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(c) Pester Lloyd / 40 - 2012   WIRTSCHAFT 02.10.2012

 

Game over?

Ungarn will Spielautomaten verbieten und Online-Gambling besteuern

Das sehr plötzlich verkündete Verbot von Geldspielautomaten dient angeblich dem Schutz der "Ärmsten und Benachteiligten" und soll "Risiken für die nationale Sicherheit" beseitigen. Doch die Argumente passen hinten und vorne nicht zusammen: Konzessionierte Casinos bleiben nämlich vom Verbot ausgenommen, gleichzeitig soll eine Steuer auf Online-Gambling die Einnahmeausfälle kompensieren, - was nur über eine flächendeckende Internet-Kontrolle der Bürger möglich sein wird. Auch die Empathie für die Ärmsten ist an den Haaren herbeigezogen.

Konfiszierte Spielautomaten werden von den chinesischen Behörden verbrannt. Doch selbst China bekommt weder das illegale Glücksspiel, noch die Internetnutzung ihrer Bürger in den Griff, die Armut schon gar nicht.

Die "ungarische Regierung fordert ein vollständiges Verbot von Spielautomaten" im Lande, verkündete Orbáns Kabinettschef János Lázár am Montag in Budapest einer verdutzten Schar Medienvertreter. Schon am heutigen Dienstag landete der Gesetzentwurf im Parlament, "in den nächsten Wochen sollen die Automaten verschwinden". Lázár beklagte auf einer Pressekonferenz, dass "die bisherigen Maßnahmen" nicht die "gewünschten Effekte", hinsichtlich der "Zurückdrängung der Spieltätigkeit in den ärmsten Bevölkerungsschichten" erzielt hätten.

Diese genannten Maßnahmen bestanden jedoch
fast ausschließlich in massiven Steueranhebungen zu Lasten der Betreiber und zu Gunsten der Staatskasse, was den Nutzer von Spielautomaten jedoch weniger interessiert haben dürfte. Zwar schlossen einige Spielhöllen, doch die Karawane zog einfach weiter und die Betreibersteuer interessiert den Spieler recht wenig, viel eher schon wuchs der Anteil illegaler Automatenbetriebe und illegalen Glücksspiels generell an. Exzessives Spielen ist das Sypmtom einer Krankheit, nicht ihre Ursache. Was Lázár sonst so über Arme denkt, gab er einmal als Fraktionschef zum Besten, als er darüber dozierte, dass man sein Schicksal schließlich selbt wählt und es dann auch aushalten sollte.

Welche "Sicherheitsrisiken" kommen von der Glücksspielindustrie?

 

Lázár dürfte um die Unglaubwürdigkeit seiner Begründung gewusst haben, daher ergänzte Orbáns rechte Hand ziemlich kryptisch, dass sich "im Zusammenhang mit der Spieleindustrie ernsthafte Risiken für die nationale Sicherheit ergeben" hätten. Regierungssprecher Giro-Szász ergänzte, dass man es nicht hinnehmen wolle, dass "benachteiligte Menschen ihre staatliche Unterstützung in Spielautomaten werfen", auch er sprach von "Sicherheitsrisiken", die "ans Licht gekommen" seien, mit "Bezug auf die Aktivitäten derjenigen, die Interessen in der Glücksspielindustrie vertreten". Auch der Regierungssprecher blieb weitere Details schuldig, was die versammelten Medienvertreter im ersten Moment ziemlich ratlos dreinschauen ließ. Gab es Erpressungsversuche, einen Putsch, wollten etwa Zockerkönige die Macht im Lande übernehmen? Letzteres wäre für die Ungarn wohl schwerlich etwas neues und auch einen Putsch hat Orbán, wie wir belehrt wurden, bereits überstanden.

Online-Gambling kann man nur durch Orwellsche oder Iranische Gesetze überwachen

Deshalb, ja weshalb nun eigentlich, sollen sämtliche Geldspielautomaten im Land verbannt werden und zwar im Eilverfahren. Das erforderliche Gesetz dazu soll noch in dieser Woche verabschiedet werden und umgehend in Kraft treten. Das Verbot der Automaten bedeutet jedoch auch einen Steuerausfall von jährlich rund 30 Milliarden Forint für den Staatshaushalt, immerhin ca. 100 Mio. EUR. Diesen will man kompensieren in dem man sich tatsächlich daran wagen möchte, das Spielen in Online-Casinos zu besteuern.

Die dazu erforderliche gesetzliche Grundlage soll das Justizministerium erarbeiten und auf diese sollte man sehr gespannt sein, denn die Umsetzung hieße nicht weniger, als dass es dem Staat gelingen müsste, die Internetnutzung seiner Bürger flächendeckend zu kontrollieren, was wiederum nur mit Orwellschen oder iranischen Gesetzeskonstrukten gelingen kann. Dieser Zweck erscheint als Begründung für das blauäugige Verbot auch deutlich logischer als das Argument der Armutsbekämpfung. Denn zum einen wird durch ein Spielverbot Armut weder abgeschafft, noch verhindert und auch die Regierung gibt selbst zu, dass, wer zocken will, immer einen Weg und sei es ein virtueller, finden wird. Zum anderen haben Flat Tax auf der einen, Verbrauchssteuererhöhungen auf der anderen Seite, die Verarmung im Lande überhaupt erst richtig vorangetrieben.

Amerika in den Dreißigern: Symbolträchtig zertrümmert man illegale Spielautomaten. Gleichzeitig wird mit Las Vegas eines der größten Mafia- und Geldwäschezentren der Welt konzessioniert...

Ein- und mehrarmige Banditen

Wem nutzt es also? Eine Frage, die man sich immer stellten sollte, wenn Regierungen zum "Schutz des Volkes" argumentieren uned handeln. Eine Ausnahmeregelung in der Lázárschen Ankündigung macht dann doch stutzig, denn: "Spielautomaten in konzessionierten Casinos" werden vom Automatenverbot ausgenommen, erklärte Lázár und fügte hinzu, es gibt derzeit drei solcher Casinobetreiber in Ungarn und die Regierung plant, zukünftige Niederlassungen strenger zu reglementieren. Natürlich wäre es der Regierung zu teuer gekommen, Konzessionen entschädigen zu müssen. Doch da war doch noch etwas?

Kürzlich, nach etlichen Verschiebungen, wurde der
Baubeginn für das Monsterprojekt "Eurovegas" in Bezenye bekannt gegeben. Im dortigen "Großcasino" sollen neben Spieltischen auch massenweise Automaten aufgestellt werden. Das Hunderte Millionen Euro schwere Projekt soll bis zu 11.000 Arbeitsplätze schaffen und wurde häufig verzögert, weil die Kreditgeber sich zierten, man am Geschäftskonzept im Krisenland zweifeln konnte. Man kann sich nur ungefähr ausmalen, was hinter den Kulissen abgelaufen sein muss, dass die drei Casinobetreiber, einschließlich des bereits konzessionierten Eurovegas-Projektes, nun, zumindest temporär, das Automaten-Monopol inne haben. Die Sorge um den Sozialhilfeempfänger, der seine 22.800 monatlichen Forint in einer Vorstadtspielhölle versenkt, wird es weniger gewesen sein...

 

In absehbarer Zeit läuft in Ungarn also alles auf ein staatliches Glücksspielmonopol hinaus, nicht nur, was die Lizenzvergabe, sondern auch die Ausübung betrifft. Das passt auch zur sonstigen paternalistischen Politik der Regierung. Dazu wäre an sich nichts Kritisches anzumerken, wenn nicht zu fürchten ist, dass auch hier wieder allbekannte Zockerkönige ans Werk gehen, wie z.B. auch beim neuen Tabakhandelsmonopol, bei der exklusiven Vergabe von Agrarland, bei der Rückverstaatlichung kommunaler Dienstleistungen und an praktisch allen anderen Stellen, an denen eine "Umverteilung" von Steuergeldern in private Kassen möglich ist.

Das neueste Schaustück Orbánscher Blendpolitik lässt, wie immer, viele Fragen offen. Fest steht jedoch schon heute, dass es keinem einzigen in Armut geratenen Bürger Hilfe bringt, im Gegenzug aber vielleicht den Einstieg in die totale Überwachung der Bürger bedeutet, wenn diese nicht bald ihrem obersten Croupier ein zünftiges "Game over" zurufen.

red.

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