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(c) Pester Lloyd / 13 - 2013   BOULEVARD 30.03.2013

 

Regentanz am Kabinettstisch?

Orbán, der Wettergott: In Ungarn wird das Wetter ein Regierungsmonopol

Wie berichtet, plant die ungarische Regierung seit Oktober letzten Jahres, die Wettervorhersage zu einem staatlichen Monopol zu machen. Nun wurde dazu das passende "Meteorologie-Gesetz" von der Regierungsmehrheit im Parlament angenommen, ab Jahresmitte tritt es in Kraft. Schlüssige Gründe für die exklusive Datenerfassung nannte die Regierung bisher keine, da das Wissen um das Wetter aber als Machtfaktor gilt, ist die Maßnahme unausweichlich.

Man könne und wolle solch wichtige Daten wie die Wetterdaten nicht profitorientierten Privatunternehmen überlassen, hieß es auf einer auf der Airbase Papa zum Thema abgehaltenen Pressepräsentation, bei der vor allem Militärs und der Umweltminister, Staatssekretär Illés sowie Vertreter des Landwirtschaftsministeriums sprachen.

”In ganz Ungarn strahlender Sonnenschein und 20 Grad, Herr Präsident, dunkle Wolken über dem Rest der EU”. 1.1.2014. Parlamentspräsident Kövér nimmt den offiziellen Wetterbericht ab.

Ein Offizier mahnte die dringende Modernisierung der Wetterbeobachtung bei der Honvéd an, die wegen "Fehlentscheidungen in den 90er Jahren" hinterherhinkt. Damals hat man hochmoderne Gerätschaften beschafft, die jedoch nicht mit dem System des Staatlichen Wetteramtes und schon gar nicht mit internationalen Systemen kompatibel waren. Der Umweltstaatssekretär und Reichswetterfrosch, Zoltán Illés versprach rund 80.000 EUR für die Umrüstung. Der Stabschef der Armee, Benkö, freute sich schon, dass dann die 42 militärischen Wetterstationen auch "Daten ans zentrale Wetteramt" senden könnten, "was Extraeinnahmen verspricht".

Warum die Regierung aber, parallel zum staatlichen Angebot, keine privaten Wetterdatenanbieter zulassen wolle, erschloss sich aus dem Umstand, dass das Militär seit 20 Jahren im meteorologischen Blindflug unterwegs ist, noch nicht. Illés stellte in den Raum, dass "das Wetter so wichtig ist", dass es "nur durch ein staatliches Monopol" bearbeitet gehört, es sei gar "eine Aufgabe der Regierung". Ob das Kabinett nun bei wieder einmal drohenden Dürren Regentänze aufführt oder im gemeinsamen Gebet Schneestürme abwehrt? - Illés verriet, was ihn wurmt. Der Staat gibt im Jahr Milliarden (Forint) für die Sammlung und Bereitstellung von Wetterdaten aus, betreibt und bezahlt Satteliten, Fachleute und Technik.

Private Anbieter hätten niemals diese Logistik und sollen gefälligst in Zukunft für die zentral bereitgestellten Daten zahlen. Das Monopol bedeute also nicht, dass nicht "irgendjemand" in den Medien oder im Internet Wetterdaten veröffentlich darf, aber man muss dafür eine "staatliche Lizenz" erwerben und darf dann nur mit den öffentlich-rechtlichen Daten arbeiten, ganz so wie auch MTI die einzige Nachrichtenquelle für den Staatsfunk ist.

Im übrigen sollen Medien, egal ob sie einen Wetterbericht bringen oder nicht, eine Zwangsabgabe an das Wetteramt abliefern. Mehr zur Wettersteuer.

 

In anderen Ländern existieren staatlicher und private Wetterdienste problemlos parallel, auch das Lizenzsystem ist ein gängiges, was zur Folge hat, dass die Bürger hinsichtlich Schnelligkeit, Umfang und Zuverlässigkeit die Wahl haben und sich die Anbieter durch die Konkurrenzsituation in gewisser Weise daher auch anstrengen müssen, Fehler schnell auffallen und korrigiert werden. Dies würde durch das Monopol nun unterbunden. Damit fielen - und darüber sollte diese "Schuld-sind-immer-die-Anderen"-Regierung vielleicht nochmal nachdenken - jedoch bei allfälligen Vorhersageunfällen auch die Argumente weg, wie: wir wussten nichts, die Fehler haben die proftgierigen Unternehmen gemacht, der IWF ist Schuld.... Sogar das Wissen um das Wetter wird von der ungarischen Regierung als Machtfaktor erkannt und gehört damit exklusiv unter die Kontrolle der Regierung, ob das nun sinnvoll ist oder nicht, diese Frage stellt sich nicht nur beim Wetter nicht.

Konsequenterweise müsste Ungarn nun aber auch ein eigenes Raumfahrtprogramm auflegen und eigene Wettersatteliten starten, damit man tatsächlich auch hier “auf eigenen Beinen” steht. Es ist doch schlicht undenkbar, dass man sich die Sattelitenbilder von angeblichem Regen oder Sturm aus Moskau (dem alten) oder gar von der US-Ostküste vorschreiben lässt. China, der neue strategische Partner der “Ostöffnung” wäre noch ein alternativer, verlässlicher Partner, doch die können Ungarn auf ihren Karten einfach nicht finden...

cs.sz.

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red.

 

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