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(c) Pester Lloyd / 07 - 2013   WIRTSCHAFT 11.02.2013

 

Prüfungungsvorbereitung

Vor EU-Bericht: weitreichender Korrekturbedarf am ungarischen Staatshaushalt 2013

Die Regierung muss das bereits im Vorjahr x-fach korrigierte Budget 2013 schon wieder anpassen, zu wackelig ist dessen Fundament geworden zu unvermeidlich mancher Steuerausfall. Vor allem aber muss die Regierung in Budapest die "Prüfung" am 22. Februar bestehen, dann nämlich erscheint die aktualisierte Prognose der EU-Kommission hinsichtlich des Exzessiven Defizitverfahrens (EDP). Die offenen Fragen erreichen rund 1,5% des BIP. Immerhin: der Januar startete in Summe ausgeglichen.

Die Drohungen des Defizitverfahrens schweben ja noch immer über Ungarn, auch wenn die Regierung der Meinung ist, dabei das schlimmste überstanden und längst den Nachweis einer langfristig und strukturellen Gesundung der Staatsfinanzen geliefert zu haben. Die EU, der IWF, die EBRD und auch "die Märkte" haben daran noch erhebliche Zweifel, die durch Anmerkungen Orbáns umrahmt werden, Ungarn verdiene die Einstellung des Verfahrens schon aus "moralischen Gründen".

Um die 3%-Defizitgrenze 2013 einzuhalten ist nicht nur aufgrund divergierender Prognosen bei Forint (Regierung: 283, Progonose: 300 +/-10, BIP-Wachstum (Regierung: +1,5, Experten: -0,5-0,5%) und Investitionsvorhersagen eine Anpassung notwendig, sondern auch, weil das Budget einige andere Fallen bereit hält. 2011 gelangte man nur durch die Beschlagnahme der privaten Rentebeiträge in Höhe von 10% des BIP unter die 3%-Marke, was die Kommission nur als Einmaleffekt anerkennt und das Ergebnis  inoffiziell mit -6,5% bezifferte, während Minister Matolcsy noch heute von einem "gigantischen Überschuss" spricht. 2012 schaffte man es nur Dank massivster Steuererhöhungen für Verbraucher und Sondersteuern auf Kosten von Wachstum, Investitionen und Konsum, was, da sind sich volkswirtschaftler einig, mit einen Grund dafür darstellt, dass die eigentlich freundlichen Prognosen für ein Wachstum 2013 sich gegen 0 reduziert haben.

Premier Orbán verkündete noch in der Vorwoche in Brüssel, dass sein Haushalt so solide sei, dass keinerlei Anpassungen nötig sind. Doch die Haushaltsexperten der EU wie im eigenen Land sehen das anders.

- allein die Verschiebung der Einführung des elektronischen Maut-Systems (Einführung war am 1. Juli geplant, Ungarn will es, nach geplatzter Ausschreibung nun selbst einrichten, wahrscheinlich wird es aber eine furchbtar chaotische Improvisation mit Vignetten und "Hand"-Kontrollen geben) wird dem Haushalt einen Verlust von rund 100 Milliarden Forint (340 Mio. EUR) bringen
- die verspätete Einführung der zwingenden Verknüpfung von Registrierkassen mit dem Finanzamt bedeutet ebenfalls einen Ausfall von knapp 100 Mrd. HUF
- Steuer- bzw. Einnahmeausfälle durch dei erzwungenen Preiskürzungen bei Strom, Gas und Fernheizung, ca. 30 Mrd. HUF
- erneute Zusagen von zuvor gestrichenen Mitteln für die Hochschulbildung von rund 25 Mrd. HUF

Weitere Risiken, die die Regierung offiziell noch nicht eingesteht, die aber die Realität vorgeben wird, sind:
- ein um rund 1 Prozentpunkt geringeres BIP-Wachstum, was mit rund 100 Mrd. Forint Budgetverlusten einherginge, - überhöhte Steuerschätzungen für die Finanztransaktionssteuer, die geplante Steuer auf Online-Glücksspiel, was rund 40-50 Mrd. Forint Mindereinnahmen bedeuten könnte. Die Kosten für die vom Staat übernommenen Schulen werden rund 50 Mrd. HUF über dem Plansoll liegen, das EU-Verfahren gegen die Telefonsteuer könnte bis zu 180 Mrd. Forint an Rückzahlungen bedeuten, rund 150 Mrd. Forint kostet das Land die Sturheit gegenüber dem IWF, also die Differenz zwischen den dortigen 2% und den Zinsen am freien Anleihemarkt für einen angenommenen Kredit von 10 Mrd. EUR

In Summe kommen Haushaltsexperten so auf wahrscheinliche Ausfälle zwischen 900 und 1.000 Milliarden Forint (dabei sind z.B. fix zugesagte Erhöhungen der Lehrergehälter oder weitere angekündigte Preissenkungen bei den Kommunalgebühren noch gar nicht mitgerechnet), wenn sich die Rahmenbedingungen nicht noch weiter verschlechtern. Dem gegenüber stehen Budgetreserven von insgesamt knapp 600 Milliarden Forint, was eine Lücke von rund 1,1-1,5% dees BIP offen lässt, die man, wenn man sie nicht "nachhaltig und strukturell" stopfen kann, der EU erstmal erklären müsste.

Januar startete bescheiden, aber ausgeglichen

 

Mit einem nominellen Minus von nur 2,5 Mrd. Forint, also rund 8 Mio. EUR, präsentierte die ungarische Regierung für den Januar einen fast ausgeglichenen öffentlichen Haushalt. Dabei fuhr der Staatshaushalt jedoch ein massives Minus von rund 90,2 Mrd. Forint (300 Mio. EUR) ein, das vor allem wegen einer trickreichen Verschiebung bei der Mehrwertsteuerrefundierung zu Stande kam und dem Ziel diente, die Zahlen für 2012 auf Kosten des Januars 2013 zu schönen, um das so wichtige Defizitziel gegenüber Brüssel zu erreichen. So wurde die Deadline für die Áfa-Rückerstattung einfach um 30 Tage verlängert, die Kosten dafür sozusagen in dieses Jahr teleportiert. Dass das manche Firma ausgerechnet zu Weihnachten an den Rand der Zahlungsunfähigkeit brachte, ist nicht so wichtig, denn es diente ja einem höheren Ziel.

Dank großer Überschüsse bei der Sozialversicherung (knapp 60 Mrd. HUF), die vor allem der Beitragspflicht von Sozialhilfeempfängern in den kommunalen Zwangsbeschäftigungsprogrammen sowie einer konservativen Projektion entspringen und einem Zuwachs von "außerbudgetären" Fonds um 37,3 Mrd. HUF, konnte man in Summe die Verluste aus dem Zentralhaushalt ausgleichen. Im Januar 2012 betrug der Budget-Überschuss noch 107 Mrd. HUF. Für das Gesamtjahr ist ein Defizit von 841,8 Mrd. Forint (ca. 2,9 Mrd. EUR, bzw. 2,7% des BIP) vorgesehen.

 

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