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(c) Pester Lloyd / 38 - 2012   POLITIK 19.09.2012

 

"Tür zur Demokratie..."

Ungarn führt umstrittene Wählerregistrierung ein

In dieser Woche beschließt die Regierungspartei Fidesz Zusätze zum neuen Wahlgesetz. Die wichtigsten Veränderungen waren bisher: Neubildung der Wahlkreise, nur ein Wahldurchgang, Direktmandate mit relativer Mehrheit, Reduzierung der Mandatszahl um ca. 40%, Aufwertung der Erststimme. Hinzu kommen nun das Wahlrecht für Auslandsungarn und die heftig umkämpfte verpflichtende Wählerregistrierung.

Die wichtigsten Links zum Thema:
Details zum neuen Wahlrecht und seinen Auswirkungen
Kritik an "Gerrymandering" und "Stimmen 2. Klasse"
Mehr zum Sprengstoff "Wahlrecht für Auslandsungarn"
Kritik des Verfassungsjuristen, Ex-Präsident Sóylom, zur Wählerregistrierung
Proteskation von Ex-Premier Gyurcsány zur Wählerregistrierung
Überlegungen von Ex-Premier Bajnai über die Unwägbarkeiten des neuen Wahlgesetzes

Die ungarische Regierungspartei will kleineren Parteien die umstrittene Wählerregistrierung mit vermeintlichen Zugeständnissen noch kurz vor der Abstimmung schmackhaft machen. Ansonsten ist das neue Wahlgesetz mit seinen zusätzlichen Ergänzungen längst eine gemähte Wiese, unabhängig von Fachkritik oder politischem Widerstand.

Das gilt sowohl für die Einbeziehung der Auslandsungarn, mit all ihren außenpolitischen Risiken, wie auch die Wählerregistrierung, die angeblich genau deshalb notwendig geworden ist, um überhaupt die Zahl der Wahlberechtigten ermitteln zu können oder, wie es Premier Orbán auszudrücken beliebte: "Man muss dem Umstand Rechnung tragen, dass wir in eine neue Ära eingetreten sind und Ungarn eine globale Nation geworden ist...". Für andere ist die verpflichtende Registrierung eine Entmündigung des Souveräns und eine Benachteiligung sozial benachteiligter Gruppen.

Ein kleines Zuckerl für die Kritiker hat Fidesz in letzter Minute noch anzubieten: anstatt der derzeit 750 notwendigen Unterstützerunterschriften für die Anmeldung zu einer Kandidatur für ein Parlamentsmandat, sollen zukünftig nur noch 200 Unterschriften erforderlich sein, stellte Fidesz-Vizechef Lajos Kósa am Montag im Radio in Aussicht. Der Schritt würde die "Tür zur Demokratie weit öffnen", so Kósa, ein typischer Fidesz-Lapsus, impliziert der Spruch ja, dass sie noch nicht weit geöffnet sein könnte und das Land womöglich noch davor steht.

Richtig ist, dass durch die Absenkung der Zahl der Unterstützerunterschriften Kandidaten ohne großen Parteiapparat im Rücken eher eine Chance haben, zugelassen zu werden. Sie ließen jedoch auch einige Fidesz-Kandidaten durchschlüpfen, die sich beim Volk und in den eigenen Reihen unbeliebt gemacht haben. Die Reduzierung erklärte Kósa indes etwas gönnerhaft damit, dass "Unterstützerunterschriften ohnehin nicht dazu taugen, Clowns aus der Politik fern zu halten". Die Bevölkerung kann sich täglich lebhaft davon überzeugen dass es überhaupt nichts zu geben scheint, das Clowns von der Politik fernhält.

Hinsichtlich der Registrierungspflicht sagte Kósa, dass jeder im wahlberechtigten Alter sich bis 15 Tage vor dem Wahltermin registrieren könne, die Registrierung wäre dann für drei Wahlen gültig. Kósa konkretisierte nicht, ob für drei Parlamentswahlen oder z.B. eine Parlaments-, eine Kommunal- und eine Europawahl, dann wäre die Registrierung nämlich nur für vier Jahre, also eine Legislatur gültig, was auch mit den Angaben von Orbáns Staatssekretär Lázár übereinstimmten würde, der von vier Jahren sprach. Wer die Registrierung bei der ersten Wahl verpasst, könne sich für die anderen Wahlen aber weiter registrieren. Zunächst hatte Fidesz laut darüber nachgedacht, die Delinquenten dann von den nächsten drei Wahlen ganz auszuschließen, da einer, der nicht wählt, sich auch kein Urteil über die geleistete Arbeit erlauben solle.

Der "Wahlkampffrieden", 48 Stunden vor dem Wahltag, der jede Werbung für eine politische Kraft in den Medien oder auf öffentlichen Plätzen verbot, wird abgeschafft, da er sowieso nicht eingehalten wurde. Man darf sich also 2014 auf legal platzende PR-Bomben in aller letzter Minute freuen, auf viel mehr, angesichts des Zustandes der demokratischen Opposition wohl eher nicht.

Grundsätzliche Analysen zum neuen Walhrecht in Ungarn finden Sie in den obigen Links.

red.

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