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(c) Pester Lloyd / 04 - 2013   POLITIK 23.01.2013

 

Termine in Brüssel

Ungarischer Premier als Lehrmeister und Bettler bei der EU

Der ungarische Premier, Viktor Orbán, will auf mehreren Reisen in das von ihm so deklarierte neue Moskau”, also nach Brüssel, endlich das Defizitverfahren beenden und vor allem auch das neue EU-Budget für Ungarn günstiger beeinflussen. Dass ausgerechnet der Rechenkünstler von der Donau bei einem Vortrag eine "Lektion zur Stärkung der Eurozone" erteilen will, mutet ein wenig absurd an, zumal die EBRD mit ihrer jüngsten Prognose den Wachstumshoffnungen Ungarns für 2013 ein Ende bereitete.

Am kommenden Mittwoch, 30.Januar, wird Premier Viktor Orbán den Präsidenten der Europäischen Kommission, Jose Manuel Barrsoso, in Brüssel treffen. Das Hauptaugenmerk wird hierbei auf das immer noch anhängige Defizitverfahren (EDV) gerichtet. Außerdem wird der ungarische Regierungschef an einer öffentlichen Diskussion am Breughel Institut zum Thema" Stärkung der Eurozone" teilnehmen und selbst Vorschläge dazu unterbreiten.

Der Zeitpunkt seiner Reise ist insofern interessant, da kaum eine Woche später sich die Premierminister und Präsidenten der EU-Mitgliedstaaten versammeln werden, um bei einem zweiten Versuch einen Konsens bezüglich der nächsten 7-Jahre-Budgetplanung zu finden, bei der Ungarn, wie einigen anderen 2004 zur Gemeinschaft hinzugekommenen Ländern empfindliche Kürzungen in den Strukturfonds drohen, da sie nun als nicht mehr so bedürftig angesehen werden. Ungarn hat massivem Widerstand dagegen angekündigt und daher auch das Scheitern der ersten Runde begrüßt. Um aber wirklich mitreden zu können, muss zunächst das EDV vom Tisch, wozu wiederum einmal eine klare Stellungnahme nützlich wäre, wan die Herren aus Budapest den Eiertanz mit dem IWF, wie auch immer, zu beenden gedenken.

Im März wird die EU-Exekutive im Rahmen des jährlichen sog. "Europäischen Semesters", einem Prozess der wirtschafspolitischen Koordinierung, welcher sicherstellen soll, dass die nationalen Haushalte im Einklang mit den EU Prioritäten stehen, die Richtlinien für jeden Mitgliedstaat bekanntgeben. Hier wird ersichtlich werden, was die EU von Ungarn hinsichtlich des Budgets 2014 erwartet. Bis zum 14. April wird Ungarn seinen aktualisiertes Konvergenzprogramm einreichen müssen, in welches das Kabinett bereits die neusten Empfehlungen der Kommission einbinden kann. Allerdings dürfte sich bis dahin schon wieder neuer Reparaturbedarf am Budget 2013 ergeben.

 

Nicht gar so gut macht sich dabei die aktuellste Prognose der mit der EU zumindest assoziierten Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), der ersten größeren Institution, die für die ungarische Wirtschaft 2013 ein weiteres Schrumpfen voraussieht, um etwa 0,1 Prozent. Diese Aussage der EBRD stellt eine recht starke Korrektur gegenüber der im Oktober veröffentlichten Wachstumsprognose von 0,4% dar. Die ungarische Regierung erwartet dieses Jahr hingegen ein Wachstum von mindestens 0.9 % und hat auch ihr Budget darauf aufgebaut. Die Wirtschaftsleistung (BIP) sank 2012 kontinuierlich in den ersten drei Quartalen um 1,3 Prozent, wie die Erhebungen des Statistischen Zentralamtes (KSH) offenbaren, die Industrieproduktion ging sogar um fast 7% zurück. Die Regierung hält noch immer am Wachstum fest, Orbán meinte erst vor wenigen Tagen, dass 2013 "das Jahr der Ernte" werde...

Anhand der im April für gültig gehaltenen Zahlen und Stellungnahmen wird der EC dem Rat für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin) im Mai oder Juni  bezüglich des Defizitsverfahrens eine Empfehlung vorlegen, da der Rat mehrheitlich von EVP-Regierungen besetzt ist, dürfte, wenn keine gröberen Verwerfungen auftauchen, das EDV dann gekippt werden. Einen Automatismus gibt es aber trotz des politischen Willens nicht, wie Kommissar Andor kürzlich darlegte.

Zsófia Schmidt

 

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