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(c) Pester Lloyd / 48 - 2012   WIRTSCHAFT 01.12.2012

 

Pacht- und Machtfragen

Auswüchse der "neuen Bodenpolitik" in Ungarn - der Fall Hubertus

Vor über einem Jahr berichteten wir schon einmal über "Das große Halali", das ungarische Behörden und Politiker auf die Hubertus Bt. geblasen haben. Die Geschichte illustriert, welche Blüten die "neue Landpolitik" der Regierung auch abseits von Bodenspekulanten und Taschenverträgen treiben kann. Auch bei legalen Wirtschaftsbetrieben, zumal, wenn Ausländer involviert sind. Im Interview mit Oliver Hahnenkamm, Geschäftsführer der Hubertus Bt., sprachen wir über die Entwicklungen.

Im Beitrag "Bodenoffensive" finden Sie einen Überblick zu den politischen und rechtlichen Hintergründen der "neuen Landpolitik" mit weiteren aktuellen Fallbespielen und Hintergrundlinks.

Blick über die Hubertus-Gründe.

Beim vorliegenden Fall geht es um einen schweizerisch-ungarischen Landwirtschafts- und Tourismusbetrieb, die Hubertus Bt, der vorgeworfen wird, ein am Südbalaton gelegenes Gebiet für gerade 10 Forint pro Hektar und damit praktisch unter sittenwidrigen Umständen zu pachten. Die mit der Verwaltung der Flächen beauftragte NFA (Nationaler Bodenfonds) hat gegen diesen Pachtvertrag rechtliche Schritte eingeleitet, um den Vertrag für ungültig erklären zu lassen.

Die Hubertus Bt. dagegen hat die Auffassung, dass der Pachtvertrag Teil eines Syndikatsvertrages ist, innerhalb dessen die Firma staatliche Aufgaben übernommen hat, die mindestens einer üblichen Pachthöhe entsprechen. Diesen Standpunkt hat auch ein Gericht in Kaposvár bereits vor einem Jahr eingenommen, doch die Sache ist noch immer nicht vom Tisch. Verträge verlieren mitunter plötzlich ihren Wert, bisher funktionierende Absprachen, sogar mit ehemaligen Staatspräsidenten werden für nichtig erklärt und politisch instrumentalisiert, sogar die Vernichtung von Arbeitsplätzen und Investitionen wird riskiert.

Die Hubertus Bt. wurde 1992 zusammen von der Braun Industrieholding AG und dem ungarischen Staat als Joint Venture gegründet, als direkter Rechtsnachfolger eines Staatsgutes, der Balatonnagyberek ÁG (BNB). Bis heute zahlt die Hubertus für die gepachteten Staatsflächen nur rund 10 HUF je Hektar und pachtet diese für 99 Jahre. Finden Sie beide Tatsachen nicht unangemessen?

Oliver Hahnenkamm: Dies wird uns immer wieder vorgeworfen, doch diese beiden Zahlen muss man im Zusammenhang betrachten! Der Pachtvertrag ist Teil eines Vertrages (Syndikatsvertrag) zur Aufnahme eines Investors in den damaligen Staatsbetrieb Balatonnagyberek (BNB ÁG). In diesem Vertrag wurde vereinbart, dass der ungarische Staat und der Investor ein Gemeinschaftsunternehmen gründen, die heutige Hubertus Bt., als direkten Rechtsnachfolger des Staatsgutes. Dieses Unternehmen sollte als Pächter und Bewirtschafter der Flächen auch die Entwässerungsaufgabe für diese Flächen übernehmen. Da sich das Nagyberek unter dem Wasserspiegel des Balaton befindet, ist es leicht verständlich, dass die Entwässerung erst eine Nutzung möglich macht, somit auch die Voraussetzung für den Eigentümer schafft, die Flächen entweder selbst zu nutzen oder wie in diesem Fall zu verpachten.

Mit dem Wissen, dass die Aufwendungen für die Entwässerung auch damals mindestens einer theoretisch erzielbaren Pacht entsprachen - dies wurde den Investoren damals jedenfalls so präsentiert und hat sich auch bewahrheitet - hat man vereinbart, die Pacht auf einen symbolischen Wert von 10 HUF/ha festzulegen. Nicht nur damals, sondern auch heute ist diese Konstruktion vor allem für den ungarischen Staat finanziell sinnvoll. Um auf die 99 Jahre Pachtdauer zurückzukommen: Die Pachtdauer hat die AVÜ damals selbst vorgeschlagen um den Investor langfristig zu binden und zu grundlegenden Investitionen zu animieren.

Aber warum ist die Pacht über so einen langen Zeitraum fix vereinbart. Allein aufgrund der Inflation müsste sie angepasst werden, oder nicht?

Dass die Pacht von 10 HUF/ha keine Korrekturklausel enthält hat zwei Gründe. Zum Einen ist es wie gesagt ein symbolischer Wert, wegen der Übertragung der Entwässerungspflicht. Zum anderen sind die Aufwendungen für das Pumpen des Wassers und der Kanalpflege wie Strom, Diesel, Maschinen, Lohnkosten usw. genauso der Inflation unterworfen wie es eine Pacht ist. Somit wird diese Konstruktion nicht nur heute, sondern auch in Zukunft sinnvoll sein.

Welche grundlegenden Investitionen waren denn notwendig?

 

Man kann hierbei in aller Kürze drei Teilbereiche nennen. Erstens musste der gesamte Maschinenpark komplett erneuert werden, zweitens war dringend Bargeld notwendig um die unmittelbare Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Beides geschah direkt nach der Unterzeichnung der Aufnahme des Investors ins Unternehmen 1992 und umfasste 350 Mio. HUF (ca. 7 Mio. DM). Der dritte grundlegende Schritt, um dem Unternehmen wieder eine Produktionsgrundlage zu geben, lag darin, dass oben bereits erwähnte Entwässerungssystem bestehend aus Gräben, Brücken usw. zu erneuern. Dies geschah von 1993 bis 2002 und kostete 600 Mio. HUF (heute ca. 2,2 Mio. EUR). Diese Infrastruktur befindet sich übrigens weiterhin im Eigentum des Staates, denn auch dies ist Teil der gepachteten Flächen!

Welche Art von Flächen umfasst das gepachtete Gebiet?

Insgesamt sind es ca. 7.750 ha und 42 verschieden Nutzungsrichtungen mit insgesamt ca. 56.750 Goldkronen. 22 Nutzungsrichtungen oder 475 ha davon umfassen Kanäle, Straßen, Gräben etc. ohne jegliche Goldkronen. Diese stellen die Infrastruktur dar, die zur Entwässerung der Flächen notwendig ist. Weitere 1.242 ha oder 5.473 Goldkronen (ein Maß für die Ertragskraft von Böden, Anm.) bezeichnet die NFA selbst in einer im Sommer 2012 durchgeführten Beurteilung als „für die landwirtschaftliche Produktion ungeeignet". Insgesamt 1.717 ha bzw. 22% der Flächen kosten dem Pächter demzufolge nur Geld.

Wie hoch sind denn nun konkret die Entwässerungskosten, wie hoch wäre die Pacht?

Die Pflege der Kanäle, Straßen usw. und das Wasserpumpen selbst kostete zwischen 2007 und 2011 insgesamt 341 Mio. HUF, also durchschnittlich 68,2 Mio. HUF pro Jahr. Mit den in diesen Jahren aktuellen Pachtgebühren der NFA hätte sich eine Pachteinnahme von 264 Mio. HUF oder 52,8 Mio. HUF pro Jahr ergeben, und hier sind alle Goldkronen eingerechnet. So verhielt sich dies im gesamten Zeitraum seit 1992. Es ist also für den größten Laien verständlich, dass eine Auflösung dieser Konstruktion für den ungarischen Staat mit einem Saldo von minus 2.000 HUF/ha wirtschaftlich schlechter wäre als plus 10 HUF/ha. Und es ist die Pflicht eines jeden Angestellten des Staates wirtschaftliche Nachteile abzuwenden. Dies gilt auch für den Präsidenten der NFA, auch wenn 10 HUF/ha zunächst Anderes vermuten lassen.

Wie kam es überhaupt 1992 zu diesem sogenannten Syndikatsvertrag?

Die BNB ÁG hatte zum einen durch wirtschaftliche Fehlentwicklungen zu wenig Geld zur Verfügung um in Technik und Entwässerung zu investieren, dadurch verringerte sich stetig die Produktivität des Unternehmens, es wurde letztlich defizitär. Zum anderen richtete sie die Weltmeisterschaft im Gespannfahren 1989 aus, dies sollte eigentlich vereinbarungsgemäß durch den ungarischen Staat finanziert werden. Als dieser die Kosten dessen nicht erstatten konnte oder wollte blieb die BNB ÁG auf einem Schuldenberg sitzen, den sie selbst nicht mehr abtragen konnte.

Wie und wann kam es zu dem Engagement der Investoren?

An dieser Stelle muss ich etwas weiter ausholen: Im Oktober 1989 sprach die Leitung der BNB ÁG bei einem Jagdaufenthalt die Brüder Braun an und fragte, ob man sich ein Investment in die BNB ÁG vorstellen kann um ein Joint Venture zu gründen. Grund war ein großer Investitionsbedarf zur Neuausstattung des Betriebes, der durch interne Quellen wegen großer Defizite und hoher Schuldenlast nicht zu leisten war. Das Betriebswirtschaftliche Büro Göttingen (BBG) begann eine Analyse des Betriebes.

Im März 1990 informierte die ÁVÜ als Eigentumsvertreter der BNB ÁG, dass Grund und Boden nicht als Sacheinlage in das Joint Venture eingebracht werden können. Das Interesse der Investoren ist dann erloschen, ohne Eigentum des Joint Venture an den Flächen war zu wenig Investitionssicherheit vorhanden um den Kapitaleinschuss rechtfertigen zu können. Die Gespräche wurden unterbrochen.
Im November oder Dezember 1990 wurde Dr. Bálintfy vom damaligen Ministerpräsidenten Dr. Antall József angesprochen und gebeten den Kontakt zu den Brüdern Braun wieder herzustellen, um die Gespräche wieder aufzunehmen.

Im Januar 1991 wurden vor Ort die Gespräche wieder aufgenommen, das Betriebswirtschaftliche Büro Göttingen (BBG) setzte seine Arbeit fort und arbeitete an einem Betriebskonzept. In diesem Zuge wurde in mehreren Berichten auf die Parität der Entwässerungskosten (Eigentümerpflicht) und der Pachtforderungen (Pächterpflicht) eingegangen. Daraus entstand der Gedanke die Entwässerung dem Bewirtschafter zu überlassen, um zu vermeiden, dass eine finanziell motivierte Einschränkung der Entwässerung (durch den Verpächter) zu Produktionsausfällen (beim Pächter) und Streitigkeiten führt. Wegen der Parität von Kosten und theoretischer Pacht wurde diese symbolisch mit 10 HUF/ha festgelegt.

Zum 8. Mai 1991 wurden die Brüder Braun vom damaligen Minister für Privatisierung und Präsident des Beirats der ÁVÜ Dr. Mádl Ferenc zu einem Gespräch ins Parlament geladen. Die Rahmenbedingungen des Joint Venture wurden besprochen und am 9. Juli 1991 im selben Kreis konkretisiert.

Ohne ausländische Hilfe wäre der Betrieb in Konkurs gegangen

Am 12. August 1991 fand ein Treffen zwischen den Brüdern Braun und dem zuständigen Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium Dr. Raskó György statt um Detailfragen der landwirtschaftlichen Entwicklung zu erörtern. Am 11. November 1991 berichtet das AVÜ-interne Bewertungsbüro (Zsombor András) an die Direktion der ÁVÜ in drastischen Worten den Zustand der BNB ÁG: "... Das Staatsgut ist gegenwärtig defizitär und das Defizit wird während der Zeit bis zur Umwandlung noch höher werden, was den Vermögenswert vermindert" (...) "Falls die Umwandlung in diesem Jahr nicht erfolgt, muss das Staatsgut den Konkurs beantragen und der sofortige Liquidationswert würde aufgrund meiner Schätzung die 100-150 Millionen HUF nicht übersteigen". "Die Mehrheit der Gebäude und Einrichtungen, obwohl diese in den Büchern mit Wert angegeben sind, sind weniger wert, da sie unbenutzt sind (z.B. Reitschule), sie sind zwar zur Erhaltung des Betriebs nötig, bringen jedoch keine Einnahmen (z.B. Entwässerungseinrichtungen, Kanäle, Schleusen), bzw. haben einen Nullwert, da sie aus wirtschaftlichen Gründen, oder aufgrund einer behördlichen Entscheidung nicht betrieben werden können. Diese sollten abgerissen werden und bei einigen Gebäuden kann nicht einmal das Abbruchmaterial verwendet werden". (...) "Die Bodenflächen befinden sich um einen Meter unter dem Wasserspiegel des Balaton, deshalb sind sie für die landwirtschaftliche Bestellung nur teilweise und zeitlich begrenzt geeignet" (...) "Das Gebiet des Staatsgutes kann also nur den Plänen entsprechend, durch die Bio-Produktion, durch die aseptische Rinderzucht, sowie durch die Ausgestaltung des Naturschutzgebietes, bzw. durch die damit verbundene Tätigkeit wirtschaftlich ausgenutzt werden. Dazu sind die Umwandlung und die ausländische Kapitalanlage unentbehrlich."

Am 4. Dezember 1991 genehmigte der Beirat der ÁVÜ den Eintritt der Braun Industrieholding (BIH) in die BNB ÁG mit den im Syndikatsvertrag festgeschrieben Bedingungen, die Entscheidung wurde dem Direktor der BNB ÁG Baumstark in einem Brief mitgeteilt. Die ÁVÜ schlug in dieser Entscheidung vor, die Pachtdauer auf "mindestens 50 und maximal 99 Jahre" festzusetzen um den Partner langfristig zu binden (!).

Im Zeitraum zwischen Dezember 1991 und April 1992 wurden von den juristischen Vertretern der ÁVÜ und der BIH die Verträge ausgearbeitet und am 7. April 1992 in den Räumen der ÁVÜ von allen Beteiligten unterzeichnet, nur Tage bevor die BNB ÁG Insolvenz anmelden hätte müssen.

In einem ersten Schritt wurden 1992 von den Investoren 200 Mio. HUF in bar (damals 4 Mio. DM) und 150 Mio. HUF (damals 3,5 Mio. DM) in Form von Maschinen als Sacheinlage eingebracht, insgesamt also 350 Mio. HUF. Das Anlagevermögen der BNB ÁG betrug 300 Mio. HUF. Aus dem Verhältnis von 350/300 ergab sich das Eigentumsverhältnis von 54% - 46% an der in diesem Zuge in eine Kapitalgesellschaft umgewandelte Firma, die ab dem 7. April 1992 Hubertus Rt. genannt wurde. Zu diesem Zeitpunkt betrugen die Verbindlichkeiten 581 Mio. HUF (11,6 Mio. DM).

1996 kündigte der ungarische Staat seinen Geschäftsanteil an der Hubertus Bt. und wurde durch die Gesellschaft ausbezahlt. Die Summe der Kapitalerhöhungen durch den heutigen Eigentümer in die Hubertus Bt. beträgt bis zum heutigen Tag 6,3 Milliarden Forint oder 22,5 Mio. €. Damit wurde der Betrieb entwickelt und viele Arbeitsplätze gesichert.

 

Neben dem Gerichtsfall, gibt es sozusagen auch einen Politfall Hubertus, immerhin hat sich Staatssekretär Budai, damals noch Orbáns "Sonderkommissar für die Abrechnung mit der Vorgängerregierung" eingeschaltet, der Umweltstaatssekretär schickte sogar gewisse "Umweltschützer" ins Feld (inzwischen zurückgezogen), alles um der Sache eine nationale Bedeutung zu geben. Können Sie sich vorstellen, dass die Ungültigkeit des Pachtvertrages ausgesprochen wird, vielleicht auch auf politischen Druck?

Das Gericht ist unabhängig. Ich glaube daran, dass das Gericht seinen eingeschlagenen Weg beibehält und den Pachtvertrag als Teil der Gesamtvereinbarung sieht. Demzufolge kann ich mir nicht vorstellen, dass überraschend der Pachtvertrag separat für ungültig erklärt werden würde. Man muss bedenken, dass der Ausgang dieses Prozesses ein Zeichen für Investoren setzt.

i.k.

Informationen zum Unternehmen (ung., dt., eng.): http://www.hubertus.hu

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red.

 

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