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(c) Pester Lloyd / 51/52 - 2012   WIRTSCHAFT 17.12.2012

 

Ende der Schonfrist

Finanzmärkte verlieren Geduld mit Ungarn: Forint rauscht in den Keller

Nationalwirtschaftsminister György Matolcsy hat durch Äußerungen über eine neue Strategie für die Nationalbank den Forint einmal mehr in den freien Fall geschickt. Doch hinter dem heftigen Kurssturz stecken auch längerfristige Konflikte zwischen Finanzmärkten und ungarischer Regierung, die bald ganze Bände füllen könnten. Wie man es auch dreht und wendet, den Preis für diese Markt-Scharmützel zahlt der Steuerbürger.

Nationalwirtschaftsminister Matolcsy mit Premier Orbán.

Erdrutschartig: Kursziel von fast 300 Forint / Euro

Matolcsy Äußerungen über eine "strategische Allianz der Regierung mit der Nationalbank" und "neue, kreative Finanzmarktinstrumente" nach dem Ende der Amtszeit des jetzigen Nationalbankchefs, András Simor, im März 2013 sowie die bereits avisierte Besetzung des Postens mit einem parteinahen Ökonomen, haben einflussreiche Marktteilnehmer zu einer Korrektur in der Bewertung der ungarischen Landeswährung gebracht. Am Montag verlor der Forint gegenüber dem Euro binnen weniger Stunden von 283 auf 289 und erholte sich bisher nur sehr leicht.

JP Morgan gab ein korrigiertes, kurzfristiges Kursziel von 299 Forint (zuvor 290) zum Euro aus, womit schlagartig Forintverkäufe eingeleitet wurden. Zwar ist der Forint selbst damit noch weit vom Höchststand 2012 entfernt (über 320 HUF/ Euro), markiert aber für das zweite Halbjahr bereits fast einen neuen Rekord. Das dramatische an den Vorgängen ist also nicht der Kurs selbst, sondern die erdrutschartige Bewegung.

Entwicklung des Forint zum Euro seit 2000

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Entwicklung des Forint zum Euro seit Amtsantritt der Regierung Orbán

Quelle: EZB

Unabhängigkeit der Zentralbank als Dreh- und Angelpunkt

 

Was die Banker und Währungshändler, aber auch die EZB, den IWF und die EU umtreibt, ist die Angst, dass durch eine Aushöhlung der Unabhängigkeit der Nationalbank die Devisenreserven als letzte Sicherheit des Landes gegenüber Gläubigern angetastet werden könnte, was zu steigenden Aufschlägen auf die Anleihezinsen und damit zu einer geringeren Kreditwürdigkeit und Fähigkeit zur Schuldenrückzahlung des Landes führen muss. Diese Idee ist längst noch nicht vom Tisch. Durch eine von ökonomischen Wünschen geleitete Zinspolitik könnte zudem die Inflation angeheizt werden. Schon die letzten drei Zinssenkungen wurden, gegen den Rat des Nationalbankgouverneurs von den externen, von der Regierung entsandten Mitgliedern des Währungsrates durchgedrückt.

Zu den "kreativen Überlegungen" gehörte u.a. auch die Anwendung der Finanztransaktionssteuer auf Transaktionen von und zur Nationalbank, die gekippt wurde sowie der noch im Raum stehende Plan, durch gesetzliche Maßgaben die Tageseinlagen und die 2-Wochen-Einlagen der Geschäftsbanken (die vor allem aus Sicherheitsgründen geschehen) erheblich zu reduzieren, um so mehr Geld in die Wirtschaft (wunschgemäß über Kredite an KMU) zu bekommen.

Eiertanz mit IWF und "kreative Finanzmarktideen"

Für Unruhe sorgt auch der Versuch über eine kürzlich versuchte Anleihebegebung über die staatliche Eximbank, eine Schuldenfinanzierung durch die Hintertür und somit zu besseren Konditionen zu erreichen als es dem Staat selbst auf dem internationalen Parkett gelingt.

Die Liste der Sorgen, den die Finanzmärkte mit Ungarn haben, ist seit Amtsantritt Orbáns eine lange. Hier sei in erster Linie der ideologisch geführte Eiertanz mit dem IWF um einen Sicherheitskredit genannt, bei dem die Verhandlungen derzeit auf Eis liegen sowie die ständig steigende Belastung der Banken mit höheren und neuen Steuern, von der strukturell undurchschaubaren Steuerpolitik insgesamt ganz abgesehen.

Zuletzt hatten Ratingagenturen das Land davor gewarnt, dass eine gesetzliche Minderung der Ansprüche von Banken bei Kommunalschulden (die von der Zentralregegierung teilweise übernommen werden) als partieller Staatsbankrott gewertet werden müsste, was zu weiteren Herabstufungen führen würde. Erst vor einem Monat wurde das Kreditrating des Landes innerhalb des Ramschbereiche nochmals herabgestuft.

Die Zentralbank als Quelle für die Staatsschuldenbedienung oder als Reparaturwerkstatt für eine verfehlte Wirtschaftspolitik zu benutzen, goutieren die Märkte jedoch überhaupt nicht. Doch neben den finanzpolitischen Bedenken kommt bei der jetzigen Bewegung auch ein spekulatives Moment ins Spiel, denn bereits seit langem gilt der Forint als überbewertet.

Gulaschwirtschaft weist keinen Ausweg aus der Schuldenlogik

Dass die Abwertung gerade jetzt, wenige Tage nach Abschluss des Budgets 2013 erfolgt und genau an dem Tag, als der Minister den Haushalt im Brustton der Überzeugung als “wegweisend” preist, kann als deutliche Misstrauensbeweis der Märkte an die ungarische Regierung gelten und indirekt auch als (ein für Kenner ungeeigneter) Versuch, einen Richtungswechsel in Budapest zu erzwingen. Dass nun auch währungsseitig der Geduldsfaden riss, ist aus der Logik der Finanzwelt nach den oben beschriebenen Irritationen jedoch nur verständlich, die Schonfrist ist nun endgültig vorbei.

Auch bei aller nachvollziehbarer Ablehnung der Einschätzungen von "Ratingangenturen" und "Analysten", die man, so Matolcsy "nicht ernst nehmen muss", ist Ungarn, solange es verschuldet ist, doch auf gute Bewertungen angewiesen ist, um nicht vollends in finanzielle Turbulenzen zu geraten. Dass die “Schuldenlogik”, auf der die Gewinne dieser Märkte aufbauen, kein Fundament ist, auf dem man eine funktionierende Wirtschaft aufbauen sollte, ist zwar eine zutreffende Einschätzung auch der Regierung Orbán, doch ist das bisher gezeigte Gegenkonzept alles andere als geeignet einen Ausweg daraus und eine Alternative dazu aufzuzeigen.

Im Gegenteil, die Regierung Orbán verliert sich und viel Zeit mit planwirtschaftlichen Abenteuern, ist von Kontrollwahn und Wunschdenken besessen und fuhr Ungarn immer tiefer in eine regelrechte Gulaschwirtschaft. Höhepunkte von Realitätsverweigerung und Zynismus von Minister György “Matman” Matolcsy waren Aussagen, wonach “die Krise in Ungarn vorbei” ist, “in wenigen Jahren Vollbeschäftigung herrscht”, das Land “zum wirtschaftlichen Tigerstaat der Region” wird und man “von 47.000 Forint in Ungarn heute ganz gut leben kann” (Sozialhilfe+1-Forint-Jobs).

Auch andere Äußerungen des Ministers, der übrigens schon selbst ins Gespräch für den Posten des Zentralbankchefs gebracht worden ist, hatten immer wieder zu sprunghaften Bewegungen des Forintkurs nach unten geführt, worunter neben dem Sschuldendienst des Staates vor allem die vielen Forex-Schuldner im Lande leiden, deren Raten sich dadurch schmerzhaft erhöhen. Das Budget 2013 ist auf einen durchschnittlichen Forintkurs von 283 / Euro ausgelegt und müsste bei anhaltenden höheren Kursen wiederum ausgebessert werden, was letztlich die Steuerzahler zu tragen haben werden.

cs.sz. / red.

 

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