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(c) Pester Lloyd / 09 - 2013   BOULEVARD 02.03.2013

 

Sancto subito oder die "unaussprechliche Wahrheit"

Zsolt Bayer, Retter Ungarns und der "weißen Rasse", zum 50. Geburtstag

Bayer singt sich in seiner aktuellen Kolumne selbst ein Geburtstagsständchen und warnt, prophetisch, vom baldigen Untergang der "weißen, christlichen Rasse", die sich selbst auslöscht, durchsetzt von moralfreien Elementen verschiedentlichster Herkunft. Der Simon Bolivar, ja der Spartakus, Rosseau und Jeronimo Ungarns tritt den Beweis an, dass er wirklich nicht rassistisch ist, sondern nur ein missverstandener Mahner.Wir gratulieren.

Ein vergeistigter, in einfaches Priesterweiß gehüllter Prophet, an der Spitze seiner Jünger beim “Friedensmarsch”, gestützt von seiner Partnerin, gebeugt von der Last seiner Sendung. Die Fragen des Reporters sind vergeblich, Ihr Lächeln mag ausreichend Hinweis geben auf die Reinheit der frohen Botschaft.

Von der Schreibstube auf die Barrikaden!

Zsolt Bayer, jener Selbstdarsteller, der uns einen Blick hinter die bemüht biederen Masken der "nationalen Revolution" gestattet und so die wahre, heute herrschende Geisteshaltung in Ungarn offenbart, dieser Zsolt Bayer, dessen Eitelkeit seine Verstellungskünste längst übermannt hat und in dessen Auftritten, ob schriftlicher oder persönlicher Art, sich die instiutionalisierte Präpotenz, der Hass auf den Anderen als "Argument" am schamlosesten präsentiert, - dieser enge Freund unseres Premierministers, mit dem zusammen er die Partei Fidesz gründete, worauf in jeder zweiten Kolumne "damals, in den Tagen als wir..." hingewiesen werden muss, Zsolt Bayer, der mit den "Friedensmärschen" die Schreibstube verließ, um für die nationale Sache und für seinen Freund auf die Barrikaden zu klettern, die er freilich erst mal selbst errichten musste, denn da waren keine in den leergefegten Straßen Budapests und Gyulas, der führende Hassprediger des Landes, das national-konservative Erbrechen in Person, feierte kürzlich seinen fünfzigsten Geburtstag. Er ließ feiern.

Seine Kolumnen riechen nach Pulverdampf und Gas

Nur Naive erschrecken noch, dass Demjenigen, der erst kürzlich noch Bürgern Ungarns, Zigeunern freilich, das Recht auf Zugehörigkeit zur Menschenrasse absprach, ("ein Problem, das gelöst werden muss, jetzt und mit allen Mitteln") dass diesem Mann, dessen Kolumnen klingen, wie das Niedersausen eines Fallbeils und die immer nach Pulverdampf und manchmal auch nach Gas riechen, dass diesem Mann von ganz Oben Hymnen gesungen werden. Generalabsolution wurde ihm schon erteilt, nun kann bald nur noch die Seligsprechung folgen.

Ein Liebesversprechen vom Parlamentspräsidenten

László Kövér, der Präsident des immer noch so genannten Parlamentes von Ungarn, auch so ein Kampfgenosse aus "damals, in den Tagen..." und offenbar in einer Art Fernwettstreit mit Bayer um die dämlichste öffentliche Zurschaustellung politischer Brachialrhetorik (Einmal hieß es, "bin ich in der Slowakei, fühle ich mich in Ungarn", ein anderes Mal wollte er Truppen nach "Oberungarn" schicken, das meiste Aufsehen gab es aber für die Huldigung der Asche eines Nazipolitikers der 40er in Rumänien, der, weil er auch "Heimatschriftsteller" war, zu achten sei), László Kövér, der Schnauzer der Nation, offenbarte also dem Geburtstagskind Bayer mit einem Gläschen Schampus in der Hand, einem Kuchenkrümel am Schnauzer und einer Träne im Knopfloch: "Wir erlebten gemeinsam gute und schlechte Zeiten, harte Stunden und Stunden der Freude. Wir haben uns gegenseitig nie verleugnet und wir werden das auch nie...". Nach diesem Eheversprechen sage noch einer, in Ungarn dürfe es keine Homoehen geben! Und noch eine kleine Randerkenntnis: es ist Bayer, der dem Parlamentspräsidenten eine Audienz gewährt...

Ich meinte doch keine Juden, sondern Kommunisten

Doch zurück zu Bayer, der schrieb sich nämlich, was uns die Arbeit enorm erleichtert, sein Geburtstagsständchen selbst in seine Zeitung, die "Magyar Hírlap", dieses volksnahe Blättchen im Besitz eines Regionaloligarchen, bei dem man nicht so genau wissen will, wie er zu seinem "Wohlstand" gekommen ist. Zunächst bedankte Bayer sich für das Geburtstagsgeschenk eines Richters, der ihm einen Sieg in einem "Verlumdungsfall" bescherte. Danach darf das hinlänglich bekannte Klubrádió nicht mehr behaupten, was Bayer selbst behauptete, als er in einer seiner berühmtesten Kolumnen die Namen von drei Lebenden nannte (zwei Abgeordnete, einer davon ein gewisser Cohn-Bendit und ein Klavierspieler) und bedauerte, dass nicht mehr von ihrem Schlage (man beachte die geschickte Vermeidung des direkten Mordaufrufes) unter den Toten im "Wald von Orgovány" zu finden seien. Orgovány, das ist das Symbol des "weißen Terrors" nach der kurzen Räterepublik in Ungarn 1919, in der sich herausstellte, dass es in Ungarn eigentlich keine Linke gibt, sondern nur Terroristen unterschiedlicher Provinenz. Im Wald von Orgovány verteilten die Befreier Ungarns, Truppen unter Führung des Nicht-Diktators (Orbán) Horthy, damals großzügig Kopfschüsse für alle, die im Verdacht standen, mit der Räteregierung kollaboriert zu haben. Ein paar Hundert kamen zusammen, wie wir von Bayer wissen, nicht genug und bei Verdächtigen jüdischer Abstammung war man besonders schnell am Drücker.

Jedenfalls ist die Behauptung, Bayer habe mit seinem Geschreibse zum Mord an den drei oben Genannten Mitbürgern aufgerufen, die auch jüdischer "Abstammung" sind, nicht statthaft. Bayer ist also verleumdet worden und er begründete vor Gericht auch, warum: er habe gar keine Juden gemeint, sondern: Kommunisten. - Pause. Na dann, sagte der Richter sinngemäß und schickte die Radioleute zum Teufel. Es hat für die Toten von 1919 doch etwas tröstliches, nicht als Juden, sondern als Kommunisten gemordet worden zu sein. Die Juden hob man sich noch 25 Jahre auf.

Die weiße Rasse schreitet ihrer eigenen Exekution entgegen

In der Vorwoche schrieb er - beflügelt von Orbáns Rede zur Lage der Nation - noch von der Herrlichkeit des Orbánschen Reiches und seines Führers und dme Glück, dass der "kleine Dreckhaufen" Gyurcsány als Generalsekretär eines neuen kommunistischen Ungarns gerade noch verhindert worden ist, von "uns", den Verteidigern der Demokratie. In seinem Geburtstagsständchen stellt er nochmals klar: er habe "niemals Zigeuner als Tiere bezeichnet", noch verlangt dass "Juden in Orgóvany getötet werden sollen", nein, er schrieb nur in tiefer Sorge um die "weiße christliche Rasse", die ihrer "eigenen Exekution" entgegenschreitet. Er meint damit jedoch nicht die intellektuelle Selbstenthauptung, die er in seinen Kolumnen vollführt und die uns selbst tatsächlich in Sorge um die weiße Rasse versetzen sollte, sondern er beschreibt Ungarn, ja Europa als eine Welt, die immer mehr von "Mördern" und "Menschen, die unwillig sind, den allgemeinen Moralkodex zu akzpetieren", geflutet wurde und die ihre Herkunft, auch ihre jüdische, benutzen "um ihre Fehler und Sünden zu verteidigen, zu verbergen oder zu erklären".

Die 68er mit ihren unerträglichen Freiheiten...

Er sei hingegen der, der es auf sich nimmt, die "unaussprechliche Wahrheit auszusprechen" und wählt, die Probleme Ungarns auf europäischen Maßstab extrapolierend, diesmal Frankreich als exemplarischen Sündenpfuhl, wo es Nachbarschaften gibt, die so gefährlich sind, dass sich selbst die Polizei nicht mehr hineintraue und wer darauf hinweise, so zitiert er einen Pariser Bezirksbürgermeister, wird sofort mit dem Stigma des Rassisten behaftet. Kommunisten, Juden, Zigeuner, Morallosigkeit, Mord und Totschlag auf dem Vormarsch. Und die Verkehrspolizei in dieser Straße zur Selbstausrottung? Das sind die 68er mit ihren "globalen Märkten, ihrem Multikulturalismus, den unerträglichen Freiheiten der liberalen Demokratien". "Diese Liberalen", so Bayer, "drängen Europa Zentimeter für Zentimeter seinem Untergang entgegen." sie sind es auch, die sich anmaßen, zu entscheiden, wer Rassist ist und wer nicht. In früheren Aufsätzen hatte er einige dieser Liberalen schonmal persönlich attackiert, mit der Krätze verglichen, aber, wie wir heute wissen, nicht aus Hass, sondern aus Sorge. Denn wie will man eine "Krankheit" behandeln, wenn man sie nicht zuvor diagnostiziert...

(Am Rande: die 68er werdem immer mehr zum neuen Fetisch der Abendlandsretter, auch so honorige Leute wie der kürzlich in den Ruhestand übergegangene ehemalige FAZ-Korrespondent oder die Chefhhistorikerin des Terror-Hauses haben sich tief in dieses Feindbild hineingebissen, dem die dadurch entstehende geistige Verwandschaft mit unserem Scharfrichter weniger auszumachen scheint, als die abscheuliche Wirkung dieser offenbar sehr gefährlichen Gruppe. Wenn wir mal einen treffen, geben wir ihnen bescheid, liebe Leser.)

Halt in der papstfreien Zeit....

 

Bayer, der Warner, Bayer der Prohpet endet: "Dann aber, wenn das Monster erwacht, werden wir, die potentiellen Opfer, die einzigen sein, an die Ihr Euch um Hilfe wenden könnt und wir werden Euch verstecken, weil wir gut geeignet sind für die Selbstzerstörung." Sancto subito, kann man da nur sagen. Sprecht diesen Mann, diesen Arbeiter im Weinberg Gottes, heilig, sofort, da er uns in der papstfreien Zeit Orientierung und Halt mit seiner Moralenzyklika, bescheiden gewandet in eine Zeitungskolumne, gegeben hat, auf das wir Gut und Böse auseinanderhalten und sogar den eigenen Untergang riskiert, um seine Nächsten zu retten. So einen Mann kann man doch nicht nur mit der Madách-Medaille abspeisen. Möge Bayer oder sein Freund Orbán uns nur auch bald noch Rat geben, wie die Rettung vor "dem Monster" von statten gehen sollte und wo. Es muss ja nicht immer der "Wald von Orgóvany" sein und "Friedensmärsche" müssen nicht zwanglsäufig immer mit einer Ansprache enden... Denn, so Bayer wörtlich: “Für Euch (die 68er) ist nur der Tod die richtige Strafe...”.

m.s.

 

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