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(c) Pester Lloyd / 09 - 2013   POLITIK 25.02.2013

 

Klubrádió als Symbol

Demo in Budapest: ein Radiosender als Gradmesser der Demokratie in Ungarn

Mehrere tausend Menschen demonstrierten am Sonntag in Budapest gegen die Schikanen, denen das oppositionelle Klubrádió seitens der staatlichen Medienbehörde ausgesetzt ist, die - trotz mehrerer, zum Teil rechtskräftiger Gerichtsurteile - die Zuteilung von dauerhaften Sendefrequenzen verweigert. Der Sender wird damit zum Symbol für Behördenwillkür und die Ignoranz gegenüber dem Rechtsstaat.

“Den öffentlichen Rundfunk haben sie sich schon geschnappt, das Klubrádio überlassen wir ihnen nicht...”

András Arató, Chefredakteur des Klubrádió sagte vor rund fünftausend Demonstranten, dass die Ereignisse über die Belange des Senders hinausreichen und die Medienfreiheit im Lande insgesamt in Frage stellen. Der Medienrat als oberstes Leitungsgremium der Medienaufsichts- und Frequenzvergabebehörde NMHH sowie des öffentlichen Rundfunks, repräsentiert eine parteiische und dikriminierende Einstellung, so Arató.

Seit zwei Jahren operiert der Sender auf provisorisch zugeteilten Lizenzen, weil der Medienrat die bisher sechs vorliegenden Urteile von Gerichten, davon drei rechtskräftigen, nicht umsetzt. Neben der Zuerkennung einer permanenten Lizenz für den Raum Budapest, verlangen die Radiomacher auch die Wiederherstellung, der Stück für Stück aberkannten Frequenzen in der Provinz. Eine entsprechende Petition wurde verlesen und wird dem Medienrat überstellt, auch weitere Gerichtsurteile stehen aus.

Mehrere tausend Menschen kamen trotz schlechten Wetters. Am 15. März, am Nationalfeiertag, wird eine Großdemo der Opposition erwartet. Themen genug gibt es: die Wirtschaftslage, die Sozialpolitik, die Entmachtung des Verfassungsgerichtes, die Hochschulpolitik, die Medienpolitik...

 

So soll am 5. März ein endgültiges Urteil über die Ausschreibung der landesweiten 95,3 MHz-Frequenz gefällt werden, deren Vergabe vom Medienrat immer wieder, wegen wechselnder und immer fadenscheiniger werdenden Beanstandungen - mal waren es fehlende Signaturen auf leeren Blättern, dann ein zu hoher Wortanteil des "Talkradios", verweigert wird. Auch der für den Raum Budapest ausgewiesene 92,9 MHz-Frequenz gilt diese Verweigerung zur Ausfertigung eines Vertrages, hier hatte Klubrádió noch unter den Vorgängerbehörde ORTT den Zuschlag erhalten.

Merkmale einer Willkürherrschaft

Während der Medienrat sowohl mit den Gerichten als auch mit den Sendern ein Katz-und-Maus-Spiel um Formalitäten führt und dabei behauptet, alles streng nach den Regularien zu exzerzieren und meint, allein der Umstand, dass Klubrádió überhaupt noch sendet wäre schon der Beweis des funktionierenden, rechtsstaatlichen Orinzips, wurden im gleichen Zeitraum etliche Lizenzen an regierungstreue Sender und -netzwerke, aber auch an offen rechtsradikale und fundamentalistische Sender vergeben, teils zu Spottpreisen.

Trotz widriger Umstände weitersenden und -kämpfen, das war die Message vom Sonntag...

Was die Demonstranten am Sonntag in so relativer großer Zahl zusammenbrachte, war die Wut und die Sorgen über eine Entwicklung, die nicht nur das Klubrádió und längst nicht nur die Medienwelt betrifft. Behörden, geleitet von regierungstreuen Funktionären, schaffen sich einen rechtsfreien Raum, in den nicht einmal mehr Gerichte steuernd eingreifen können. Das ist nicht nur ein Merkmal mangelnden rechtsstaatlichen Bewußtseins, sondern bereits das Charakteristikum eines Willkürsystems. Dieses Vorgehen erlebt Ungarn auch auf höchster Ebene, denn reihenweise werden Urteile des Verfassungsgerichtes - auch zu Grundrechtsfragen - durch Verfassungsänderungen und Demontage des Gerichtes selbst umgangen, was im Endeffekt nichts anderes bedeutet als die Abschaffung jedweder Kontrolle der Macht.

Klubrádió ist nicht, wie von einigen westlichen Medien in fälschlicher Weise angegeben, der einzige oder letzte Oppositionsender in Ungarn. Aber die Schikanen gegen ihn richten sich - in anderen Formen, aber mit der gleichen Wirkung - auch gegen andere unabhängige Zeitungen, Magazine und Sender: politischer Druck bei Aushöhlung der Rechtssicherheit und Entzug der wirtschaftlichen Grundlagen und gezeilte Förderung linientreuer Medien dienen als Werkzeuge für eine parteilich-ideologischen Umgestaltung und Gleichschaltung der Medienlandschaft. Der Medienrat ist die wichtigste Institution für dieses Vorgehen, das Mediengesetz, das von der EU nicht mehr beanstandet wird - ihr Fundament.

red.

 

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