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(c) Pester Lloyd / 13 - 2013   BALKAN 27.03.2013

 

Suche nach der Goldenen Mitte

Regierung von Serbien quält sich zu einem Kompromiss in der Kosovo-Frage

Auch die siebente von der EU geleitete Verhandlungsrunde zwischen Serbien und Kosovo führte zu keinem Ergebnis. Dabei betone Serbiens Verhandlungsführer und Premierminister Ivica Dacic allerdings, dass ein gewisser Fortschritt in der letzten Gesprächsrunde erzielt worden sei. Allerdings könne er weder sagen, die beiden Seiten seien einer Vereinbarung näher gekommen, noch sei man von dieser momentan weit entfernt. Sein kosovarischer Counterpartm Hashim Thaçi wählte dieselben Worte und fügte hinzu, dass die Gespräche „konstruktiv“ gewesen sind.

Ein wenig mehr sagte Catherine Ashton, die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Mediatorin der Gespräche: „Es ist mein persönlicher Eindruck, dass wir bei speziellen Themen, wie dem des Nordkosovos, einer Lösung sehr nahe sind.“ Deshalb äußerte sie sich hoffnungsvoll, dass man bei der finalen Verhandlungsrunde am 2. April eine Vereinbarung unter Dach und Fach bringen könne.

Wieviel Autonomie ist für Kosovo erträglich, wie wenig für Serbien akzeptabel?

Ähnlich wie bei der vorangegangenen sechsten Verhandlungsrunde (
siehe unseren Bericht) drangen nur wenige Informationen nach außen. Fakt ist: Der letzte große Streitpunkt in den Verhandlungen zwischen Belgrad und Priština dreht sich um den zu formenden Verband der serbischen Gemeinden im Nordkosovo, worauf sich Dacic und Thaçi bereits geeinigt hatten. Dabei geht es konkret darum, wie weitreichend die Kompetenzen dieses Verbandes sein werden. Während Belgrad eine weitgehende Autonomie des Verbandes fordert, möchte Priština die Serben in den Kosovo integrieren, was mit dem Zugeständnis der Verbandsgründung nicht mehr vollends möglich ist. Ein Staat im Staate, was bei einer weitreichenden Autonomie der Gemeinden der Fall wäre, wird vom Kosovo strikt abgelehnt. Auch die Bedingung der EU, dass Polizei und Justiz von Priština kontrolliert werden, unterstützt diese Haltung.

Der richtungsweisende Bericht der EU-Kommission wird für den 16. April erwartet. Darin wird entschieden, ob man einen Termin für EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien empfiehlt, was nicht unwesentlich von der Haltung gegenüber dem Kosovo abhängen wird. Laut aktuellen Umfragen unterstützen derzeit nur 41% des Volkes einen EU-Beitritt. Dabei wird vielleicht schon die kommende Verhandlungsrunde zeigen, wie sich Serbien, in Person von Ivica Dacic, im Entscheidungsdilemma zwischen Vergangenheit und daraus gewachsenem bzw. gezüchtetem Nationalismus und einer europäischen Perspektive beider Länder verhalten wird. Immerhin bietet die EU die Option quasi obsoleter Landesgrenzen, was die Trennung der Serben im Kosovo vom Mutterland immer mehr verschwinden ließe, Gebietsansprüche und "Hineinregieren" aber ausschließen würde.

Ivica Dacic spricht schon seit längerem davon, diesen „Kompromiss“ erzielen zu wollen, was vermuten lässt, dass die EU-Bestrebungen des serbischen Regierungschefs weiterhin Priorität genießen – und dass Serbien eben nicht auf seinem aktuellen Standpunkt beharren wird. Das Dilemma sich als national und europäisch gebenden und so zwischen zwei Stühlen sitzenden Regierungspartei ist jedoch, dies auch den jahrelang aufgeputschten Wählern klar machen zu können, denn die Entscheidung zwischen EU und Beharren auf dem Kosovo als Teil Serbiens wird letztlich von der Frage entschieden, mit welcher Politik sich der eigene Machterhalt sichern lässt. Während die zweite Option zwar populistich gut vermarktbar ist, ergäben sich aus einem Verzug in der EU-Frage spürbare wirtschaftliche und entwicklungspolitische Nachteile, die auch die Bevölkerung und darüber auch die Regierungspartei zu spüren bekommen würden.

Schwere Geschütze vor der finalen Gesprächsrunde: Vereinbarung „dramatisch unsicher“

Politiker beider Länder fahren - aus taktischen Gründen - vor der finalen Verhandlungsrunde schwere Geschütze auf. Serbiens erster stellvertretender Premierminister Aleksandar Vucic nahm die USA und die EU in die Pflicht: Diese sollten gefälligst Druck auf Priština ausüben, damit es von seiner Position abweiche. Demnach wäre der Kosovo im Gegensatz zu Serbien nicht bereit Zugeständnisse zu machen, wobei Vucic scheinbar die Einigung zur Formung eines Verbandes der serbischen Gemeinden im Nordkosovo schlichtweg vergessen hatte.

 

Hashim Thaçi bezog in einer Rede vor dem UN-Sicherheitsrat klar Stellung: Der Kosovo sei ein souveräner Staat und mittlerweile von 100 Staaten anerkannt. Dies sei ein irreversibler Prozess. Außerdem fügte er hinzu, dass Priština demnächst Reparationszahlungen von Belgrad einfordern wird. Schließlich attestierte er Serbien bei den gemeinsamen Gesprächen destruktives Vorgehen, was die Sicherheitslage im Kosovo behindere.

Mit diesen klaren Worten der beiden Spitzenpolitiker wird die finale Gesprächsrunde zwischen Dacic und Thaçi am 2. April alles andere als ein Selbstläufer. Der Vorsitzende des serbischen Parlamentsausschusses für den Kosovo Milovan Drecun äußerte sich skeptisch: „Es ist hoch, ich würde gar sagen dramatisch unsicher, ob eine Vereinbarung erreicht wird.“

Christopher Schulz

 

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