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(c) Pester Lloyd / 39 - 2012   POLITIK 25.09.2012

 

Beutenomaden und ihre Lehrmeister

Pathologisch verfilzt: Gripen und der Korruptionssumpf Österreich - Ungarn

Sowohl Nationalkonservative wie auch "Sozialisten" in Ungarn werden neuerlich mit dem massiven Vorwurf konfrontiert, sich für einen Waffendeal 2001/2002 bestechen lassen zu haben. Der Initiator dieses Deals, Graf Mensdorff-Pouilly, kommt bald in Wien vor Gericht. Dass Ungarn und Österreicher verschwägert sind, belegen gigantische Korruptionsfälle beim Nachbarn, die das ganze Land als einen einzigen Sumpf erscheinen lassen. Sie zeigen auch, dass das österreichische dem ungarischen Korruptionssystem voraus ist.

Haben sich Fidesz und MSZP kaufen lassen?

Doch zunächst nach Ungarn. Die Gripen-Geschichte ist an sich nicht neu, doch sie erhält durch einen bald stattfindenden Prozess in Wien neuen Auftrieb. Im Dezember wird ein Gerichtsverfahren gegen Graf Alfons Mensdorff-Pouilly, Gatte einer Ex-ÖVP-Ministerin und gemeinhin als Waffenlobbyist bezeichnet, beginnen. Dieser steht im Zusammenhang mit Kampfjet-Bestellungen bzw. Ausschreibungen in Österreich, Tschechien und Ungarn ab dem Jahre 2000. Der Vorwurf an den "Grafen" lautet auf Bestechung in Millionenhöhe, um Regierungen vom Kauf britisch-schwedischer Gripen-Kampfjets zu "überzeugen".

Orbán und Medgyessy im Streitgespräch. Doch bei Fragen der “Parteienfinanzierung”
war und ist man sich wohl einig...

Insgesamt sollen kurz nach der Jahrhundertwende rund 13 Mio. EUR (damals noch in Schilling) an Politiker und Kontaktleute beider großen Parteien, also Fidesz wie MSZP, geflossen seien und von dort in die Parteienfinanzierung, aber auch in private Kassen. Die erste Orbán-Regierung entschied sich 2001 auch wunschgemäß für die Gripen-Flieger, anstatt für die amerikanischen F-16-Kampfjets, die nachfolgende Medgyessy-Regierung stockte den Vertrag 2002 noch auf. Es gibt weitere Berichte, wonach nicht nur im Vorfeld die genannten Summen geflossen sein sollen, sondern hinterher auch Provisionen über rund 8 Mio. EUR. Mensdorff-Pouilly, soll, so die Mutmaßung der Staatsanwaltschaft, dabei als Drehscheibe fungiert und die Gelder über eine Offshore-Konstruktion verteilt haben.

Bereits 2007, unter der Gyurcsány-Regierung gab es in Ungarn eine Untersuchungskommission zum Thema. Doch, welche Wunder, der Staatsanwalt konnte aufgrund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse "keine kriminelle Handlung" feststellen. Orbán hatte sich bereits für die F-16 entschieden, nur eine Woche später schwenkte sein Kabinett doch noch auf die Gripen ein. Für Interessierte nebenstehend unsere damalige Titelgeschichte vom 14. November 2007 (zum Vergrößern klicken). 2009 gab es nochmals einen zaghaften Vorstoß, doch der führte auch zu nichts, auch die Firmenbeteiligungen des Grafen in Ungarn waren 2008 einmal Untersuchungsgegenstand, ohne greifbare Ergebnisse.

Diese besonderen österreich-ungarischen Geschäftsbeziehungen gibt es nicht nur auf höchster Ebene. Ähnliches kam auch bei der "Aufarbeitung" etlicher Korruptionsfälle im Straßenbau heraus, nämlich nichts. Diverse Aufträge für den Autobahnbau in Ungarn sollen auf ähnliche Weise durch österreichische Konsortien "gefördert" worden seien, wie das Rüstungsgeschäft. Oder man erinnere sich an die Privatisierung der MÁV Cargo zu Händen einer ÖBB-Tochter, der RCA, auch einem Staatsunternehmen. Da flossen Millionen (Euro) an eine ungarische 2-Mann-PR-Agentur, um "Stimmung" zu machen. Es gab Ermittlungen in Ungarn und Österreich. Das Geld bleibt genauso vermisst, wie jede Aufklärung. Und das sind nur einige Korruptionsfälle mit ausländischer Beteiligung, Leser dieser Zeitung wissen, wie das "Tagesgeschäft" in Ungarn aussieht.

Kabinett Schüssel II und das Spinnennetz der Korruption

Doch nun zu den Lehrmeistern. Mensdorff-Pouilly ist eine der schillerndsten, für viele heute eher speckig-glänzenden Figuren inmitten Dutzender Nutznießer und Beutemacher rund um das Kabinett Schüssel II, das ab 2000 in Koalition mit der FPÖ regierte und schon seit Jahren mit massivsten Korruptionsvorwürfen konfrontiert ist, einschließlich einiger heute beim BZÖ befindlichen Ex-Minister, die sich durch die Ausgründung schnell noch politisch abseilen wollten, als es mit der Koalition bergab ging. Schüssel, der als Schweigekanzler in die Geschichte einging, gab vor kurzem kleinlaut sein Parlamentsmandat ab, was, wer würde es auch wagen, jedoch keinesfalls als Zeichen von Schuld oder auch nur Verantwortlichkeit gedeutet werden soll.

Auch Mensdorffs Frau, Ex-Gesundheitsministerin Rauch-Kallat, ist mit Unregelmäßigkeiten bei Beschaffungen (Impfstoffe, Atemschutzmasken) konfrontiert. Ebenso der ehemalige Innenminister im Kabinett Schüssel II, Strasser, er steht wegen seiner in eine laufende Kamera gestotterte, zugegebene Käuflichkeit als "Lobbyist" in Brüssel im Fadenkreuz von Ermittlungen, auch die Installation eines neuen Polizeifunksystems während dessen Amtszeit wird hinterfragt.

Am prominentesten ist jedoch der komplexe Fall des einst so strahlenden Finanzministers Karl-Heinz Grasser, dem zunächst ein Prozess wegen Steuerhinterziehung von rund 2,6 Mio. EUR blüht. Dahinter verbirgt sich jedoch ein Geflecht von "Unregelmäßigkeiten", dass von der fragwürdigen Privatisierung von staatseigenen Wohnungen und damit einhergehenden Millionenprovisionen bis zu Insidergeschäften beim Verkauf der Hypo-Alpe-Adria-Bank reicht und auch das Reich des verblichenen Jörg Haider sowie der prominenten Meinl Bank tangiert, einschließlich einem täglich größer werdenden Netz von Freunden, Trauzeugen und Beratern, sogar Grassers Schwiegermutter wurde als Erklärung für komische Bargeldtransporte in Steuerparadiese schon in Stellung gebracht.

Pathologisch verfilzte Alpenrepublik

 

Grasser und die meisten anderen konnten sich bisher durch alle Vorwürfe durchlavieren und führten mehr Prozesse für ihren Ruf, als dass solche gegen ihre Taten stattfanden. Das vor allem auch Dank einer "weisungsgebundenen" Staatsanwaltschaft unter Aufsicht des ÖVP-beherrschten Innenministeriums sowie der generellen Vertuschungsdendenz der neverending "großen Koalition" in Österreich, von ÖVP-SPÖ und immer wieder einmal auch FPÖ, die, so der Eindruck der meisten Österreicher, das Land unter sich aufgeteilt haben und keine wirkliche Aufklärung zulassen. Eine besondere Baustelle von Korruption und Amtsmissbrauch stellt da das Bundesland Kärnten dar, in dem durch Haiders Erben alles noch etwas dreister und direkter vorgetragen und eingestrichen wird, als im Rest des pathologisch verfilzten Alpenlandes.

Bei dem Namen Faymann war Schluss

Als Beleg für die nicht so ferne These einer Koalition der Vertuscher, gilt seit letzter Woche auch die Unterdrückung bzw. Beschneidung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses durch die Mehrheit von ÖVP und SPÖ. Der Ausschuss befasst sich, angetrieben vor allem von den nimmermüden Grünen, mit dem ganzen Wust an Korruptionsfällen und brachte einiges Licht in viele Affären, auch wenn er naturgemäß nicht das ganze österreichische Korruptionsbiotop beleuchten konnte.

Als der Auschuss jedoch auch den heutigen Bundeskanzler Faymann von der SPÖ vorladen wollte, blockierten die beiden großen Regierungsparteien den Ausschuss, in dem man mit seiner Einstellung drohte, wenn nicht eine veränderte Tagesordnung und Ladungsliste, ohne Faymann, versteht sich, akzeptiert würde. - Die Opposition sieht darin Erpressung und Verrat an der Demokratie und fordert die Veränderung der Rechte der U-Ausschüsse nach deutschem Vorbild.

Bundeskanzler Faymann sollte zur sogenannten Inseratenaffäre aussagen, hierin wird ihm vorgeworfen, sein ministerielles Weisungsrecht als einstiger Verkehrsminister für parteipolitische Ziele missbraucht zu haben, in dem er die Bundesbahnen, ÖBB, in Größenordnungen zu Inseratenschaltungen in strategisch wichtigen Zeitungen animierte. Gemeint sind hier vor allem Kamapgnen in der "Kronenzeitung", ein antieuropäisches-, xenophobes Hetzblatt mit Massenwirkung, das sich gern als Königsmacher aufspielt, übrigens zur Hälfte in Besitz des deutschen WAZ-Konzerns. Faymann dementiert natürlich und lässt ausrichten, dass es nie "Inseratenaufträge", sondern leidiglich "Initiierungen" waren, nur im Interesse der Allgemeinheit, versteht sich.

K+K-Eliten gegen Beutenomaden

In Österreich fehlt in Zeitungsberichten zum Thema nie der juristisch erforderliche Satz, dass für alle Beteiligten die "Unschuldsvermutung" gilt. Diese ist in der Alpenrepublik nicht nur gerichtlich gefordert, sondern offenbar ein Ständerecht, dem sich, wie früher dem Kaiser, auch die öffentliche wie die veröffentlichte Meinung zu unterwerfen hat. Die Pressefreiheit hat es nicht weit geschafft im Metternich-Land. Ungeniert feiern die Halunken ihre Feste, zählen ihr Geld und echauffieren sich über die "linke Jagd- und Neidgesellschaft", abgesichert durch ein engmaschiges Netz von Freunderln und Haberern, Gesinnungsgenossen und Burschenschafts-Konnektionen.

 

Es ist eben nicht nur die Sprache, die feineren Sitten und der nasale Schmäh, der die österreichischen "Eliten" von den ungarischen Beutenomaden unterscheidet. Während die einen legislaturweise durchs Land marodieren, haben die Nachbarn die organisatorische Durchdringung und die strukturelle Absicherung perfektioniert, mit der man den Frevel am Volke seit Jahrhunderten geradezu zelebriert.

Korruption ist in beiden Ländern keine irreguläre Erscheinung, sondern wird von der herrschenden Schicht als legitimer, ihr angestammter Wirtschaftszweig verstanden. Und so wird auch der kommende Prozess gegen den Grafen vom Volke ganz richtig verstanden, als Bauernopfer an das Gemüt der Untertanen, damit das System nicht in Frage gestellt werden muss. Der Doppeladler und die Doppelmonarchie sind gegangen, die Doppelzüngigkeit und Doppelmoral  sind unverwüstlich.

red. / ms.

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