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(c) Pester Lloyd / 02 - 2013   WIRTSCHAFT 11.01.2013

 

Die 1000-Milliarden-Forint-Grenze

Der Preis der Ideologie: noch nie zahlte Ungarn so viele Zinsen wie 2012

In dieser Woche veröffentlichte das Finanzressort des Nationalwirtschaftsministeriums Zahlen zur Zinsbelastung des ungarischen Haushaltes. Demnach musste das Land 2012 so viel Zinsen für seine Schulden bezahlen, wie noch nie zuvor. Es könnten monatlich 10 Milliarden weniger sein, wenn nicht die ideologische Sturheit der Regierung wäre. Eine verlässliche Politik, eine unabhängige Zentralbank und der IWF-Deal sind die Knackpunkte.

Insgesamt 1.202 Milliarden Forint (heute umgerechnet etwa 4,07 Mrd. EUR bzw. 4% des BIP). Das waren ca. 100 Mrd. Forint mehr als im Vorjahr musste der ungarische Steuerzahler allein für die Zinsen auf die Schulden des Staates berappen. Das sind nochmal rund 137 Mrd. mehr als im Budget eingeplant waren, was durch "Budgetreserven" augeglichen wurden. Ein Allzeit-Rekord. Dabei reduzierten sich die zu Anfang 2010 auf Rekordniveau befindlichen Währungsreserven der MNB (Nationalbank) um rund 4 Mrd. EUR auf noch ca. 32 Mrd.

Zwar meldet der staatliche Schuldendienst ÁKK seit Monaten bei seinen Anleihebegebungen überschäumende Nachfrage und sinkende Zinsaufschläge, allerdings zahlt Ungarn jetzt gerade den Preis für mehrere Verwerfungen: die hohen Anleihezinsen unmittelbar nach der Krise (während konnte man gar keine Anleihen ausgeben), aber auch für den Rausschmiss des IWF 2010 sowie die unstete Wirtschafts- und Finanzpolitik, einschließlich der geenterten Geldpolitik der Zentralbank seitens der Orbán-Regierung, die der Finanzmarkt mit Angst vor Zahlungsausfällen und entsprechendem Misstrauen beantwortete, die in Zinssätzen messbar werden.

Zumindest die Kosten für Letzteres hätten dem Land durch eine entgegenkommendere und professionelle Politik erspart werden können und der Regierung einen weit größeren Spielraum im aktuellen und in den kommenden Budgets gelassen. Man zahlt jetzt sozusagen den Preis für den ideologischen Starrsinn Orbáns. Der mag mit seinem Befreiungskrieg gegen die Schuldenlogik zu Hause punkten und auch theoretisch recht haben, so lange er aber noch Schulden hat und immer neue macht, muss er sie zahlen, zum Preis, den der Markt verlangt und auf den die Politik nur bedingt Einfluss nehmen kann. Das ist nicht schön, es ist nicht zukunftsweisend, es ist gesellschaftszerstölrend, - aber es ist die Realität dieser Welt, in der auch Ungarn lebt.

Experten des Wirtschaftsportals portfolio.hu rechneten aus, dass Ungarn monatlich rund 10 Milliarden Forint Zinszahlungen einsparen könnte, läge ein neuer IWF-Deal vor. Dabei müsste man das billige IWF-Geld (2%) noch nicht einmal abrufen, um diesen Effekt zu erzielen, der in nichts weiter bestünde als gewachsenem Vertrauen in die Zahlungsfähig- und -willigkeit des Landes und seiner Regierung.

Doch die zieht einen IWF-Deal aus wahltaktischem Kalkül und Eigensinn ihres so starrsinnigen wie eitlen Premiers in die Länge, will ihn eigentlich gar nicht, um es dem "internationalen Finanzmarkt" und der EU einmal so richtig zu zeigen. Mehr dazu in: Der IWF als verhasster Geldgeber und geliebtes Feindbild.

Die Entwicklung der Zinsraten auf 10jährige ungarische Staatsanleihen von 2003 bis 2013. Darin ist deutlich der massive Anstieg zur Lehman-Krise erkennbar, aber auch, dass die Orbán-Regierung Krisen ohne globale Verwerfungen ganz alleine hinbekommt. 2012 verlief für den Schuldendienst recht günstig, die Zinsen sanken auf ein 7-Jahres-Tief, könnten aber bei entsp. Politik längst so niedrig sein, dass sie gesamtwirtschaftlich bezahlbar wären. Könnte...

Viele fürchten aber, das dieser politische Aktionismus das Land sehr teuer, noch teurerer zu stehen kommt und: dass mit einem Wechsel an der Zentralbankspitze im März und dem dann erwarteten "unorthodoxen Einsatz" der Devisenreserven, das Vertrauen der Märkte weiter sinkt, mit ihm der Forint- und die Zinsen wieder ansteigen. Derzeit liegen sie, je nach Höhe und Laufzeit im Bereich zwischen 5,2 bis um die 7% und liegen in wichtigen Segmenten sogar auf einem 7-Jahres-Tief. Doch die Lage ist sehr fragil, auch wenn diese Zahlen natürlich deutlich besser sind als als die noch vor 2 Jahren gängigen 8-9%, Ende 2011 musste man sogar Spitzensätze von über 10% hinnehmen, nahe schon an den Krisenrekorden von 12 und mehr Prozent, was die steigenden Zinszahlungen heute erklärt.

 

Und auch die sonstigen wirtschaftlichen Aussichten sind nicht gerade rosig. Die Analysten eines der größten Finanzdienstleister, HSBC, mit Sitz in London, hat "sich verschlechternde Wachstumsaussichten" für den gesamten CEE-Raum (also auch Polen, Slowakei, Tschechien), sieht aber Ungarn, aufgrund der mickrigen Binnenperformance, vor allem aber wegen der "wachsenden politischen Risiken durch die sich nähernden Wahlen 2014" für dieses Jahr wieder als Schlusslicht der Region. Dabei bewertet man die Haushaltskonsolidierung, die Schuldenreduzierung" durchaus als positiv, sieht diese "positiven Faktoren" aber vom politischen Umfeld und dem wirtschaftlichen Stillstand (beim Wachstum geht man von +0,5% für 2013 aus, bei -1,5% 2012 als Basis bleibt Ungarn so weit unter dem EU- oder dem Regional-Schnitt) überdeckt. Auch den IWF-Deal sieht man als immer unwahrscheinlicher an.

Derzeit hilft Ungarn vor allem die "globale Liquidität" und der trotz eines kleinen Absturzes vor dem Jahreswechsel, mit um die 290 / EUR, immer noch relativ hoch bewerte Forint (das Budget 2013 fußt allerdings auf einem Schnitt von 283). Doch jeder kleine Konjunkturwind oder eine Finanzmarktflatulenz würde die Berechnungen der Regierung umhauen. Diese planen schon jetzt einen neuen Rekord bei der Zinslast von 1.240 Milliarden Forint für 2013 ein, Volkswirtschaftler benennen 1000 Mrd. Forint als die volkswirtschaftlich gerade noch tolerierbare Grenze. Hätte man den IWF-Deal, wäre diese erreichbar - zumal man bis 2014 den erste IWF-Kredit zurückgezahlt haben wird, der kostete nur 2% per anno, warum will die Regierung dieses Geld mit teurerem Kredit ersetzen?

cs.sz.

 

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