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(c) Pester Lloyd / 39 - 2012   WIRTSCHAFT 26.09.2012

 

"Simples Weltbild"

Chef der Zentralbank in Ungarn kritisiert Zinssenkung

Der Währungsrat der Ungarischen Zentralbank (MNB), der mittlerweile von den regierungsentsandten, externen Mitgliedern dominiert wird, hat am Dienstag den Leitzins um weitere 25 Basispunkte auf nun 6,5% gesenkt. Der mit dem Argument der "Wachstumsimpulse" überstimmte Nationalbankpräsident Simor warnt vor explodierender Inflation und Währungsrisiken und sieht nicht, wie simple Zinsschritte "hier und heute in Ungarn" das Wachstum ankurbeln könnten.

Für den Gouverneur der Nationalbank, András Simor, hier im Bilde, hat jede Medaille zwei Seiten, wie er in einer kleinen Präsentation belegt. Andere sehen die Wirtschaftswelt dagegen einseitiger, was Simor ziemlich auf die Nerven zu gehen scheint...

Der zweite derartige Schritt binnen zwei Monaten, hatte die "Märkte überrascht" wie es in den Statements der einschlägigen Agenturen immer so schön heißt. Zuvor stagnierte die Zinsrate über ein Jahr bei 7% und damit auf einem europäischen Rekordwert. Der mit dem Argument der "Wachstumsimpulse" nun zum zweiten Male überstimmte Nationalbankpräsident Simor hatte wieder auf "Halten" plädiert, konnte sich aber mit seinen zwei Stellvertretern wiederum nicht gegen die von der Orbán-Regierung aufgestockte Zahl externer Mitglieder durchsetzen, womit der nächste Nachweis erfolgt ist, dass die Zinspolitik der MNB direkt von der Regierung beeinflußt werden kann. Insofern hätte sich die Überraschung der "Analysten" in Grenzen halten müssen, denn die Externen hatte ihren Schritt laut und umfangreich angekündigt.

 

Simor blieb nur, auf die Risiken dieser Zinspolitik der Regierung, die "Wachstumsimpulse durch günstigere Kredite" bringen soll, hinzuweisen. Simor kommentierte die Entscheidung der Runde ziemlich entnervt: “Es ist eine reine Klischeevorstellung, dass eine niedrige Zinsrate gut, eine hohe schlecht ist. Sie offenbart ein sehr simplifiziertes Bild von der Welt. Hier und Heute in Ungarn ist ein Zinsschnitt schwerlich in der Lage die Aussicht auf Wachstum zu verbessern." Die jetzigen, forcierten Zinsschritte hätten zur Folge, dass die Stabilität der Preise wie der Währung, aufgrund des stagnierenden, sich eher verschlechternden Wirtschaftsumfeldes (Investitionen, Produktion, Arbeitsmarkt, Konsum) wiederum "nur durch spätere Zinsanhebung gewährleistet werden könnten". Nichts aber ist giftiger für eine Nationalökonomie als eine volatile Zinspolitik ihrer Zentralbank, die vor allem eines darstellen soll, Stabilität und Verlässlichkeit.

Simor belegte seine Kritik an der Entscheidung der ihm beigestellten Währungsratsmitglieder mit Zahlen. Nur Stunden nach der aktuellen Zinsentscheidung erhöhte die MNB die Inflationsprognose für 2012 von 5,3 auf 5,8% (im Juli waren es 6,1%). Für 2013 steht die Prognose nun bei 5%, vorher stand sie bei 3,5%, was als sehr deutliches Warnzeichen zu sehen ist. 2011 "schaffte" man 4%. Der Forint hatte nach dem letzten Zinsschritt ca. 2% nachgegeben, reagierte auf diesen bisher noch halbwegs moderat, allerdings sinkt sein Kurs am Mittwochmorgen im Minutentakt, z.B. von 284,8 um 8:15 Uhr auf 285,6 um 8:31 Uhr, so dürfte die 290er Marke sehr schnell sehr nahe kommen, was sich für die vielen privaten Forex-Schuldner in Ungarn in barer Münze - negativ - auszahlt.

Die MNB sieht das BIP in diesem Jahr um 1,4% fallen, im kommenden um 0,7% wachsen. Der private Konsum wird 2012 in Summe 1,8% zurückgehen, im Wachstumsjahr 2013 um weitere 0,7%. Fehlendes Wachstum, zurückgehender Konsum bei gleichzeitig anziehender Inflation sind die fachspezifischen Ausweise einer Depression, dem großen Bruder der Rezession.

 

Allerdings verfügen die Regierungsbeauftragten über andere, offizielle Zahlen und unterliegen dem fachwissensbefreiten Optimismus des Nationalwirtschaftsministers und seines Chefs, die glauben, dass sich durch Glauben schon alles richten lässt. Ihr Ringen mit dem MNB-Chef ist nicht das, um den festeren und zeitgemäßeren ökonomischen Handlungsrahmen, sondern ein persönlicher Kampf der Ideologien (Simor ist von den “Sozis” ernannt und als off-shore-Ritter verdammt worden). In dieser Athmophäre “Vertrauen bei den Märkten und in der Wirtschaft” zu erzeugen, ist nicht ganz so einfach.

Am Donnerstag erscheint der Quartalsbericht der MNB, dessen Link (auch engl. Version) wir an dieser Stelle dann für Interessierte ergänzen werden.

Über den "angekündigten Putsch" der externen Währungsratsmitglieder, den Kampf um Einfluss auf die MNB und das "Zinsmantra", lesen Sie ausführlich in diesem Beitrag.

Über die letzte "erzwungene" Zinssenkung und die dazu gebrachten Argumente hier mehr.

Über die allgemeine Wirtschaftslage, die Haushalts-, Steuer und Wachstumspolitik der Regierung sowie das "toxische" Umfeld für KMU in diesem Beitrag.

Gefährliche Planspiele zu einem Scheitern der IWF-Verhandlungen

red.

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