beim Black Jack die Urlaubskasse verzocken soll. Das ganze Leben ist ein Spiel und wir sind nur die Kandidaten...

Auch das Krisenland Spanien klammert sich an “EuroVegas”

Interessanterweise scheint Ungarn nicht das einzige Krisenland zu sein, dass sich in seiner Finanznot an derartig perverse Rettungsmodelle klammert. Vor wenigen Tagen ventilierten Medien ein gleichnamiges "EuroVegas"-Projekt für Madrid oder Barcelona, mit 12.000 Hotelbetten und einem halben Dutzend Großcasinos für die Investitionssumme von schwindelerregenden 18 Milliarden Euro. Sogar die Regierung Rajoy sieht darin eine Perspektive, weil sie sonst keine andere hat. Der Regierung in Budapest geht es ganz ähnlich.

 

Doch auch vor der Krise, in der sogenannten Boomzeit, die sich nun als Boomerang herausstellt, entstanden eine Reihe von Blasen in der Region: im ans Länderdreieck bei Bezenye angrenzenden Bratislava sollte ein noch größeres "Metropolis" (wie passend) entstehen, gegen das Bürgerbewegungen mobil machten. Tonanagebend hier, die TriGranit vom reichsten Ungarn Demján. Der baut jetzt lieber in China.

In Ungarn gab es den Tó Park ein deutsch-ungarisches Projekt (Pleite), die Trauminsel (erledigt) und andere Monsterprojekte, von denen es keines wirklich in die Realität schaffte. Höhepunkt der Gigantomanie war das "King´s Casino", das am Velence See geplant war und einen Ex-Premier fast ins Gefängnis brachte. Auch dieses Projekt ist abgesagt, der israelische Investor mit einer Strafzahlung belegt worden. Jede Absage dürfte den Investoren des "Eurovegas" sehr zu Pass kommen, steigert sich so die Marktmacht des Murmeltiers schon bevor noch der erste Jeton gesetzt wurde.

Mehr zu "Größenwahn als Geschäftsprinzip" http://www.pesterlloyd.net/2010_16/16erlebnisparks/16erlebnisparks.html

red. / ms.

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