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(c) Pester Lloyd / 41 - 2012   GESELLSCHAFT 12.10.2012

 

Kein Platz für “Andere”

Dem Roma-Parlament in Ungarn droht die Schließung

Einer der letzten staatsunbhängigen Dreh-und Angelpunkte der Kultur-und-Kunstszene der Roma in Ungarn, das Roma-Parlament im VIII. Bezirk von Budapest, soll geschlossen werden. Die offizielle Begründung lautet, dass die Nutzer der Räumer Miete schuldig geblieben sind. Doch bei der von der der Bezirksregierung des VIII. Bezirks angestrebten Schließung, geht es vor allem um eine Law-and-Order-Maßnahme mit Blick auf die Wählerschaft von Fidesz und Jobbik.

Die Mietschulden des Roma-Parlamentes, entstanden in der Hauptsache 2011, sind kein Wunder, wurden der Einrichtung, der allgemeinen Zentralisierungstendenz zur neuen Staatskultur folgend, die Zuschüsse von heute auf morgen gestrichen. Doch nicht nur die Kulturhäuser, auch die Romapolitik selbst soll Sache des Staates und der sie heute tragenden Partei, nicht Sache der Roma oder der Betroffenen generell sein. Auch das ist ein Imperativ dieser Regierung.

Das machten etliche Maßnahmen klar, von der Auflösung und "Überführung in eines neues System" sämtlicher staatlich finanzierter Romastiftungen aus der vorigen Regierungsära, über die Einverleibung der sogenannten "Selbstverwaltung" durch einen Fidesz-Parteigänger, bis hin zu den
rabiaten bis offen rassistisch umgesetzten kommunalen Arbeitsprogrammen und der "nationalen Romastrategie." Weil die Vorgänger versagten, können die neuen Machthaber nun alles an sich reißen, so ist es in der Kultur und bei den Roma, so ist es in der Wirtschaft und im Rechtsstaat. Tabula rasa.

Selsbtbestimmung, Selbstentfaltung stehen nicht auf dem Plan. Und genau dafür war das Roma-Parlament im VIII. Bezirk, dem romareichsten der Stadt, seit Jahren eine Bastion und damit auch ein Dorn im Auge der neuen Nationenbefreier. Schon der Name verwies sarkastisch darauf, dass es eben kein Roma-Parlament gibt und auch die Roma im Parlament nur als Parteikarrieristen bei der Regierungspartei als Anpassler und Verleugner ihrer Herkunft ihre Rolle finden. Doch ein Zentrum ihrer Kultur war es und damit ein Ort der Würde und der Behauptung und einer der Identitätsstiftung, die Grundlage für eine Integration und eine Koexistenz mit der Mehrheit. - Doch für “anderes” außer dem neuen “nationalen Konsens” soll kein Platz mehr sein.

Die Lokalpolitiker des VIII. möchten den Bezirk am liebsten ganz romafrei sehen, so wie es eben dieser Bezirk war, der zuvor
mit einer "Bürgerinitiative" für die gesetzliche Kriminalisierung von Obdachlosen sorgte. Wer nicht ins Bild passt, soll verschwinden. Ein anderes Roma-Zentrum in Budapest wurde bereits geschlossen und durch ein regierungsfreundliches ersetzt, welches dadurch heute so gut wie gar nicht mehr besucht ist.

Auch von internationaler Seite wurde der Empörung über die geplante Schließung der Kultureinrichtung Luft gemacht. In einem offenen Brief wandten sich internationale Künstler, darunter auch Günter Grass, direkt an die Stadtverwaltung in Józsefváros. In dem Brief bringen sie ihre Bestürzung über die geplante Schließung zum Ausdruck und fordern nachdrücklich von der Lokalregierung, dieses Vorhaben zu überdenken. Sie weisen zudem auf die zwielichtigen Handlungen seitens der ungarischen Regierung gegenüber anderen Roma-Institutionen hin, wie zum Beispiel die Kürzung elementarer Gelder vieler Roma-Organisationen in nahezu allen Bereichen vor knapp zwei Jahren.

Man könne diese großartige und hervorstechende, außergewöhnliche Arbeit des Zentrums nicht der Vergangenheit angehören lassen, das wäre ein wahrhafter, kultureller Affront, so Grass & Co. Mit der Schließung des Zentrums würde eine der bedeutendsten Roma-Gemälde-Sammlungen unter Umständen sogar auf der Straße landen, da die Sammlung, ehemals in Besitz und ins Leben gerufen von Jenö Zsigó, nach dem Regierungswechsel direkt in die Hände rechtspopulistischer Bürokraten wanderte, die weder auf Roma-Kunst spezialisiert noch darauf bedacht sind, diese wichtige Sammlung zu erhalten.

Die gestrigen Verhandlungen zwischen Zentrum und den Behörden ergaben keine positiven Ergebnisse. Der Ausschuss für Wirtschaft und Entwicklung des Bezirkes ist mit einer 9 zu 3 Mehrheit für eine Schließung des Zentrums wegen Unwirtschaftlichkeit. Immerhin erhält das Roma-Parlament jedoch noch Zeit bis zum 17.Oktober, wo dann eine endgültige Entscheidung getroffen werden wird. Anfang nächster Woche wird es von Seiten des Zentrums eine Eil-Pressekonferenz geben. Bereits am Mittwoch waren über hundert Demonstranten zugegen, auch am Freitag werden wieder ebensoviele, wenn nicht noch mehr, erwartet, die aktiv gegen die Schließung vorgehen wollen.

 

Das Romazentrum funktioniert seit 1991 als Dachorganisation für drei weitere Roma-Organisationen, das Amaro Drom, ein Journalisten-Netzwerk, die Phralipe, eine Organisation für rechtliche Hilfe von Roma und die János Balázs Galerie, eine Roma-Gemälde-Sammlung. Den drei Unterorganisationen wurden bereits alle Gelder gestrichen, sodass sie heute ausschließlich privat finanziert werden, um sie weiter am Leben zu halten. Seit einem Jahr gibt es außerdem die RomaMoma-Galerie von Tímea Junghaus, die vor allem zeitgenössische Roma-Kunst zeigt. Das Zentrum ist eine einzigartige und international geachtete Organisation, die so in dieser Form nirgends besteht. Deswegen sind alle Organisationen darauf bedacht unter allen denkbaren Umständen, ihre Arbeit weiterzuführen, wenn auch nur noch ehrenamtlich.

Übrigens: Premer Orbán überreichte dem Vorsitzenden des Zentralrats der Sinti und Roma in Deutschland, Romani Rose,
anlässlich seines Besuches in Deutschland, einen ungarischen Orden. Rose nahm an.

Milena Berks

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