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(c) Pester Lloyd / 08 - 2013   KULTUR 20.02.2013

 

Der Osten im Westen

Weltkino, Subversion, Emanzipation: Höhepunkte des Osteuropa-Filmfestivals goEast 2013

Das Filmfestival goEast wimmelt in diesem Jahr von "Enfants Terribles, Freiheitskämpfen und Leinwand-Utopien" aus Osteuropa. Es findet in Wiesbaden vom 10. bis 16. April zum 13. Male statt, das naheliegende Motto:  „Jetzt schlägt‘s 13!“. Erste Höhepunkte wurden nun im Umfeld der Berlinale vorgestellt: eine Retrospektive über den jugoslawischen Film, eine Hommage an den großen ungarischen Regisseur Miklós Jancsó, ein Gender-Check in Osteuropa und natürlich der Wettbewerb.

Unter dem Titel „Bright Black Frames – Der Neue Jugoslawische Film zwischen Subversion und Kritik“ stellt das goEast Symposium 2013 die aus ihrer Sicht spannendste Dekade der jugoslawischen Filmgeschichte in den Fokus. Anfang der 60er bis Anfang der 70er Jahre entstanden die Werke des sogenannten Neuen Jugoslawischen Films, der von Parteifunktionären und linientreuer Intelligenzija abwertend als „Schwarze Welle“ gebrandmarkt wurde. Diese Bezeichnung umfasste all jene Filme, die soziale Missstände offen legten oder Randgruppen ins Blickfeld rückten; all jene Werke, welche Kritik an den Autoritäten und der offiziellen Ideologie übten. Neben Filmen von Dušan Makavejev, Živojin Pavlović, Aleksandra Petrović und Želimir Žilnik, die als Klassiker des jugoslawischen Films gelten, präsentiert Bright Black Frames auch Filme unbekannterer, jedoch nicht weniger relevanter Regisseure wie Jože Babič, Bahrudin ‚Bato‘ Čengić, Karpo Godina oder Krsto Papić.

Die goEast Hommage 2013 widmet sich der (Wieder-)Entdeckung eines Meisters des Weltkinos:
Miklós Jancsó. Die ausgewählten Filme dokumentieren seinen inzwischen 60 Jahre währenden Schaffensprozess. Der ungarische Regisseur erlangte in den 1960er Jahren mit Werken wie DIE MÄNNER IN DER TODESSCHANZE (SZEGÉNYLEGÉNYEK, 1966) oder STERNE AN DER MÜTZE (CSILLAGOSOK, KATONÁK, 1967) internationale Berühmtheit. Dem klassischen Geschichtenerzählen eher abgeneigt avancierte Miklós Jancsó, der eine Identifikation mit seinen Figuren nicht anstrebte, zum bedeutendsten Vertreter der Neuen Welle im ungarischen Kino. 1972 wurde er für ROTER PSALM (MÉG KÉR A NÉP) als Bester Regisseur bei den Filmfestspielen in Cannes ausgezeichnet. Auch in den späteren Filmen wie GOTT GEHT RÜCKWÄRTS (ISTEN HÁTRAFELÉ MEGY, 1990) blieb er seinem einzigartigen filmischen Stil treu: Jancsó inszeniert in seinen Werken aufwändige WidescreenKompositionen, kühne Plansequenzen, raumgreifende Kamerafahrten und spektakuläre Massenchoreografien in der Weite der ungarischen Puszta. Er verbildlicht Erfahrungen von Gewalt, Unterdrückung und Opposition mittels Symbolen und Allegorien, hebt die Grenzen zwischen historischen Ereignissen und politischer Gegenwart auf und schafft so einen utopischen Filmraum.

 

Die Festivalsektion Beyond Belonging versammelt unter einem jährlich wechselnden Themenschwerpunkt auch Filme, die nicht in Mittel- und Osteuropa produziert wurden, sofern der Bezug zur Region sichtbar bleibt. Die dritte Ausgabe nimmt mit einem Gender Check! ein hochbrisantes gesellschaftliches Spannungsfeld der mittel- und osteuropäischen Länder in den Blick: Zunehmende Emanzipationsbewegungen von Frauen und sexuellen Minderheiten stehen in vielen Gesellschaften einem Erstarken patriarchaler Werte und der Religion gegenüber. Das Programm der Sektion setzt sich mit den Geschlechterverhältnissen auseinander, beleuchtet in seiner Mischung aus historischen und neueren Werken sich verändernde Rollenbilder, Beziehungsmodelle und den gewandelten Blick auf die Sexualität – mit der These, dass sich gesellschaftliche Ambivalenzen, Fortschritte aber auch Rückschritte besonders deutlich an diesen Themenfeldern zeigen.

Zehn Spiel- und sechs Dokumentarfilme konkurrieren im goEast Wettbewerb um das auf insgesamt 31.500 Euro gestiegene Preisgeld. Eine internationale Jury vergibt vier Preise: den ŠKODA-Filmpreis, den Dokumentarfilmpreis „Erinnerung und Zukunft“ der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ), den Preis der Landeshauptstadt Wiesbaden für die Beste Regie sowie den Preis des Auswärtigen Amtes „für künstlerische Originalität, die kulturelle Vielfalt schafft“. Die FIPRESCI-Jury verleiht den Preis der Internationalen Filmkritik.

Weitere Informationen, Tickets:  www.filmfestival-goEast.de

Quelle: goEast, redaktionell gekürzt und bearbeitet

 

 

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