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(c) Pester Lloyd / 06 - 2013   POLITIK 06.02.2013

 

Lobbyarbeit oder Wahlkampf?

Ex-Premier Bajnai setzt sich in Brüssel für Ungarn ein - die Regierung tobt

Eine Reise von Ex-Premier Gordon Bajnai, Kopf der oppositionellen Wahlallianz "Gemeinsam 2014" nach Brüssel, hat für einen entsetzten Aufschrei der Regierungspartei gesorgt. Bajnai traf sich am Montag u.a. mit dem EU-Kommissar für die Regionalpolitik (und damit auch für die bedeutenden Strukturfonds zuständig), dem Österreicher Johannes Hahn und weiteren EU-Offiziellen. Die Antwort der Regierung: alles nur eine Schmutzkampagne...

2009 war er noch in offizieller Mission in Brüssel, um einen Notkredit zur Rettung des Landes auszuhandeln. 2013 ist er zwar ohne Mandat da, aber es geht wieder um die Rettung des Landes, diesmal auch die politische.

Er sei nach Brüssel gefahren, um "sich für Ungarn einzusetzen", denn die "unbesonnen Maßnahmen der Regierung in den letzten drei Jahren haben den Interessen des Landes schwer geschadet." Er setzte sich demnach dafür ein, dass Ungarn in der kommenden Budgetperiode 2014-2020 keine Kürzungen bei den Strukturfonds hinzunehmen habe, wobei rund 2.000 Milliarden Forint bzw. 7 Mrd. EUR, also rund 25% des alten Budgets zur Disposition stehen. "Jeder, der sich für dieses Land verantwortlich fühlt", müsse dafür kämpfen, dass Ungarn diese Kürzungen erspart blieben. Denn sie bedeuteten weniger Geld für die Infrastruktur, für Bildung, Umweltprojekte und Wirtschaftsförderung für Unternehmen.

Ungarn wurde von der Regierung in eine "Verliererposition" manövriert, kritisierte der Ex-Premier und die "unseriöse Art der Wachstumsberechnung" führte dazu, dass die ursprünglichen Projektionen für das Bruttoinlandsprdoukt 2015 ungefähr 18% unter dem tatsächlichen Niveau liegen werden. Dazu habe die Regierung viele "sinnlose Schlachten" mit Brüssel geschlagen, bei denen man "so viel Blut verloren" habe, dass man nun nur noch "schwach bei der Wahrnehmung unserer nationalen Interessen" agieren könne.

Er habe die Gesprächspartner gebeten "langfristig zu denken und Ungarn nicht für die momentan destruktive Regierung zu bestrafen." Allerdings lautet die Begründung seitens der EU-Kommission für den Vorschlag die Strukturfonds der meisten 2004 der EU beigetretenen osteuropäischen Länder zu reduzieren - es trifft also längst nicht nur Ungarn - dass sie nicht mehr so entwicklungsbedürftig sind wie z.B. Rumänien oder Bulgarien bzw. einige Beitrittskandidaten und man die Gelder eher dahin zu lenken gedenkt.

 

Auch wenn der Emfpang von nationalen Oppositionspolitikern in Brüssel keinen ungewöhnlichen Vorgang darstellt und auch die heutige Regierungspartei, als sie selbst noch in der Opposition war, nicht wenig bei EU-Offiziellen vorsprach, gab sich Fidesz entsetzt. Der Abgeordnete Mihály Balla sagte, dass "Herr Bajnai keinerlei Recht hätte, in Brüssel für Ungarn zu sprechen." Sein Auftritt würde die "Interessen der Heimat gefährden", stellt er doch sein Interesse, nämlich gewählt zu werden, "vor alles andere". Die Fidesz-EU-Abgeordneten bezichtigten Bajnai in einer schriftlichen Stellungnahme, dass er seinen Besuch nur genutzt habe, "um die Orbán-Regierung herunterzumachen". Weiter heißt es in der Aussendung: "Bajnai ist ein gescheiterter Politiker und ein gescheiterter Ökonom. Er täte besser daran, in sich zu gehen, statt wirtschaftliche Ratschläge zu erteilen und eine Schmutzkampagne gegen Premier Orbán" zu führen.

Schmutz- und Hetzkampagne, das sind die Worte, die uns in den 14 Monaten bis zu den voraussichtlichen Wahlen am häufigsten als Wertung der politischen Gegner übereinander begegnen werden.

Alles Wissenswerte über Ungarn und die EU-Gelder
http://www.pesterlloyd.net/html/1305eumilliardenlazar.html

sowie die Budgetverhandlungen
http://www.pesterlloyd.net/html/1248budgetverhandlungen.html

red.

 

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