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(c) Pester Lloyd / 01 - 2013   POLITIK 04.01.2013

 

Durchregieren

Ungarn flächendeckend unter Kontrolle: 175 Regierungsbüros eingeweiht

Still und leise und von der sonst so erruptiven Berichterstattung über Ungarn im Westen gänzlich unbemerkt, vollzog sich mit dem Jahreswechsel ein struktureller Wandel, der in seiner praktischen Wirkung mindestens so tiefgreifend ist, wie die Einführung der neuen Verfassung. Die Regierung Orbán hat, nach der Errichtung von "Regierungsbüros" in allen Komitatshauptstädten und anderen größeren Kommunen, nun 175 sogenannte Bezirksbüros eingerichtet, die - überwiegend und natürlich zufällig - den neuen Wahlkreisen entsprechen, weitere 23 davon in den Bezirken der Hauptstadt.

Ein Meer in Orange: mit der Fidesz-Parteifarbe wird dank der 175 Regierungsbüros
nun das ganze Land bepinselt...

Offizieller Zweck dieser Paralleleinheiten zu Komitats- und Kommunalstrukturen, ist der "effizientere Zugang der Bürger zu Dienstleistungen des Staates". In Wahrheit geht es jedoch um den direkten Durchgriff der Zentralregierung ins ganze Land, sind doch Komitats- und Kommunalstrukturen ohnehin obsolet geworden, durch die staatliche Übernahme fast aller Kompetenzen (samt eines Teils der Schulden) von Schulen, über die Energieversorgung, Krankenhäuser, etc. auf die Zentralregierung. Zunächst "kaufte" man so die Komitate auf: , samt ihrer Einrichtungen und Zuständigkeiten, danach übernahm man auch Stück für Stück mit den Schulden auch die Agenden der Kommunen, immer mit dem Argument, "effizenter" agieren zu wollen und - zum Wohle der Bürger - weiteres Schuldenmachen zu verhindern.

Geleitet werden die Regierungsbüros, die ja selbst nicht wenig Geld kosten, nicht von gewählten, sondern ernannten Parteikadern oder ausreichend gewogenen Beamten, darunter u.a. auch abgewählte Bürgermeister, die nun unabhängig vom Ausgang der kommenden Kommunalwahlen die maßgeblichen Machtzentren auch in der Provinz darstellen. Die meisten der "Direktoren", nämlich 2/3, sind ausgebildete Juristen, überwiegend Anwälte oder Notare, sieben der Büroleiter sind auch Abgeordnete des nationalen Parlamentes, etliche weitere gehören Komitatsparlamenten an.

 

Befürchtungen, die Regierungsbüros könnten nichts anderes sein als schlecht getarnte Fidesz-Parteibüros, bestätigten sich schon in mehreren Fällen, hier sei nur an die Aufforderung zur Gesinnungsschnüffelei gegenüber protestierenden Schülern erinnert.

Ihre ihnen zugedachte Wirkung dürften die Strukturen aber vor allem bei der Wählerregistrierung und im Wahlkampf 2014 erfüllen. Nicht zuletzt werden diese Büros auch zum Dreh- und Angelpunkt sämtlicher zentraler Geldvergaben, ob es sich nun um Zuschüsse für kommunale Projekte, Ausschreibungen aus EU-Fonds oder die Einstellung von Personal handelt. Nicht zuletzt wird auch die Zuteilung von Boden und anderen Gütern aus staatlichen Quellen über diese Büros gesteuert werden.

Unbotmäßige Bürgermeister und "falsch" wählende Bürger und Orte, können von den Regierungsbeauftragten nun entsprechend abgestraft werden. Eine demokratische Legitimation brauchte es zur Errichtung dieser Struktur übrigens nicht, ein Dekrekt, mit Bezug auf die "demokratische" Verfassung, hatte genügt.

red.

 

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