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(c) Pester Lloyd / 46 - 2012   WIRTSCHAFT 14.11.2012

 

Totgeburten

Aus für staatlichen Mobilfunkanbieter in Ungarn - Orbáns "Planwirtschaft" im Schnelldurchlauf

Der Plan der Regierung, einen vierten, staatlichen Mobilfunkanbieter zu installieren steht offenbar vor dem Aus: das Konsortium MPVI um die Entwicklungsbank, die Ungarische Post und den Versorger MVM, allesamt staatlich kontrolliert, arbeitet zwar offiziell noch immer an den rechtlichen Rahmenbedingungen, doch, so belegen interne Dokumente im Nationalwirtschaftsministerium, die von der Zeitung Népszabadság zitiert und von unseren eigenen Quellen bestätigt wurden, sei das Projekt eigentlich bereits ad acta gelegt.

Das Projekt wurde nun auch von den Verantwortlichen als zu teuer erkannt und die Aussichten, damit in absehbarer Zeit Gewinne erzielen zu können, seien sehr gering. Die Ausschreibung um die notwendigen Frequenzen gewann das staatliche Konsortium zwar, ein Gericht stellte aber fest, dass zum Zeitpunkt der Ausschreibung laut Gesetz staatliche Unternehmungen dort gar nicht mitbieten durften.

Fachleute hatten von Anfang an vor einem finanziellen Abenteuer gewarnt. Die Regierung wollte den neuen Anbieter vor allem im mobilen Internet tätig werden lassen und plante einen Marktanteil von rund 25%. Um sich gegenüber den Mitbewerbern, Magyar (Deutsche) Telekom, Vodafone und Telenor einen Vorteil zu verschaffen, diente sowohl die Krisensondersteuer auf die Umsätze wie auch eine Telefonsteuer für die Kunden der privaten Anbieter.

Orbáns Planwirtschaft im Schnelldurchlauf

Die planwirtschaftlichen Ambitionen werden auf vielen Bereichen von Beginn durch die Realität behindert: So ist ese um die Rückkauf-Pläne für die E.ON-Gastöchter in letzter Zeit hörbar ruhig geworden, auch das Ansinnen, den Staat als größten Kreditgeber für Unternehmen zu installieren u.a. mit einer KMU-Bank, einer Agrar-, einer Export-Bank und mit der Übernahme der MKB, kommt nicht recht voran. Mehr als eine interne Umstrukturierung hat es bisher nicht gegeben. Zielvorgabe war, dass "50% des Bankensektors in ungarischer Hand" sein sollten und davon wiederum ca. die Hälfte in staatlicher. Verschiedene flickschusternde Interventionen gibt es in der Lebensmittelbranche, in der Abfallwirtschaft wurde quasi ein Staatsmonopol installiert, genauso wie im Tabakhandel und bei den Geldspielautomaten, ein Preiskartell für Melonen wurde legalisiert, das Wettbewerbsamt somit kaltgestellt. Die Versorgung privater Endkunden mit Strom, Gas und Wasser soll in ein Non-Profit-System überführt werden.

Ein weiteres aktuelles Großprojekt ist die Renaissance der Marke Ikarus als "Nationalbus" unter Mithilfe von Volvo und den mittlerweile mehrheitlich staatlichen Rába-Werke, bei Einbeziehung eines einschlägig bekannten Magnaten. Durch den hohen Erneuerungsbedarf bei den Bussen bei BKV und Volánbusz erhofft man sich Milliardenersparnisse bzw. -umleitungen in die richtigen Taschen durch die Staatsaufsicht. Ob dafür das Geld reicht und die Idee, wie beim Mobilfunk, nicht auch wegen der misslichen Budgetlage beerdigt werden muss, wird sich noch herausstellen.

Denn diese Regierung signalisierte (und dementierte) bereits die Möglichkeit, sich sogar von dem als besonders wichtig erachteten MOL-Paket (Wert ca. 2 Mrd. EUR) zu trennen, das man zuvor unter großem Siegesgeheul den Russen abgekauft hatte, wenn der Staatshaushalt wieder kurzfristigen Sanierungsbedarf meldet oder IWF/EU Forderungen stellen, die anders nicht zu bedienen sind. Die Gewinne von MOL sinken kontinuierlich, der Aktienkurs auch, so oder so, wird das ein Verlustgeschäft. Noch eins.

Ein ganz eigenes Thema und die wohl spektakulärste Totgeburt der letzten Zeit, ist die Schaffung einer neuen Airline als Nachfolger der bankrotten Malév. Die Initiative geht hier - offiziell - von einer "Bürgerbewegung" der "Freunde einer ungarischen Fluglinie" aus, die eine "Hungarian World Airways" erschaffen wollen, die schon im ersten Betriebsjahr 10 Mio. Passagiere rund um den Globus transportiert und bereits ab dem dritten Jahr Hunderte Millionen (Dollar) Gewinn verspricht.

 

Diese kürzlich groß angekündigte "Air Illiusion" ist seitdem jedoch im Status einer Facebook-Bewegung mit 250 Sympathisanten und einigen Vorträgen mit Buffets steckengeblieben, wiewohl kolportiert wird, dass eine "eigene Airline" einer der Herzenswünsche des Premiers ist. Bei der aktuellen Kassenlage muss sich Orbán wohl oder übel erstmal mit irdischeren Vergnügungen, wie seinem privaten Fußballpark in seinem Heimatort Felcsút begnügen, während sich seine Parteikollegen, Freunde und Verwandten vor allem in der Landwirtschaft - verdient machen.

ZUM THEMA

“Volksfürsorge” oder Machtrausch? - Hintergründe zur Renaissance der Planwirtschaft in Orbáns Ungarn

cs.sz.

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