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(c) Pester Lloyd / 03 - 2013   POLITIK 17.01.2013

 

Auf der Flucht...

Road-Show: Kanada will Einwanderungswelle von Roma aus Ungarn stoppen

Seit Jahren stellt die Asylbewegung von Roma aus Ungarn nach Kanada, vor allem für letzteres, ein Problem dar. Nun will die kanadische Einwanderungsbehörde eine Road-Show im Hauptherkunftsgebiet der Flüchtlinge, in Miskolc, abhalten, um über neue, restriktivere Bestimmungen beim kanadischen Einwanderungsrecht zu informieren. Der Fidesz-Bürgermeister von Miskolc findet die Aktion “irritierend”, die Roma könnten ruhig gehen...

Die neuen Regelungen sollen ein "schnelleres und dadurch gerechteres" Asylverfahren gewährleisten, meldet die kanadische Botschaft in einem Brief nach Miskolc. Asylanträge sollen nun binnen Wochen, Zielgröße 30-45 Tage (bisher sind 3 Jahre gängig), rechtskräftig bearbeitet werden, Bewerber ohne amtlich anerkannten Asylgrund werden danach "schneller nach Hause geschickt", während des Verfahrens gilt ein Arbeitsverbot. In einem Brief an den Miskolcer Bürgermeister stellte die kanadische Botschaft fest, dass unrechtmäßige Asylverfahren aus Ungarn das Land allein 2011 rund 170 Mio. EUR gekostet hätten.

Ungarische Roma in einem Erstaufnahmelager im kanadischen Toronto

Die Auswanderung von Romafamilien nach Kanada ist kein neues Phänomen und gestaltete sich seit der Wende immer wellenartig. In den letzten Jahren, da wegen der Wirtschaftskrise und der populistischen Atmosphäre im Lande die Friktionen der Minderheit mit der Mehrheitsgesllschaft zunahmen, damit auch die Ausgrenzung und Diskriminierung ohne Aussicht auf wirtschaftliche Perspektiven und eine Verbesserung der sozialen Lage, nahm sie Ausmaße an, die sich zu einer echten Belastung in den bilateralen Beziehungen beider Länder auswuchsen.

Allein im Dezember 2009, als kurz nach dem Höhepunkt der Mordserie an ungarischen Roma, gingen rund 500 Roma nach Kanada, 2010 wurden monatlich rund 200 Asylanträge gemessen, insgesamt suchten offiziell 2.300 ungarische Staatsbürger in Kanada um Asyl an. 2011 waren es dann bereits mehr als 4.400. Kanada merkte daraufhin an, dass das Land nicht die "sozialen Probleme Ungarn lösen könne". Ungarns Außenminister Martonyi sah indes keinerlei Grund für Roma, das Land zu verlassen, denn "niemand" sei „in Ungarn irgendeiner Form von Verfolgung“ ausgesetzt, da die „Regierung entschlossen gegen jegliche extremen Erscheinungsformen, die Hass schüren, vorgeht.“

Während Kanada Ungarn nun auf die Liste sicherer Länder setzte, was einen gewissen Automatismus bei der Bearbeitung von Asylanträgen nach sich zieht, urteilten u.a. deutsche Gerichte hinsichtlich Asylbewerbern aus Drittstaaten (z.B. Syrien) ganz anders über den europäischen Partner und untersagten, aufgrund der menschenunwürdigen Zustände in den ungarischen Asylantenlagern eine Rückabschiebung nach den Dublin-Verträgen für einige aus Ungarn kommende Asylbewerber. Ungarn sei, wie auch Griechenland nicht immer automatisch als "sicheres Drittland" anzusehen, so die Richter. Hier mehr dazu: Zwischenlager Ungarn; Weggesperrt: Über die Situation von Asylbewerbern in und aus Ungarn Für die Lebensumstände ungarischer Bürger fand eine solche Prüfung jedoch noch nicht statt, da man per se davon ausgeht, dass Bürger in EU-Ländern diskriminierungsfrei leben können. Ein Trugschluss, der korrigiert gehört.

 

Natürlich sind vor allem die finanziellen Anreize ausschlaggebend für die asylsuchenden ungarischen Roma in Kanada, stellt die fehlende Teilhabe am Wirtschaftssystem des Landes ja, neben dem Bildungsproblem, den Hauptgrund ihrer asozialisierten Lage dar. Nach Außenminister Martonyi würden die Antragsteller „versuchen, die Schlupflöcher im kanadischen Asylsystem auszunutzen und dadurch die Situation in Ungarn in einem anderen Licht erscheinen lassen.“ Kanada drohte bereits mit weiter verschärften Visa-Bestimmungen, für die meisten osteuropäischen Länder gilt ohnehin (wieder) eine Visumpflicht bei der Einreise, die man 2008 zunächst abschaffte, aber nicht aufrecht erhalten konnte.

Interessant ist die Reaktion des Miskolcer Bürgermeisters, Fidesz, Ákos Kriza, auf die jetzige Initiative der Kanadier. Er findet die Idee einer aufklärenden Road-Show gar nicht so toll, sie würde "unsere Einwohner nur verunsichern", denn seiner Einschätzung nach "wird Kanada Asylsuchende nicht zurückschicken", was nichts weiter heißen soll, als dass der Bürgermeister die Abwanderung von Roma aus seiner Stadt begrüßt. Auch eine Art der Problemlösung.

red.

 

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