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(c) Pester Lloyd / 15 - 2013   KULTUR 10.04.2013

 

In internationalen Gewässern

Das Titanic Filmfestival in Budapest

Titanic ist das größte verbleibende Filmfest in Ungarn. Nomen est omen: Seit diesem Jahr steht dem internationalen Festival kein ebenwürdiges nationales Pendant mehr gegenüber. Die ungarische Filmproduktion ist –durch die umfangreichen Umstrukturierungen der staatlichen Filmförderung unter Orbán – fast zum Erliegen gekommen; die renommierte ungarische Filmwoche, die im Februar stattfinden sollte, wurde 2013 erstmals abgesagt. Die Festivalszene Budapests ist nichtsdestotrotz lebendig...

Das Toldi-Kino in Budapest feierte am Montag-Abend eine Weltpremiere: How to Follow Strangers, das Spielfilm-Debüt des US-Amerikaners Chioke Nassor über eine gleichsam ungewöhnliche wie alltägliche Begegnung zweier Menschen, ließe sich als realistische Romanze bezeichnen. „Romantik, in der es keine Spannung gibt, interessant mich nicht. Alles, was uns glücklich macht, bringt auch Probleme mit sich,“ so der aus Los Angeles angereiste Nassor im Anschluss an die beinah ausverkaufte Vorstellung. Sein Film entsagt sensationsheischenden Bildern, unglaubwürdigen Begebenheiten und künstlich sauberen Dialogen und geht beinah in einen dokumentarischen Modus über.

Nassors Film ist keine Ausnahmeerscheinung auf dem 20. internationalen Titanic Filmfestival Budapest. Die Auswahl an 61 langen sowie 13 Kurzfilmen der Gegenwart orientiert sich Festivalleiter György Horváth zufolge an den feinen Unterschieden zwischen Realität und Film, nicht am großen Paukenschlag. Die zehn Filme des internationalen Wettbewerbs um den Breaking Waves Award bilden das Herzstück des Festivals, das zudem acht Sonderprogramme bietet. Die Wettbewerbsfilme ergeben ein Spektrum von historischen Sujets, wie sie im ukrainischen House with a Turret oder der mitteleuropäischen Koproduktion In the Fog bis zu Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen Spannungen der Gegenwart; der tschechich-slowakische My Dog Killer setzt sich vermittels der Geschichte um Marek beispielhaft mit zunehmend rechtsradikalen Strömungen und der Anti-Roma-Stimmung in Osteuropa auseinander. Die Wettbewerbszusammenstellung ist thematisch angespannt, ernsthaft und düster und mit Filmen wie dem experimentellen Romantik-Thriller Upstream Color des US-Amerikaners Shane Carruth ästhetisch abwechslungsreich.

Die Länderschwerpunkte der Sonderprogramme auf Irland (inklusive eines Kurz- und Animationsfilmprogrammes), der Tschechischen Republik sowie den „Nordic Lights“ werden unter anderem um ein Komödienprogramm sowie eine Reihe musikalischer Filme unter dem Motto „Music for All“ ergänzt. In der Dokumentarfilmsektion zeigt Titanic unter anderem Joshua Oppenheimers mutiges Filmexperiment The Act of Killing, das in diesem Jahr bereits zum besten Film des One World Festivals zu Menschenrechten in Prag gewählt wurde. Auch hier wird mit dem feinen Grad zwischen Fiktion und Realität gespielt: In ihm werden ehemaliger Mörder – unter ihnen der paramilitärische indonesische Führer Anwar Congo, der 1965 an der Ermordung von über einer Millionen Kommunisten und ethnischen Chinesen in Indonesien beteiligt war – gebeten, ihre Gewalttaten im Stil ihres persönlichen Lieblingsfilmes nachzuspielen. Auf eine völlig unkonventionelle Weise fragt Oppenheimer so nach den Möglichkeiten filmischer Fiktion zur Erweiterung von Bewusstsein, dem Übertritt in die moralische Realität.

Als besondere Höhepunkte des Festivals präsentiert Titanic zwei Special-Screenings: Kubricks Klassiker The Shining und Paul Thomas Andersens The Master mit Joaquin Phoenix in der Hauptrolle eines frustrierten Ex-Marines. Die Ausrichtung des Festivals auf „das große Kino“, breitenwirksame Filme und kostspielige amerikanische Produktionen wird an diesen beiden Filmen, die außerhalb jeder Kategorie gezeigt werden, bereits deutlich.

Zwar ist der osteuropäische Film in der diesjährigen Festivaledition sowohl im Wettbewerb als auch in den Sonderprogramm besonders stark vertreten. Darüber hinaus verlässt das Festival die sicheren Pfade des westlichen Mainstream-Kinos jedoch kaum. Lediglich zwei Filme im Programm stammen aus Asien (Drug War aus Hong Kong sowie die thailändisch-französische Produktion Headshot), keiner aus Südamerika und Afrika. Der Fokus des Festivals liegt deutlich auf den USA und etablierten europäische Produktionsländern wie Frankreich und Großbritannien.

 

Titanic ist das größte verbleibende Filmfest in Ungarn. Seit diesem Jahr steht dem internationalen Festival kein ebenwürdiges nationales Pendant mehr gegenüber. Die ungarische Filmproduktion ist – wohl auch bedingt durch die umfangreichen Umstrukturierungen der staatlichen Filmförderung unter Orbán – ermattet; die ungarische Filmwoche, die im Februar stattfinden sollte, wurde 2013 erstmals abgesagt. Die Festivalszene Budapests ist nichtsdestotrotz lebendig: Aufrecht erhalten wird sie neben Titanic von kleinen, spezialisierten und oft ehrenamtlich bestrittenen Festivals wie dem jüngst vergangenen Dokumentarfilmfestival der ELTE-Universität oder den Architecture Film Days.

Das Titanic-Filmfestival findet noch bis zum 13.04. in den Kinos Uránia, Toldi, Puskin und Örökmozgó sowie auf dem Schiff A38 statt.

Programmdetails unter:
www.titanicfilmfest.hu

Carolin Krahl

 

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