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(c) Pester Lloyd / 42 - 2012   KULTUR 16.10.2012

 

In Your Face

US-Dichter Ferlinghetti lehnt Literatur-Preis aus Ungarn ab

Schon die erste Auslobung des vom ungarischen PEN-Club neu geschaffenen Janus Pannonius Preises für Lyrik endet im Skandal. Der us-amerikanische Preisträger blamiert die Verleiher um Ex-Kulturminister Szöcs bis auf die Knochen, von autoritären Strukturen nähme er keine Preise ein. Die ungarische Seite wehrt sich mit der heute üblichen Verschwörungstheorie: die ungarische Opposition hätte den Preisträger zur Weigerung regelrecht gezwungen.

Der von der Jury bestimmte Preisträger, der 93jährige Dichter, Maler, Anti-Vietnam-Veteran und liberale Aktivist, Lawrence Ferlinghetti (Foto oben), lehnte den Preis, der nach einem kroatisch-ungarischen Bischof und Renaissancedichter benamst wurde und das damit verbundene Preisgeld in Höhe von 50.000.- Euro demonstrativ ab. Die Einführung des Preises geht auf den vor einigen Monaten zurückgetretenen Kulturstaatssekretär (de facto Kulturminister) Géza Szöcs zurück, der unmittelbar nach seinem Rücktritt des ungarischen PEN-Clubs "gewählt" worden war. Mit Ferlinghetti als erstem Preisträger sollte offenbar ein Signal der Weltoffenheit ungarischer Kulturpolitik in die Welt gesendet werden.

Das ging gründlich daneben. Ferlinghetti, der als eine Ikone der Beat-Generation gilt und für seine direkte und povokante Art gegenüber Machtanmaßungen aller Art eigentlich auch in ungarischen Kreisen bekannt gewesen sein sollte, begründete seinen Schritt so: „Dieser Preis wird teilweise von der ungarischen Regierung finanziert... und diese tendiert immer mehr nach rechts zu einer autoritären Herrschaft hin. Die ersten Konsequenzen dieser Tendenz erleben wir bereits in der Einschränkung der Meinungsfreiheit und der Bürgerrechte.”

Ferlinghetti schrieb weiter, er könne den Preis nur annehmen, wenn das Geld zur Gründung eines Fonds zur Unterstützung von Bürgerrechten und Meinungsfreiheit verwendet und Schriftstellern zu Gute kommt, die aufgrund ihrer politischen Haltung heute Probleme haben, einen vernünftigen Verlag zu finden. Zunächst bot der PEN-Club noch kleinlaut an, den Regierungsanteil am Preisgeld zurückzuziehen und über einen derartigen Fonds "zu verhandeln", worauf der Geehrte den Preis endgültig ablehnte.

Géza Szöcs (Foto), der Präsident des ungarischen PEN Clubs, verkündete, dass es in diesem Jahr keinen alternativen Empfänger geben wird. Gegenüber der rechtsnationalen Zeitung Magyar Hírlap verband er Ferlinghettis zurückweisung mit einer der in Ungarn heute gängigen Verschwörungstheorien. „Es gibt zwar keine Beweise, aber wir können davon ausgehen, dass Ferlinghetti seine Entscheidung aufgrund gewisser Einflussnahmen aus Ungarn getroffen hat.” Ein Kommentator der Zeitung ging noch weiter und behauptete, ungarische Oppositionelle hätten Ferlinghetti regelrecht erpresst, den Preis abzulehnen und ihm den Brief an Szöcs sogar diktiert, andernfalls würde es ihm schlecht ergehen. Der Kommentator konnte dafür zwar keine Belege erbringen, was aber die gläubige Anhängerschaft nicht davon abhält, die Behauptungen als bare Münze zu nehmen.

 

Der nationalkonservative Szöcs, ein Dichter und einstiger Dissident aus Siebenbürgen, der wegen mentaler und struktureller Überforderung aus dem Amt genommen wurde, hat im Kulturbereich maßgeblich zu den vom Preisträger kritisierten Tendenzen beigetragen, unter anderem mit der Besetzung von wichtigen Kulturinstitutionen mit regierungstreuen Beamten, dem Mittelentzug oder -kürzung, also der Austrocknung der freien Kunst- und Kulturszene sowie der Schaffung einer zentralistisch und auf nationale Themen fokussierten Staatskultur, die strukturell fatal an die Kádár-Zeiten erinnert. Hier mehr dazu.

red. / e.g.

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