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(c) Pester Lloyd / 17 - 2013   POLITIK 24.04.2013

 

Geheimer Dienst

Abhörprotokolle sollen Kooperation von Sozialisten mit der Mafia in Ungarn belegen

Dass die ungarischen Geheimdienste nicht nur zum Schutz des Volkes gegen äußere und innere Feinde arbeiten, sondern mitunter auch dafür sorgen, dass der politische Gegener diffamiert und beschädigt werden kann, ist dem Lande nichts Neues. Ein Fall von 2008 bringt nun weitere schmutzige Details einer Affäre ans Licht, die von der Regierungspartei bereits genüßlich und etwas vorlaut als "größter politischer Skandal der letzten 20 Jahre" gefeiert wird.

Ex-Geheimdienstchef Sándor Laborc, seit vier Jahren Dauergast in den Gerichtssälen des Landes

 

Am Montag veröffentlichte die regierungsnahe "Magyar Nemzet" ein "gerade von der Geheimhaltung befreites" Dossier, in dem ein Telefonmitschnitt des Inlands-Geheimdienstchefs während der Gyurcsány-Regierung, Sándor Laborc, sowie einem gewissen Tamás Portik mitgeschnitten wurde. Portik ist in Ungarn einschlägig bekannt und eine zentrale Figur des großen Kraftstoffraub-Skandals der Neunziger Jahre. Gerade sitzt er wegen Mordverdachts in U-Haft. In dem Telefonat 2008 bot Portik dem Geheimdienstchef diskreditierende Informationen über rechte Politiker (also Fidesz) an, die helfen könnten, die Sozialisten an der Macht zu halten. Wir erinnern uns, dass seit der Lügenrede Gxurcsánys 2006 und mit Eintreten der Finanzkrise 2008 die Gyurcsány-Regierung mit dem Rücken zur Wand stand. Portik soll geäußert haben, dass er seine Verhaftung fürchtete, wenn "die Rechten" einmal an die Macht kommen, ein nicht zu überhörender Hinweis an den Gesprächspartner, dass er für die Informationen Freiheit von Strafverfolgung wünscht.

Tamás Portik, der Laborc telefonisch seine Dienste anbot, wurde kürzlich vom Antiterrorkommando TÉK wegen Mordverdachts verhaftet. Er soll einen “Geschäftsfreund” umgelegt haben, der ihn hinsichtlich illegaler Geschäfte hätte belasten können.

Für Fidesz ist die Sache klar, die Sozialisten trafen mit Schwerkriminellen Absprachen, um sich die Macht zu sichern. Sowohl die sonstige Opposition wie auch die Regierungsparteien fordern nun weitere Aufklärung. So sollen weitere Gesprächs- und Abhörprotokolle von der Geheimhaltung befreit werden, um sich ein umfassendes Bild darüber machen zu können, wer wann wen mit welchen Absichten getroffen habe. Fidesz will Klarheit darüber, ob Laborc damals auf eigene Initiative oder "auf Anweisung von oben" gehandelt habe. Dazu habe die Partei in Eigeninitiative eine Expertenkommission eingerichtet, die alle Zusammenhänge offenlegen "und dann" der Polizei vorlegen will. "Gemeinsam 2014" verlangt die Offenlegung aller Dokumente, die LMP-Abspaltung "Dialog für Ungarn" wünscht eine außerordentliche Parlamentssitzung, um "offenzulegen, wie die Verbindungen zwischen Geheimdiensten, der Politik und der Unterwelt in den letzten 23 Jahren abliefen", womit man also explizit auch die erste Fidesz-Regierung und die Zeit danach ansprach, in der es auch einige Skandale gab.

Die MSZP gab sich natürlich kleinlaut und tat so als habe man sich längst von der Vergangenheit befreit. "Die Unterhaltung ist schockierend und geht weit über das hinaus, was akzetptabel" ist, sagte Parteichef Mesterházy, der "Unterhaltungen" zwischen Geheimdienschefs und Kriminellen, bleiben sie im Rahmen, offenbar immernoch für akzeptabel hält. Die Sozialisten würden solche "Tricks" niemals anwenden, denn "Geheimdienstätigkeit solle sehr weit weg von der Parteipolitik" bleiben. Gyurcsánys “Demokratische Koalition” nannte die Aufarbeitung schlicht “manipulativ”.

War alles ganz anders, sagt Ex-Geheimdienstminister Szilvásy.
Auch gegen ihn liefen und laufen Verfahren wegen Geheimnisverrats und Amtsmissbrauchs.

Sogar der damals zuständige Minister für die Koordination und Kontrolle der Geheimdienste, György Szilvásy, meldete sich zu Wort. Er hält die Entklassifzierung der Dokumente für "politisch motiviert", auch, dass "diese Affäre" überhaupt "an die Öffentlichkeit" gekommen ist, ist ihm nur im Zusammenhang mit parteipolitischen Interessen erklärlich. Auch werde das Gespräch ganz falsch gedeutet, schließlich sei es Protik gewesen der Laborc angerufen habe. Dabei habe er ihm szenennahe Informationen über Verbindungen zwischen der politischen Sphäre und dem organisierten Verbrechen angeboten. Es sei sogar die Pflicht des Geheimdienstes gewesen, der ja dem nationalen Interesse dient, diesen Hinweisen nachzugehen. Schließlich habe die damalige Regierung ja keinerlei diskreditierenden Details, die aus Geheimdienstermittlungen stammen, verwendet, um den politischen Gegner zu diskreditieren, so Szilvásy süffisant. Belegt werde das auch durch den Umstand, dass die Akte mit den Protokollen dem neuen Geheimdienstchef problemlos einsehbar war. Hätte die vorherige Regierung Dreck am Stecken, hätte sie die Aufzeichnungen auch verschwinden lassen können.

Wie auch immer man diese Auslassungen bewerten mag, die Frage, wieso die Deklassifizierung jetzt geschah und die Dokumente ausgerechnet an die regierungsnahe Zeitung gelangten, werfen Fragen auf, die über den möglicherweise kriminellen Akt des Amtsmissbrauchs hinausreichen.

Sándor Laborc wurde übrigens bereits 2009, zwei Jahre vor Ende seiner regulären Amtszeit gefeuert und zwar genau wegen des oben geschilderten Skandals, das Geheimdienstquellen für die Informationsbeschaffung gegen politische Parteien eingesetzt wurden. Allerdings waren in den damaligen "UD-Skandal" nicht nur die Sozialisten involviert, sondern die Spuren führten auch ins Orbán-Lager, das mit Hilfe von Insiderwissen versucht haben soll, die rechte Parteienszene zu Gunsten des Fidesz zu bereinigen, was die Regierungspartei wiederum als "Kampagne" und "sozialistische Seifenoper" abtat.

2011 wiederum wurden Laborc, Szilvásy und der ehemalige Chef des Sicherheitsrates, Galambos, in einer spektakulären Aktion verhaftet und einige Tage in U-Haft gehalten. Konkrete Anklagepunkte wurden damals nicht bekannt gegeben, nur von "Landesverrat" und "nichtautorisierten Zugriff auf private und staatliche Informationen, den Verrat von Staatsgeheimnissen und die Verwendung von illegal erworbenen Daten zum Nachteil des Staates". geunkt. Der ganze Fall blieb bis heute im Dunkeln, eine konkrete Anklage gibt es bis heute nicht, allerdings weiterhin Ermittlungen. Ungefähr zur gleichen Zeit wie die Verhaftung tauchten über Wikileaks Akten auf, die belegen sollten, dass sich Laborc private Dossiers über Orbán und andere Oppositionspolitiker angelegt hatte.

red.

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