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(c) Pester Lloyd / 46 - 2012   WIRTSCHAFT 14.11.2012

 

Teures täglich Brot

Agrarerzeugerpreise in Ungarn ziehen kräftig an - keine sozialen Gegenmaßnahmen

Die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise stiegen im Spetember um 20,7% im Vergleich zum Vorjahr. Sie spiegeln die hohen wetterbedingten Ernteausfälle, vor allem durch eine lang anhaltende Dürre, aber auch gestiegene Energiekosten. Die höheren Preise werden zwangsläufig auch auf den Handel und damit die Ärmsten durchschlagen, eine deutliche Senkung der 27%-Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel wäre eine wichtige, teilweise lebensrettende, soziale Maßnahme. Doch sie findet nicht statt.

Die ungarischen Bauern beklagen die schlechteste Ernte seit rund 20 Jahren, das Landwirtschaftsministerium hat bereits den EU-Notfonds um Hilfszahlungen ersucht , doch die Bauern versuchen auch über die Preisgestaltung die Ernteausfälle, die in vielen Bereichen rund ein Viertel bis ein Drittel ausmachen, zu kompensieren: Daher sind Feldfrüchte nicht ganz zufällig 26% teurer als im Jahr zuvor, Getreide führt in dieser Statsitik wiederum mit einem Plus von 29,8%, Spitzenreiter dabei ist der Weizen, der sich um 32% verteuerte und im September im statstischen Mittel für 64.600 Forint (226.- EUR) / Tonne ab Hof gehandelt wurde. Zum Vergleich: in Deutschland werden derzeit 268.- Euro je Tonne bezahlt.

Mais liegt derzeit bei 61.300 Forint / Tonne und damit 26% über dem Vorjahreswert. Die Anbauarten für Biosprit und andere industrielle Verwendungen zogen um 14,1%, Ölsamen gar um 25,5% an. Die Daten für Zuckerrüben und Tabak lagen wegen der noch anhaltenden Ernte nicht vor. Gemüse verteuerte sich um 24,8%, Obst um 8%. Äpfel wurden etwas billiger als im Vorjahr, Trauben jedoch teurer (15,6%).

Schlachtvieh hat sich im Schnitt um knapp 14% verteuert, Schlachtschweine liegen derzeit bei 419 Forint (1,47 EUR) pro Kilogramm und damit um 25,7% über dem Wert vom Vorjahr, Rinder sind zwar um 4,6% günstiger zu haben als vor einem Jahr, allerdings gab es im September 2011 einen sprunghaften Preisanstieg von 54,1%. Hühner verteuerten sich um 9%. Milch wurde um 3,7% billiger, Eier dafür um 34,9% teurer. Vor allem die hohen Futterpreise, aber auch der Anstieg der Kosten für Strom, Wärme und Wasser (+9% übers Jahr) sind für die Preissprünge verantwortlich.

Die werden sich unweigerlich bald im Einzelhandel bemerkbar machen, die Inflation (derzeit bei 6,6%) weiter anheizen und die ärmere Mehrheit des Landes zusätzlich belasten werden. Bereits 1,5 Mio. der zehn Millionen Ungarn gelten nach UN-Maßstäben als arm, weitere 2,5 Mio. als akut armutsgefährdet (Hintergründe im zweiten Teil dieses Beitrages) 25.000 Kinder und ungezählte Erwachsene, vor allem im Osten und Süden des Landes hungern regelmäßig, mitten in der EU.

Die Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Lebensmittel oder zumindest auf Grundnahrungsmittel, statt der 27% auf Alles, wie von vielen Seiten gefordert und in den meisten EU-Ländern üblich und sozial geboten, hat die Regierung, trotz vorheriger Ankündigung erstmal zurückgestellt. Angeblich sei dafür kein Geld im Budget vorhanden. Ein Mehrwertsteuersatz von 5-10% auf die meisten Lebensmittel würde mit 300-400 Mrd. Forint zu Buche schlagen, die Entlastungssteuer für Besserverdiener, Flat Tax, kostet das Staatsbudget im Jahr rund 700 Mrd. Forint (500 Mrd. HUF durch direkte geringere Einnahmen im Vergleich zum vorherigen System, 200 Mrd. wegen allfälliger Kompensationszahlungen für die untersten Schichten), doch daran hält die Orbán-Regierung fest, die eine verstärkte Besteuerung von Verbrauch und eine verminderte Besteuerung von Arbeit (eigentlich Einkommen und Erträge) für das Konzept der Zukunft hält.

 

Eine Zukunft, die offenbar nur für eine kleine Gruppe gedacht ist: denndie Steuerbefreiung für "Cafeteria-Voucher" (eine Art Deputatszahlung), die für viele Mindestlöhner ein wichtiger Zusatz zum geringen Einkommen darstellte, steht vor der Abschaffung. Zusätzlich wird noch über eine "Deckelung" der ohnehin schon sehr niedrigen Sozialleistungen gesprochen , nicht städtisch akkreditierten Hilfsinitiativen in Budapest wurde nun sogar die Essensverteilung auf öffentlichen Plätzen bei Strafe untersagt.

Mehr zur Preis- und Armutsentwicklung http://www.pesterlloyd.net/html/1211inflationundarmut.html

Mehr zur aktuellen Einkommenssituation http://www.pesterlloyd.net/html/1229einkommmensentwicklung.html

Mehr zur Dürre in der ungarischen Landwirtschaft und dne Notmaßnahmen
http://www.pesterlloyd.net/html/1235notstandlandwirt.html

red.

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