Hauptmenü

 

Das Archiv ab 1854

 

KLEINANZEIGEN UNGARN: Immobilien - Stellenmarkt - Geschäftskontakte - Privatanzeigen 35.- EUR / 30 Tage!

 

 

 

(c) Pester Lloyd / 17 - 2013   WIRTSCHAFT 18.04.2013

 

Annäherung unter Vorbehalt

Ungarn legte aktualisierten Konvergenzplan vor

Im aktuellen Konvergenzplan, den Ungarn am Montag der EU übermittelte, hat der neue Wirtschaftsminister Mihály Varga die Wachstumsprognosen angehoben, die Defizitziele gesenkt und dies trotz eines von Fachleuten angemahnten Korrekturbedarfs am Staatshaushalt aufgrund nicht haltbarer einnahmeseitiger Budgetposten. Immerhin nähern sich die externen und internen Einschätzungen etwas an, was dem Sinn des Begriffes "Konvergenz" entspricht, das soziale Ungleichgewicht bleibt aber bestehen.

Wirtschafts- und Finanzminister Varga präsentiert die neuen Zahlen.
Die Regierung glaubt an ihr gedrucktes Wort, die Kritiker warten lieber auf klingende Münze.

Die Wachstumsaussichten Vargas werden vor allem von der Hoffnung auf besseres Wetter (Landwirtschaft), "wachsender Auslandsnachfrage" und "vorteilhaften Trends der öffentlichen Haushalte" getragen, aber auch vom jüngst vorgestellten 850 Mio-EUR-Kredit-Programm der von Varga-Vorgänger Matolvsy geführten Nationalbank sowie einem Exportförderprogramm in Höhe von ungefähr 400 Mio. EUR beflügelt. Vor allem das Nationalbank-Programm dürfte nach Meinung der Experten eher verpuffen und kaum messbare Impulse liefern. Außerdem solle ein Endspurt in der Abrufung von EU-Geldern der 2013 auslaufenden Budgetperiode für Aufträge und Wachstum sorgen.

Beim Zahlenwerk selbst kommt dem Minister - zumindest numerisch - das äußert miese 4. Quartal 2012 zu Gute, das mit einem BIP-Rückgang von 2,7% gegenüber dem Q4 2011 aufwartete. Im Ergebnis wird, aufgrund des niedrigen Basiswertes, ein BIP, das 2013 gerade so das Niveau von 2011 erreicht, gegenüber 2012 ein Wachstum darstellen. Varga reduzierte dennoch das BIP-Wachstum für 2013 von 0,9% auf 0,7%, während er 2014 von 1,9%, 2015 von 2,3 und 2016 gar von 2,5% ausgeht. Sowohl 2013 als auch 2014 soll ein Budgedefizit von 2,7% des BIP zu Buche stehen, 2015 soll es auf 2,2 gesenkt werden, 2016 auf 1,3% nochmals fast halbiert sein. Die Schuldenquote, die Ende 2012 bei 79,2% stand, soll Ende des Jahres bei 78,1% des BIP stehen, allerdings stieg sie aufgrund der Forintschwäche zwischenzeitlich auf über 81% an und erreichte im Februar in absoluten Zahlen sogar ein Allzeithoch. Bis 2016 soll die Quote laut Regierungsplanung dann auf 73,4% gesenkt werden.

Entwicklung des BIP in Ungarn, prozentuale Veränderung in Prozent gegenüber dem jeweiliegen Vorjahresquartal. Selbst mit einem 2%igen Plus in Q1 2013 erreichte man gerade den Stand von Ende 2009. Daten und Grafik: Statsistisches Zentralamt, KSH.

IWF gesteht leichte Erholung beim Wachstum ein, fürchtet aber Schuldenzunahme

Zeitgleich gab der Internationale Währungsfonds, sozusagen der prognostizistische Gegenpol der Regierung, seine Mutmaßungen heraus: Defizit 2013 wird laut IWF bei 3,2% liegen und den EU-Schnitt von 3% übertreffen. Immerhin senkten die Internationenbanker ihre vorherige Prognose von 3,7% ab. Durch fallenden Forint und steigende Anleihezinsen sieht der IWF die Staatschuldenquote jedoch weiter steigen auf 79,9% 2013 und 80,3% 2014, wo man dann um immerhin 3,1 Prozentpunkte also rund 3 Mrd. EUR mit den Projektionen der Regierung auseinanderliegen würde. Das IWF-Modell ist ein sanfter Hinweis darauf, dass IWF-Gelder mit 2% Zinsen eine günstigere Alternative gewesen wären.

Ausfälle wegen Outsourcing bei Transaktionssteuer

Um, trotz einiger Ausfälle bei "erwarteten" Steuereinnahmen das Haushaltsziel zu erreichen, wird Varga die strategische Budgetreserve um 0,7 Punkte auf 0,6% des BIP senken. Vor allem die Einnahmen der von der Regierung als Wunderwaffe promoteten "Finanztransaktionssteuer" (eigentlich eine reine Umsatzsteuer auf alle Transaktionen, keine Spekulationssteuer, auch, da sie gedeckelt ist. Hier mehr dazu.) hinken weit hinter den Erwartungen zurück. Varga erwartet hier eine Differenz von 80 Milliarden Forint gegenüber dem Plansoll dieses Jahres, "weil die Märkte extrem schnell auf diese Steuer" reagiert hätten, große Unternehmen hätten einen Großteil ihres Transaktions-Managements bereits ins Ausland ausgelagert, um der Besteuerung von 0,2% zu entgehen. Dennoch versprach Varga den Maximalbetrag von 6000 Forint (20 EUR) pro Transaktion nicht anzuheben. Bei Einführung erklärte sein Vorgänger noch, dass man den Steursatz jederzeit anheben könnte, wenn die vorgegebenen Ziele nicht erreicht werden.

Weitere unwägbare Faktoren

Weitere Steuerausfälle wird es sowohl bei der E-Maut als auch bei der Kopplung aller Registrierkassensysteme mit dem Finanzamt geben. Bei der E-Maut behauptet man zumindest nicht mehr, im Plan zu liegen, in der zweiten Jahreshälfte solle hier eine Korrektur der Vorgaben erfolgen. Auch der Forint-Euro-Kurs, dem die Berechnung der devisenseitigen Posten des Haushaltes folgt, wurde von 283 auf 293 im Jahresmittel angehoben, die Inflationsprognose auf 3,1% gesenkt. Varga glaubt, die Haushaltsziele allein über die Einbringung der Reserven, ohne weitere Steuererhöhungen bewältigen zu können. Hauptziel sei die Aufhebung des Exzessiven Defizitverfahrens der EU gegen das Land, die aber auch von weiterführenden Kriterien abhängt. Hier mehr dazu. Varga ergänzte, dass man trotz der optimistischer werdenden Prognosen noch "weit von der Erfüllung der Beitrittskriterien zur Eurozone" entfernt bleiben werde.

Opposition mag nichts mehr glauben

Die politische Opposition im Lande reagierte wie immer kritisch und ablehnend auf die neuen Zahlen aus dem Nationalwirtschaftsministerium. Die MSZP-"Sozialisten" wollen "nur glauben, was wir sehen", immerhin habe diese Regierung die letzten drei Jahre durch ihre Steuer- und Wirtschaftspolitik einen "ständigen ökonomischen Schwund und Arbeitsplatzverluste" produziert. Man habe die privaten Rentenbeiträge "gestohlen", es aber dennoch nicht geschafft, die öffentlichen Schulden zu reduzieren, hieß es von der MSZP-Fraktion. Außerdem streue sie den Menschen mit ihrer Energiepreissenkung von 10% nur Sand in die Augen, denn in Wirklichkeit würde jede ungarische Familie im Schnitt mit einer halben Million Forint im Jahr mehr belastet, u.a. durch die höchste Mehrwertsteuer Europas und weiter erhöhte Verbrauchssteuern. Der - durch die Schuld der Regierung - fallende Forint, habe zudem die Hunderttausenden Forex-Schuldner viel bares Geld gekostet, auch weise die Lohnentwicklung sinkende Realeinkommen auf.

 

Die neonazistische Partei Jobbik beklagte, dass die Versuche der Wachstumsförderung der Regierung gescheitert seien, weil man die "tiefen strukturellen Probleme" nicht angehe. Trotz einer lauten PR-Kampagne könne man keine Fortschritte sehen, die Perspektiven der Menschen seien schlechter, der Lebensstandard ist geringer geworden. Vertreter der grün-liberalen LMP sowie der Wahlallianz "Gemeinsam 2014" sehen das Haushaltsgebahren der Regierung weiter als unseriös an, die Zahlen seien zu optimistisch, die Regierung habe weder einen Plan B, falls das Wachstum nicht so komme, wie gewünscht, noch verteile sie die Lasten gerecht. Dies aber, reklamieren auch der IWF und die anderen externen Experten nicht.

cs.sz.

Möchten Sie den Pester Lloyd unterstützen?