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(c) Pester Lloyd / 04 - 2013   BALKAN 21.01.2013

 

Festgefahren

Konflikte zwischen Serbien und Kosovo dauern an

Neben dem Status der Republika Srpska in Bosnien, ist die Problematik um das ebenfalls überwiegend von ethnischen Serben bewohnte Nordkosovo der entscheidene Schlüssel für die langfristige Beilegung von Nationalitäten- und Territorialkonflikten in der Region. Ohne eine Einigung keine EU-Mitgliedschaft und kein Frieden. Ein Überblick über aktuelle Entwicklungen zeigt, dass sowohl die Machthaber in Serbien wie im Kosovo nach innen und außen taktieren und EU und UNO schwer um Kompromisse ringen.

“Kosovo ist Serbien” - der gängige Slogan zum Thema in Serbien.

Hintergründe zum Thema in:

Der betreute Staat - Das "unabhängige" Kosovo bleibt Faustpfand für Serbien http://www.pesterlloyd.net/html/1238kosovounabh.html

Mission gescheitert - EULEX verlässt 2014 das Kosovo - zu früh und zu spät
http://www.pesterlloyd.net/html/1232abzug_eulexkosovo.html

Die Rückkehr der "Genossen" - Neue Regierung von Serbien setzt erste Duftmarken
http://www.pesterlloyd.net/html/1229serbien.html

Autonomie gegen UN-Sitz?

In der Frage nach dem vorwiegend serbisch bevölkerten Norden des Kosovo gab es auch bei der vierten EU-Vermittlungsrund am vergangenen Donnerstag keine Fortschritte. Serbien fordert weiterhin eine umfangreiche Autonomie für die Region, da eine von serbischer Seite für eigentlich ideal gehaltene Abtrennung für die internationale Staatengemeinschaft keine Lösung ist. Diese Idee wird vom Kosovo strikt abgelehnt, vielmehr sei die Integration der im Norden lebenden Serben von Bedeutung, wie der kosovarische Premierminister Hashim Thaçi klarstellte.

In Belgrad wird darüber spekuliert, ob diese festgefahrene Situation vielleicht mit einem Handel gelöst werden könnte. Demzufolge wäre es theoretisch denkbar, dass der serbische Premier Dacic seinem kosovarischen Pendant Thaçi einen Platz bei der UN anbieten könnte. Im Gegenzug müsste Priština der Forderung nach Autonomie für den Nordkosovo nachgeben. Serbiens Premier Dacic hatte unter der Woche erklärt, Serbien werde niemals seine Zustimmung für einen UN-Beitritt des Kosovo geben, sofern dies nicht im Einklang mit einer allumfassenden Lösung im Sinne von nationalen und staatlichen Interessen einhergehe.

Vorläufige Einigung im Zollstreit in Nordkosovo

Immerhin im Streit um Steuer- und Zollabgaben der Serben im Nordkosovo konnten am Donnerstag in Brüssel kleinere Fortschritte erzielt werden. Unter der Vermittlung der Hohen Vertreterin für Außenpolitik Catherine Ashton einigten sich die Premierminister Serbiens und des Kosovo, Ivica Dacic  und Hashim Thaçi, zur Gründung eines Fonds, in den die Abgaben der im Nordkosovo lebenden Serben fließen sollen. Die Gelder des von Brüssel, Belgrad und Priština kontrollierten Fonds sollen für die Entwicklung von vier serbischen Gemeinden im Nordkosovo verwendet werden.

Dabei handelt es sich nach Aussage Dacics allerdings nur um eine vorläufige Lösung. So müssten noch einige technische Details ausgearbeitet werden. Die Vereinbarung stimme aber mit den Interessen der Serben im Nordkosovo überein. Diese hatten sich geweigert Steuer- und Zollabgaben an den ihrer Ansicht nach unrechtmäßig existierenden Staat Kosovo zu zahlen und wollten diese lieber an den serbischen Staat entrichten.

Zerstörung von serbischen Grabsteinen im Kosovo – Täter gefasst

Hinsichtlich symbolischer und nationalistisch verwertbarer Ereignisse schenken sich beide Seiten weiterhin nichts: Auf dem Zentralfriedhof der Nahe Priština gelegenen Stadt Kosovo Polje wurden vor einigen Tagen Dutzende serbische Grabsteine zerstört. Am Dienstagnachmittag wurde ein 48-jähriger Mann in Haft genommen, der der Tat verdächtigt wird. Eine ethnisch, religiös oder nationalistisch motivierte Tat des Mannes, der der ethnischen Minderheit der Aschkali angehört, schließt die Polizei aus. Vielmehr habe dieser auf Grund von persönlichem Profitstreben einige der Grabsteine auch gestohlen. Die UNMIK („Interimsverwaltungsmission der Vereinten Nationen im Kosovo“) hatte Grabsteinzerstörung in jeder Gemeinschaft als verachtenswert bezeichnet.

Streit um Albaner-Denkmal in Serbien

 

Im südlichen Preševo sorgt ein Denkmal für Streit zwischen der serbischen Regierung und der ausschließlich von Albanern bewohnten Gemeinde. Das Mitte November 2012 errichtete Denkmal gilt 27 Menschen der Gruppierung UÇPMB („Befreiungsarmee für Preševo, Medveda und Bujanovac“), welche bei einem bewaffneten Aufstand ums Leben kamen. Grund des achtmonatigen Aufstandes war 2000/2001 der Versuch die überwiegend albanisch bevölkerten Städte Preševo, Medveda und Bujanovac dem Kosovo anzuschließen. Der serbische Premierminister Ivica Dacic bezeichnete das Denkmal als eine „Provokation für alle Serben, kein Staat würde so etwas dulden.“

Die Behörden in Preševo wurden aufgefordert das Denkmal bis zum 17. Januar zu entfernen, was diese strikt ablehnen. Gemäß Dacic wollte man keine Zuspitzung der Situation, aber falls Preševo das Denkmal nicht selber entferne, würde sich der Staat Serbien dies eben tun. Bis jetzt hat sich noch nichts getan.

Ch.S.

 

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