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(c) Pester Lloyd / 02 - 2013   WIRTSCHAFT 10.01.2013

 

K(r)ampf um die Rentner

Ungarn überlegt Rückeinführung der 13. Rente - Chaos bei Pensionierung mit 62

Die ungarische Regierung denkt über die Wiedereinführung der 13. Monatsrente nach, die von der Vorgängerregierung 2009 aus budgetären Gründen abgeschafft wurde, das meldet das Newsportal index.hu unter Berufung auf kabinettsnahe Quellen. Allerdings koppelt das Orbán-Kabinett diese Maßnahme offenbar sowohl an die Wiederwahl im Jahre 2014 als auch an die Einstellung des Defizitverfahrens durch die EU, womit man die Betroffenen gleich zweifach politisch vereinnahmt und einmal gegen die EU sowie einmal für die Regierungspartei in Stellung bringt.

Wie die Regierung die geschätzt 270 bis 300 Milliarden benötigten Forint (ca. 1 Mrd. EUR) aufbringen will, bleibt ihr Geheimnis, doch zunächst scheinen ersteinmal die Stimmen der Rentner wichtiger als der Haushalt. Das könnte wiederum die EU und das Defizitziel auf den Plan rufen und Fidesz könnte mit dem Verweis darauf die Sache nach den Wahlen doch noch abbiegen und die Schuld nach Brüssel schieben. Das wäre nicht das erste Mal, dass man so verfährt. Nun ist außerdem zu fürchten, dass ein regelrechter Bieterwettstreit um die Rentner einsetzt, denn auch die "Sozialisten" sind haushaltsfernen Ausgabenzusagen nicht abhold, wie die Vergangenheit zur Genüge und auch darüber hinaus gezeigt hat.

Existenzbedrohende Entscheidung

Für viele öffentlich Bedienstete, die seit diesem Jahr mit dem 62. Lebensjahr in die Rente geschickt werden sowie jene Rentner im öffentlichen Dienst, die bisher ihre meist kleine Rente durch die Fortführung ihrer Tätigkeiten aufbesserten, ist dies nur ein kleiner Trost, macht die 13. Rente doch bei weitem nicht die Einbußen durch die Einstellung ihrer bisherigen Tätigkeit wett. Bis April müssen sich alle im Rentenalter, die noch im öffentlichen Dienst arbeiten, für Gehalt oder Rente entscheiden (hier die Details dazu), für viele eine existenzbedrohende Entscheidung, da oft weder ein Gehalt, noch die Rente allein zum würdevollen leben gereicht. Allerdings wird die Liste der Ausnahmen dabei immer länger, weil man weder auf Ärzte, noch Lehrer oder Wissenschaftler verzichten kann bzw. will und der regionale und lokale Personalbedarf deutlich von den Vorstellungen in der Zentrale abweicht.

Mehr Ausnahmen als Regeln

Laut "Inforádió" trafen sich am Dienstag Krankenhaus- und Berufsverbände mit dem Staatssekretär für Gesundheit, um über eine Reihe von Ausnahmeregelungen bei der Pensionierung ab 62 zu verhandeln. Experten gehen besorgt davon aus, dass von der Gesetzesveränderung 7000 Ärzte, 5000 Krankenpfleger und mehrere hundert Hausärzte betroffen sind und fordern entsprechende Übergangsregelungen und eine Obergrenze von 70 Jahren. Zwischenzeitlich gibt es Signale aus der Regierung, Ausnahmeregelungen nach Bedarf großzügig zu gewähren, ohne dazu das Dekret neu zu gestalten und eine allgemeine Regelung daraus zu machen, was natürlich auch der Günstlingswirtschaft Tür und Tor öffnet. Alles ab Abteilungsleiter aufwärts, Beamte in Wahl- oder Ernennungsfunktionen sind sowieso von dem Dekret ausgenommen.

 

Chaos als roter Faden

Orbán soll angeboten haben, in den Ausnahme-Fällen, wo die Rente höher lag als das Gehalt, das Gehalt entsprechend anzuheben, was natürlich immer noch nicht den Ausfall aus beiden Einnahmen kompensiert. Außerdem soll diese “Komepnsation” anstelle der 13. Rente kommen, was die Rentner der Privatwirtschaft ausschließen würden. Alles nur eine Ente?

Zwar wurden die Renten an die allgemeine Inflation angepasst, doch gerade in den niedrigeren Lohngruppen schlägt vor allem die Teuerung bei Alltagsprodukten und Grundnahrungsmitteln zu, die im zweistelligen Bereich liegt und für die es keinerlei Kompensationen gibt. Auch die Zuzahlung zu Medikamenten hat sich stark erhöht, auch, weil die Apotheker günstige Medikamente aus Profitgier einfach nicht verkaufen, sondern den alten Leuten teurere Präparate andrehen. Eine Rente ohne Hinzuverdienst führt in vielen Fällen in die bzw. an den Rand der Armut, wie gesagt, vor allem in den unteren Lohngruppen.

Während jedoch noch längst nicht klar ist, wer nun bleiben darf oder soll und wer gehen muss, ist schon jetzt ersichtlich, dass ein Großteil der dann ehemals oder älteren öffentlich Bediensteten finanzielle Einbußen hinnehmen müssen und die eigentlich strukturell erforderliche Maßnahme der personellen Straffung im öffentlichen Dienst einmal mehr chaotisch, unüberlegt und letztlich auf dem Rücken der Betroffenen, umgesetzt wurde, Merkmale, die sich wie ein oranger Faden durch die Amtszeit der Regierung ziehen.

red. / zs.sch. / s.b.

 

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