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(c) Pester Lloyd / 10 - 2013   POLITIK 10.03.2013

 

Selbstvergewisserung

Großveranstaltung der ungarischen Sozialisten mit Gästen aus Rumänien und Bulgarien

Die "Sozialisten" von der MSZP hielten am Samstag in Budapest eine Großveranstaltung ab, die als Auftakt für die Mobilisierung zum Wahlkampf (Wahlen sind erst in 14 Monaten) gelten kann und bei der sich Parteichef Attila Mesterházy der Gefolgschaft seiner Partei versicherte. Als Ehrengast nahm der rumänischen Ministerpräsident Victor Ponta teil, was Proteste der Regierung und von anderen Nationalisten nach sich zog.

Fast 10.000 Mitglieder und Anhänger der größten ungarischen Oppositionspartei versammelten sich in der László Papp Sportarena und hörten die Rede eines sich sehr kämpferisch gebenden Attila Mesterházy (Foto) an. Mit Slogans vom "Maradonna von Felcsút", dem "Zaubermatolcsy" und anderer Polemik zerlegte er die Politik der Orbán-Regierung, die auf Lügen und Bereicherung aufgebaut sei, was er an verschiedensten Beispielen ausführte. Als Ehrengast nahm der rumänischen Ministerpräsident Victor Ponta teil, eine Einladung, die die Regierungsseite wegen der aktuellen Friktionen (Fahnenkrieg) besonders auf die Palme brachte und die nahe an einen Landesverrat gerückt wurde. Am Rande der Veranstaltung demonstrierten rund 300 Anhänger der neofaschistischen Jobbik gegen die Anwesenheit Pontas. Auch der bulgarische Ex-Premier Stanischew war anwesend.

Mesterházy stellte die Regierungsfähigkeit von Fidesz auf ganzer Linie in Frage, sie versage in der Wirtschaft, zerstöre den Rechtsstaat und tue praktisch nichts, das wirklich im Interesse des Landes sei. Mit einer selbstironischen Anmerkung schoss sich Mesterházy dabei ein ziemliches Eigentor: Fidesz lüge nicht nur am Morgen, am Mittag und am Abend, sondern ständig. Die Formulierung stammt aus der "Lügenrede" Gyurcsánys, was aber impliziert, dass dreimal täglich lügen nicht so schlimm sein könnte. Der "Felcsúter Maradonna" habe dafür gesorgt, dass es den Ungarn "noch schlechter gehe als vor vier Jahren". Auch die Ankündigungen, die "Korruption" auszurotten, hier kam der Verweis auf einschlägige Magnaten als Fidesz-Protegées, stehen auf wackeligen Beinen, denn derzeit sind noch nicht einmal alle Korruptionsfälle der letzten Regierungszeit abgearbeitet.

Neben der, für die MSZP bisher kennzeichnenden, reinen Negativkampagne gegen die Regierungspartei, versuchte sich der Parteichef auch in zaghaften Andeutungen, was unter seiner Regierung anders werde sollte. Der Mindestlohn würde verdoppelt werden, zur Jobsuche gäbe es ausreichend Zeit (derzeit ist Arbeitslosengeld auf wenige Monate beschränkt), Mesterházy kündigte ein Programm der "Entwicklung und Freiheit" an. In jedem Falle sei heute klar, dass man “den ersten Schritt zum Machtwechsel” bereits gemacht habe.

Auf Kooperationen kam Mesterházy nur allgemein zu sprechen, ein klares Bekenntnis zur Frage eines notwendigen gemeinsamen Spitzenkandidaten (wobei aus taktischen Überlegungen hier Bajnai von der Wahlallianz "Gemeinsam 2014" vorzuziehen wäre) sowie zur Aufstellung gemeinsamer Kandidaten vermied er, ja, er betonte sogar mehrfach, dass die MSZP die stärkste und wichtigste Oppositionskraft ist. Lediglich der Bürgermeister von Szeged, der einzige MSZP-Bürgermeister einer Stadt in Ungarn, bekannte sich zur Einheit aller linken und demokratischen Kräfte bis zur politischen Mitte, um das Wahlziel, die Ablösung der Orbán-Regierung, zu erreichen.

Eingeleitet wurde die Inszenierung vom Auftritt ungarischer Popmusiker, Parteimitglieder und Bürger trugen Sorgen und Nöte der Bevölkerung vor. Der Gast aus Rumänien, Premier Ponta (Foto), sprach vom "Flaggenstreit" und davon, dass er daran interessiert ist, gute nachbarschaftliche Beziehungen zu Ungarn zu pflegen und sein Land nicht vorhabe, Bürger wegen der Zugehörigkeit zu anderen Ethnien zu diskriminieren. Orbáns Performance werde von den ungarischen Wählern zu beurteilen sein, Mesterházy wäre in jedem Falle ein guter Führer für das Land. 

Der bulgarische Ex-Premier Sergej Stanischew bemängelte, dass Orbán das "Wesen der Demokratie" nicht verstanden habe und er und seine Partei glauben, sie könnten tun und lassen was sie wollen. Was nütze dessen Revolution, wenn es Beschäftigung, Bildungsangeboten und grundlegenden Menschenrechten mangele. Stanischew sagte, dass Orbán das gleiche Schicksal erwarte, das den gerade zurückgetretenen bulgarischen Premiers Bojko Borissow ereilte, weil er die Erwartungen der Menschen nicht erfüllte. Die Menschen gingen vor zwei Wochen auf die Straße und "fegten ihn weg von der Macht. Das wird das Schicksal aller autoritären Politiker sein."

 

Was brachte die Veranstaltung? Sinn und Zweck der sehr polemischen Übung war die Selbstvergewisserung und Mobilisierung der Anhängerschaft sowie die Bestätigung der Rolle des Parteichefs, der offenbar als alternativlos gilt und daher auch als Spitzenkandidat seiner Partei in den Wahlkampf zieht. Ein Wahl- bzw. Regierungsprogramm ist die Partei noch schuldig und auch das klare Bekenntnis zu den Fehlern der Vergangenheit. Der Anspruch auf Oppositionsführerschaft mag im Hinblick auf die Mobilisierung der eigenen Anhänger taktischer Natur sein, für eine schlagkräftige Wahlallianz mit der nicht MSZP-Opposition ist sie eher wenig hilfreich.

red.

 

 

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