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(c) Pester Lloyd / 18 - 2013   POLITIK 05.05.2013

 

Play offs und K.O.-Phase

Ringen um 4. Verfassungsänderung und Defizitverfahren zwischen EU und Ungarn

Zu den drei von Kommissionspräsident Barroso bereits identifizierten mutmaßlichen Verstößen gegen EU-Regularien in den 4. Verfassungsänderungen in Ungarn, hat Brüssel nun eine begründete Stellungnahme an die ungarische Regierung gesandt. Dabei geht es um die Erhebung von Sondersteuern bei Strafen aus EU-Gerichtsurteilen, das Verbot von Wahlwerbung im Privatfernsehen sowie die Möglichkeit, willkürlich Fälle von zuständigen Gerichten zu entziehen und anderen zuzuweisen.

Die Regierung hat nun 30 Tage Zeit, die Beanstandungen durch Gesetzesänderungen aus der Welt zu schaffen oder ihren abweichenden Standpunkt darzulegen. Bei Letzterem ist die Eröffnung eines offiziellen Vertragsverletzungsverfahren der nächste Schritt, dem, nach einem nochmaligen Warnschreiben, der Gang zum EU-Gericht folgt. Den zwei letzten Kritikpunkten begegnete die Regierung bereits durch kurszfristige Gesetzesänderungen, wonach die Wahlwerbung bei Europawahlen im Privat-TV erlaubt bleibt sowie Gerichtsfälle dann nicht durch die oberste Justizaufsicht verschoben werden können, wenn in dem jeweiligen Verfahren EU-Recht "tangiert" wird.

Beides stellte die Kommission nicht zufrieden. Orbán legte nach, dass man Fälle nur dann verschieben wolle, wenn, wegen Überlastung, ein Urteil in der gesetzlich erlaubten Zeit nicht möglich sei, was ja schließlich eine dem Rechtsstaat dienliche Maßnahme ist und verwies auf eine ähnliche Praxis in den Niederlanden. Allerdings zeigt die gelebte Rechtspraxis in Ungarn bereits bei mehreren Fällen, dass es hierbei um die Möglichkeit geht, Fälle mit politischer Brisanz auch politisch "zuverlässigen" Richtern zu übergeben um das gewünschte Urteil zu bekommen.

Trotz der nun erfolgten drei Warnschreiben werden die punktuellen Beanstandungen der EU dem
systematischen Charakter und dem tiefgreifenden Eingriff in die Rechtsstaatlichkeit des Landes durch die 4. Verfassungsänderung nicht gerecht. Die Kommission machte auch klar, dass die drei Warnschreiben nur einen ersten Schritt darstellen und man, nach Übersendung der Stellungnahme der Venedig-Kommission beim Europarat, gegebenenfalls weitere Verfahren anstrengen wird. Ungarn hat angekündigt, die internationale Kritik durch "anerkannte" Verfassungsexperten widerlegen zu lassen.

Da die EU, vor allem die Kommission als Hüterin der Verträge, zum wiederholten Male, feststellen muss, dass mit den vorhanden Instrumenten kein Kraut gegen einen allgemeinen Demokratie- und Rechtsstaatsabbau gewachsen ist, da die Kommission nationale Gesetze nur auf ihre textliche und formale Übereinstimmung bzw. Diskrepanz mit EU-Gesetzen überprüfen kann, nicht aber auf ihre gesamtgesellschaftliche Wirkung, starteten die Regierungen von Deutschland, den Niederlanden, Dänemark und Finnland eine Initiative, um einen Mechanismus zur permanenten Überwachung der Grundwerte aus Artikel 2 des Lissabon-Vertrages zu installieren. Hier mehr zur Lex hungarica. Das Thema Verfahren nach Artikel 7 ist, nach dem es vor allem von liberalen Abgeordneten als Option benannt wurde, offenbar weiter vom Tisch, wohl auch, da sich seine Umsetzung als äußert riskant erweisen müsste. Hier mehr zu "Europas Hammer".

 

Während sich die Auseinandersetzung bei den Verfassungsänderungen noch in den Play offs befindet, ist man beim Defizitverfahren schon in der K.O.-Phase angekommen: Wenn das Land der EDP (Exzessice Deizit Procedure) entrinnen will, sind weitere Maßnahmen notwendig, hieß es am Freitag aus Brüssel. Die dortigen Volkswirtschaftler und Haushaltsexperten folgen den aus Budapest vorgelegten Zahlen nicht und halten diese für zu optimistisch. Brüssel sieht das Haushaltsdefizit in Ungarn 2013 bei rund 3%, 2014 bei 3,3% liegen und letzteres damit um 1,4 Punkte höher als bei der letzten Prognose. Die Regierung beharrt auf jeweils 2,7% des BIP. Hier mehr zu den Berechnungen im aktuellen Konvergenzplan und ihren fiskalischen Hintergründen.

Orbáns Reaktionen zu den neuesten Schreiben und Einschätzungen aus Brüssel

cs.sz.

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