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(c) Pester Lloyd / 12 - 2013   POLITIK 17.03.2013

 

Mehrere Tausend auf Ersatz-Demo der Opposition in Ungarn

Am Sonntagnachmittag hielt die Bürgerbewegung Milla in Budapest eine Kundgebung ab, es war ein kurzfristiger Ersatztermin für die abgesagte Großveranstaltung zum 15. März. Bei nasskaltem Wetter und Temperaturen um den Gefrierpunkt versammelten sich einige Tausend Menschen, MTI meldete rund 4.000, unser Beobachter vor Ort schätzt knapp das Doppelte, am innerstädtischen Kalvin Platz. Die Mobilisierung blieb natürlich weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück. Eigentlich sollte am Freitag zunächst die neue Wahlallianz Gemeinsam 2014 auftreten, um sich dann mit der Milla-Demo zu vereinen. Vor einem Jahr kamen an gleicher Stelle mehr als 50.000 Menschen zusammen. Dennoch war die Milla-Kundgebung die mit Abstand größte Veranstaltung im Zusammenhang mit dem diesjährigen “erfrorenen” 15. März.

Budapest, Kalvin Platz, am Sonntag kurz nach 15 Uhr, Foto: MTI

Unter den Rednern und Teilnehmern heute waren Aktivisten verschiedener Bürgerrechtsgruppen, der Chef einer Lehrergewerkschaft,  auch der Verfassungsrechtler und ehemalige Ombudsmann für Datenschutz Majtényi, der Chef der neuen Partei Wahlallianz "Gemeinsam 2014" (zu der auch die Milla gehört), Ex-Premier Bajnai, Angehörige der LMP-Abspaltung "Dialog für Ungarn", der Szolidaritás aber auch MSZP- und DK-Anhänger, Künstler und Wissenschaftler verschiedener Gebiete.

Ein Schauspieler in typischer Diktatoren-Operettemontur eröffnete die Veranstaltung theatralisch, die Bürgerrechtler verlasen einen Forderungskatalog gegen die Diskriminierung von Frauen, die Kriminalisierung von Obdachlosen, die Stigmatisierung wegen der rassischen Herkunft, die tarifliche "Sonderbehandlung" in kommunale Beschäftigungsprogrammen (Aussetzung des Mindestlohns) etc.

 

Die Redner kritisierten scharf die 4. Verfassungsänderung und die umstandlose Unterzeichnung seitens des Staatspräsidenten. Womöglich wird gerade die 5. Verfassungsänderung vorbereitet, die besagt, dass "wir nichts vom Schnee und vom schlechten Wetter wissen konnten". Der linke Philosoph Gáspár Miklós Tamás rief zum Boykott des Parlamentes und der nächsten Wahlen auf, man würde dort nur bei der Selbstermächtigung der Orbán-Regierung mittun, die Parteien sollten sich den Bürgern auf der Straße anschließen. Man sollte andere Wege finden, Arbeiterräte und Streikkomitees gründen und über Volksabstimmungen und friedlichen Widerstand einen Machtwechsel herbeiführen.

Verfassungsrechtler Majtényi rief, Ungarn sei zwar noch keine Diktatur, werde aber bereits "diktiert". Er rief dazu auf, dass sich die Linke und die "auf der Seite der Verfassung stehende Rechte" des Landes zusammen tun müssten, um das Land in einem lebenswerten Zustand zu erhalten. Der Regisseuer Árpád Schilling schoss sich auf Minister Balog ein, der im Rahmen des Nationalfeiertags Auszeichnungen auch an Rechtsradikale vergab. "Viermal die Verfassung ändern, das können sie, aber einmal einen Nazi zurückpfeifen, das können sie nicht..." .

Noch ein Aufmarsch, gänzlich unpolitisch. Das Party-Volk feierte den St. Patricks Day mit einer Parade am Donauufer, mehrere Hundert Menschen folgten ein paar Budapester Iren, die ihren Unabhängigkeitstag begingen, um sich anschließend in Pubs grün zu trinken...

red.

 

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