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(c) Pester Lloyd / 13 - 2013   POLITIK 25.03.2013

 

Angriff der Außerungarischen

Kindergartenpolitik als Alltag in Ungarn

Die politische Kommunikation in Ungarn hat mittlerweile ein Niveau erreicht, das eine seriöse Berichterstattung aus der ungarischen Hauptstadt anhand von Politikerstatements fast obsolet macht. Das "Best of" der Aussendungen vom Wochenende spiegeln die "Du aber auch"- und "Der hat aber angefangen"-Kindergartenmentalität unterster Schublade. Der Unterschied ist nur, Kindergartenkinder sind lernfähig und vertragen sich auch wieder. Die Politsoziopathen an der Donau sind dagegen ein hoffnungsloser Fall und man kann sich nur fragen, wie dieser Haufen von Sprücheklopfern die komplexen Probleme des Landes lösen soll?

Schusswechsel zwischen ARD und Orbán

Die ARD weist den Protest der Orbán-Regierung hinsichtlich des kleinen Beitrages im Kinderkanal KiKa über Ungarn (
siehe hier) entschieden zurück. Premier Orbán nannte den Vorgang eine "Gehirnwäsche" an Kindern, die in Ungarn undenkbar wäre. Staatssekretär Kumin hat sogar gefordert, auch "rechtliche Schritte" gegen die ARD einzuleiten. Autor Stephan Oszváth vom Südosteuropabüro der ARD in Wien verbittet sich, dass die ungarische Regierung nun auch noch die Arbeit von ausländischen Journalisten beeinflussen will. Eine Regierung, die mehrere Hundert Journalisten aus politischen Gründen entlassen habe und deren öffentlicher Rundfunk Beiträge fälsche. Orbán ergänzte am Freitag in seiner Radiosendung: "Die Verantwortlichen wären bei uns binnen Minusten gefeuert". w.z.b.w.

Screenshot aus einem Computerspiel. Wissen die Programmierer mehr als wir?

Balog feuert zurück

Nur kurz war Minister Balog den "globalen Mächten im Hintergrund", die "Ungarn strangulieren wollen" (so der Ex-Ausgezeichnete Szaniszló aus Anlass seiner pathetisch inszenierten Preisrückgabe auf Bitte des Ministers) erlegen, alsbald rappelte er sich wieder auf und schießt nun zurück. In einem offenen Brief an die US-Botschafterin in Budapest weist er deren Urteil, dass die Preisverleihung an Szaniszló "tief enttäuschend" war, als "Doppelstandard" zurück, schließlich hätten Senator Kerry und Firstlady Obama "beinahe" eine Ägypterin ausgezeichnet, deren Aussagen "auch" die menschliche Würde verletzten. Gerne würde er nun von den USA wissen, "wie sie mit dieser Affairte umzugehen gedenken, welche Schlussfolgerungen man daraus zieht und wie man verhindern will, dass so etwas in der Zukunft wieder vorkommt", stellt der ungarische Minister in einem Anflug von Größenwahn die Botschafterin zur Rede. Nur zur Klarstellung, die Dame wurde noch rechtzeitig von der Liste gestrichen, also nicht ausgezeichnet. Balog hat zwar Szaniszló den Preis zurückgeben lassen, die zwei anderen "ausgezeichneten" Rechtsextremisten, blieben aber unbehelligt.
Mehr dazu.

Man ist mal wieder "außer sich"

Die Regierungspartei Fidesz ist "außer sich", wie die Wahlallianz Gemeinsam 2014 mit "den Daten von Bürgern" umgeht. Dabei geht es um ein Registrierungsformular auf der Facebook-Seite, das angeblich zur Erstellung von Gesinnungslisten genutzt werden könnte. G2014 weist die Vorwürfe zurück, alles sei auf Linie mit Datenschutzbestimmungen und ohnehin eine freiwillige Aktion für potentielle Unterstützer. Fidesz lüge mal wieder. Das Amt für Datenschutz überprüft nun die Vorwürfe. Im ungarischen Wahlkampf ist die Erstellung von Supporter-Lists (wie z.B. in den USA völlig üblich) verboten, allerdings ist gerade die Aufregung seitens des Fidesz interessant: deren Generalsekretär Kubatov hat bereits 2010 solche Listen systematisch erstellen lassen, nicht über Facebook, sondern in dem er Wahlberechtigte systematisch an ihren Wohnungstüren befragen und dann entsprechend einstufen ließ. Die
Vorgänge sind durch die Publikation eines fidesz-internen Videos belegt, Anzeige ist erstattet, aber nichts weiter geschah bisher.

Geheimwähler in der Diaspora

Derweil geht der Schlagabtausch über die Frage weiter, wann und wie die Regierung die Anzahl der im Ausland Wahlberechtigten veröffentlichen will.
Wie berichtet, werden diese, aus Angst vor "persönlichen Nachteilen" der Doppelstaatsbürger und Gefahren für die "nationale Sicherheit" zurückgehalten, selbst eine anonymisierte Quantifizierung wird nicht zugelassen. Sämtliche Oppositionsparteien sehen ein Riesenproblem darin, da ohne das Wissen um die Wählerbasis die Erstellung eines gültigen Wahlergebnisses schlechterdings nicht möglich sei. Außerdem eröffne die Geheimniskrämerei Mainpulationen Tür und Tor. Alle betonten, dass der Schutz des Individuums erhalten bleiben müsse, es aber nicht sein kann, dass die Wahlbüros dort von Fidesz-Leuten mit Geheimlisten betrieben werden. Fidesz teilte mit, dass es allein die Linke sei, die sich "unlauterer Methoden" bediene etc., man habe zu der Sache noch keinen gemeinsamen Standpunkt mit der Regierung erarbeitet.

Angriff der Außerungarischen

In diesem Jahr sind "vermehrte Einmischungsversuche von linken und liberalen Parteien in der EU in die ungarische Innenpolitik" zu erwarten, warnte der Fidesz-Vizefraktionschef Gulyás am Sonntag im Rundfunk, womit er die Äußerungen einiger seiner Parteifreunde über
"Putschversuche" fortführte. Sie werden alles versuchen "ihre Verbündeten in Ungarn an die Macht zu bringen". Kritik an der Rergierungspolitik nannte Gulyás eine "Debatte der Gehörlosen" und "voller Lügen". Die EU könne ja gerne versuchen, Ungarn die Stimmrechte zu entziehen, doch dazu bedürfte es der Unterstützung aller Regierungschefs, daher gibt es dazu "keine Chance" (das ist sachlich falsch: 4/5 genügen, siehe hier).

Navracsics` Spam-Filter ist kaputt

 

Vizepremier Navracsics hat eine "Droh"-Email erhalten. Offenbar ein einmaliger Vorgang, denn die Polizei ließ mitteilen, dass sie umgehend Ermittlungen gegen den Absender einleiten und die Sicherheitsvorkehrungen für den Orbán-Vize und Justizminister erhöhen ließ (kleine Nachfrage der Redaktion: wir erhalten solche Mails täglich, wo sind unsere Legionen?). In dem Mail, das sich in seinem ministeriellen Postkasten fand, wurde ihm "und den anderen" der Tod angedroht, unterzeichnet wurde mit “Dopeman”, dem Namen eines populären Rappers, der sich bei der Regierung eher unpopulär gemacht hatte. "Leider gibt es solche Vorkommnisse im politischen Leben. Da wir aber nicht wissen, was die Zukunft bringt, müssen wir all das ernst nehmen. Deshalb habe ich die Ermittler gebeten, Ermittlungen einzuleiten." Für sachdienliche Hinweise (info@kim.gov.hu) gibt es eine Verfassungsänderung gratis.

red.

 

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