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(c) Pester Lloyd / 19 - 2013   POLITIK 11.05.2013

 

Verlangsamter Áderlass

Präsident von Ungarn bremst Partei bei ihrem Beutezug ein - MIT KOMMENTAR

Die ungarische Sektion von Transparency International hat den ungarischen Staatspräsidenten, János Áder, ausdrücklich dafür gelobt, dass er das Gesetz über die Einschränkung der Informationspflicht für Behörden ans Parlament zurücksandte. Er folgte damit einer Forderung von TI sowie den NGO´s K-Monitor und TASZ, auch wenn er betonte, die Entscheidung allein und unabhängig getroffen zu haben. Wie ist das vorläufige Veto des Präsidenten einzuschätzen?

Weggefähten der 1. Stunde: János Áder und Viktor Orbán im Jahre 1988, als Fidesz gegründet wurde, damals als liberale Studenten- und Bürgerrechtsbewegung...

Als Begründung für die Aufforderung auf Neuvorlage im Parlament nannte Áder in einem Brief an Parlamentspräsident Kövér, dass "die Behörden durch das Gesetz zu viel eigenen Spielraum erhalten, selbst zu entscheiden, welche Informationen sie (auf Anfrage von Bürgern) freigeben möchten" und welche nicht. Das ist also - erstmals - eine deutliche, inhaltliche Kritik, die aber verumtliche durch eine formale Maßnahme zu beseitigen sein wird. Die NGO´s und auch die Opposition nennen das Gesetz, das als Eilverfahren, ohne Debatte in nur 24 Stunden durchs Parlament gepeitscht wurde, einen "brutalen Angriff auf die Informationsfreiheit". Áder sandte mit gleichem Schreiben ein weiteres Gesetz zurück, das Doppelfunktionen bei der neu strukturieren Landwirtschaftskammer zulassen (bzw. nicht gründlich genug abschaffen) wollte. Áder sieht hier mögliche Interssenskonflikte entstehen, die ein Funktionieren der Kammer behindern könnten.

red.

Ob Áders Aktion wirklich ein Beweis seiner Unabhängigkeit darstellt, darf angesichts seines linientreuen Verhaltens bei den 4. Verfassungsänderungen, verneint werden. Er äußerte damals, dass er "gar nicht anders konnte" als, seinem Amt und der Verfassung gemäß, das Konvolut abzusegnen. Der Ombudsmann für Grundrechte führte ihm und ihn kurz darauf vor, schon ein Blick in die Geschäftsordnung des Parlamentes hätte genügt, um diese systemumstürzenden Maßnahmen zumindest in ihrem Zustandekommen zu hinterfragen. Dass der Präsident eines Lands es zulässt, dass von Gerichten als verfassungsfeindlich identifizierte Gesetze systematisch in Verfassungsrang erhoben werden, sagt alles über die Verfasstheit Áders.

Sein Schachzug ist vielmehr von taktischer Natur, nicht im Sinne dessen, seine eigene Unabhängigkeit zu demonstrieren, die er ja tatsächlich für anerkannt hält, sondern in zwei andere Richtungen: Áder erkennt, dass ein weiteres, derart ungeniertes Einschränken der demokratischen "checks and balances" im Rahmen der noch immer heißen Debatte in der EU über die Verfassungsänderungen nur kontraproduktiv wirken kann. Man kann kaum vorteilhaft an einem Tag Gefälligkeitskgutachten zur Unbedenklichkeit, ja Vorbildhaftigkeit der Verfassung und ihrer jüngsten Modifikationen erstellen lassen, um am nächsten Tag zu beschließen, dass der Bürger kein Recht auf Einblicke in die Tätigkeit der Behörden habe.

 

Zum anderen verweist Áders Einwurf darauf, dass auch mancher Fidesz-Kader allmählich das Gefühl bekommt, dass die Partei es in ihrem Beutezug und seiner legislativen Absicherung vielleicht nicht zu weit, aber doch zu offensichtlich treibt. Immerhin entstand das Gesetz aus unmittelbarem Anlass der Verschacherung der Trafikkonzessionen, ein Skandal, der längst noch nicht an seinem Ende angekommen sein dürfte und den sogar (vielleicht zu kurz gekommene) Fidesz-Politiker zu öffentlichen kritischen Äußerungen an- und aufregte, einem Novum der Orbán-Zeit.

Nicht, dass man Áder unterstellen dürfte, er hätte ein tieferes Empfinden für staatstragende Ungerechtigkeiten seitens (s)einer alleinherrschenden Partei, dann könnte er seinen Job gar nicht machen bzw. hätte ihn längst anders machen müssen, nein, er mahnt mit seinem Einwand lediglich zur formalen Vorsicht und Gründlichkeit und zu einem gemäßigteren Tempo, mit dem man sicherer ans Ziel gelangt, als durch diese halsbrecherische Parforce. An der Politik der Regierung Orbáns, diesem Aderlass der Demokratie, wird er strukturell nichts ändern, denn dazu ist er von diesem gar nicht befugt worden.

m.s.

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