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(c) Pester Lloyd / 09 - 2013   WIRTSCHAFT 01.03.2013

 

Alle Schleusen offen

Matman kommt: György Matolcsy wird neuer Zentralbankchef in Ungarn

Wie allgemein erwartet, hat der ungarische Ministerpräsident, Viktor Orbán, den bisherigen Nationalwirtschaftsminister, György Matolcsy, zum neuen Chef der Nationalbank MNB ernannt. Der bisherige Chefverhandler für die eingestellten IWF-Gespräche, Mihály Varga übernimmt das Ministerium von Matolcsy.

Mit dieser Personalentscheidung ist die Unabhängigkeit der Ungarischen Zentralbank von der Regierung Geschichte, auch wenn sie laut Verfassung und auch nach den EU-Regularien vorgesehen ist. Schon durch Neubesetzungen im Währungsrat waren die Leitzinsentscheidungen der letzten sieben Monate durch die Regierung vorgegeben worden.

Orbán nannte die Regierungsnähe des neuen Gouverneurs, dessen Amtszeit heute beginnt, auch offen als Einstellungskriterium. Die Einschätzung, dass er mit Matolcsy, die "am wenigsten riskante Wahl" getroffen habe, kann nur im Hinblick auf die widerspruchslose Umsetzung seiner Anordnungen so gesehen werden. Hinsichtlich der Währungs- und Preisstabilität ergibt sich nun eine große Unsicherheit, Matolcsy hatte schon seit langem von einer Reihe von "kreativen Finanzmarktinstrumenten", die im Rahmen der "unorthodoxen Wirtschaftspolitik" einzusetzen seien, gesprochen.

Experten fürchten, dass die ungarische Zentralbank, in der Hoffnung das Wachstum anzukurbeln, das Land nun mit billigem Geld fluten könnte, was hinsichtlich des Forintkurses und einer dann zwangsläufig angeheizten Inflation direkte Auswirkungen auf das Einkommen der Bürger hätte, sozusagen alle Schleusen geöffnet werden. Durch das denkbare Antasten von Devisenreserven, die Veränderungen von Einlagebedingungen für Geschäftsbanken etc., könnte auch das ohnehin niedrige Investorenvertrauen erschüttert werden und die Refinanzierung über Anleihen deutlich teurer werden. Matolcsy ließ zuvor bereits ausrichten, dass er von einem starken Forint und stabilen Preisen weniger halte, als von Wachstum, wobei Ökonomen davor warnten, ein solches als selbstverständlich anzusehen, so lange nicht andere wichtige Investitionskriterien vorliegen.

 

Neben dem fachlichen Risiko, zieht mit Matolcsy auch ein hohes persönlichese Risiko für die Stabilität der Finanzmarktpolitik Ungarns in die Zentralbank ein. Denn der Minister hatte mit teils abtrusen Äußerungen des öfteren für Aufregung und stark ausschlagende Forint- und Anleihekurse gesorgt. Legendär sind auch seine Schönwetteransprachen, die noch jede noch so schlechte Entwicklung ins Positive drehen sowie seine Aussagen vom "Ende der Krise" und dem "Tiger Ungarn". In jedem Falle wird mit Matolcsy ein Paradigmenwechsel vollzogen, weg von einer - im Idealfall - als Stabilitätsanker und Ruhepol fungierenden Zentralbank, hin zu einem quasi weiteren Ministerium der Regierung Orbán, die aktiv ins Marktgeschehen eingreift. Das Urteil über diesen Schritt werden die wirtschaftliche Performance, der Forintkurs, die Anleihzinsen und die Märkte, erst am Ende die Bürger zu fällen haben.

Mit Mihály Varga zieht ein sehr enger Vertrauter Orbáns ins Nationalwirtschaftsministerium ein, womit gewährleistet wird, dass die meist politisch statt ökonomisch motivierten Pläne Orbáns widerspruchslos umgesetzt werden. Dennoch darf man Varga, der in der ersten Orbán-Regierung bereits Finanzminister war, mehr Wirtschaftskompetenz zusprechen als seinem Vorgänger.

Der Vorgänger als Chef der MNB sieht sich
inzwischen mit strafrechtlichen Ermittlungen konfrontiert, die jedoch offen politisch motiviert sind.

Der Forint tendierte am Freitag um die 295 zum Euro, er hatte im Laufe der Woche damit um 5 Forint verloren, Matolcsy ist - zumindest seine Ernennung - bereits “eingepreist”.

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red.

 

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