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(c) Pester Lloyd / 19 - 2013   WIRTSCHAFT 07.05.2013

 

Einweg-Mogelpackung

Ungarn vor Einführung eines chaotischen Pfandsystems auf PET-Flaschen

Laut des Online-Portals index.hu verschärft die Regierung ihre Planungen zur Einführung einer neuen Abgabe, offiziell "Pfand" auf "nicht wiederverwertbare" Verpackungen für Getränke. Kritiker nennen die Idee eine Mogelpackung, Mineralwasser könnte um ein Drittel teurer werden, ohne dass positive Effekt für die Umwelt messbar wären. Ungarn schickt sich an, die gleichen Fehler wie Deutschland zu wiederholen, doch es locken mehr Steuereinnahmen, nur darum geht es.

Umweltstaatssekretär Zoltán Illés soll die Vorlage verzapft, der Landwirtschaftsminister Fazekas sie schon genehmigt haben, mit dem Ziel jährlich rund 25 Milliarden Forint direkt für den Haushalt zu generieren und weitere 24,3 Milliarden durch nicht zurück zu zahlende Mehrwertsteuer auf die durch die Abgabe verteuerten Produkte. Daraus ergibt sich eine Einnahme von umgerechnet rund 170 Mio. EUR, mehr als derzeit die als Wundermittel verkündete Finanztransaktionssteuer einbringt. Bei Lichte ist sie nichts weiter als eine weitere Verbrauchssteuer, die wiederum alle trifft, die ärmeren Gruppen aber natürlich anteilig stärker und damit härter trifft, wie man es von dieser ständestaatlichen Regierung gewohnt ist.

Die Abgabe auf Einmalverpackungen bei Getränken sollte, laut Budgetplanung, eigentlich schon seit Anfang Januar 2013 in Kraft sein, wo es genau bei der Umsetzung hakte, ist nicht bekannt, doch der Stolpersteine gibt es viele: In Ungarn gibt es schon ein Pfandsystem auf wiederverwendbare Flaschen (Bier und Wein). Auch die neue Zwangsabgabe soll als "Pfand" bezeichnet werden, was sie aber nicht ist, da die Händler den Betrag direkt an die Staatskasse abführen müssen, schon, wenn sie die Ware beim Großhandel einkaufen. Nach jetziger Planung versinkt das "neue System" schon im Chaos, bevor es installiert wird: Pfandrückgabe soll es - wiewohl die Verpackungen nicht wiederverwertbar sind - nur auf "unversehrte Verpackungen" geben, was Interpretationsspielraum lässt, außerdem sollen 10% des Pfandes als Abgabe ganz in Staatshänden bleiben, den Rest könnten die Händler dann wieder vom Staat zurückfordern, der vor allem damit kalkuliert, dass das meiste nicht oder in keinem "annehmbaren Zustand" zurückgegeben wird.

Die Differenz daraus ergibt zusammen mit der Áfa und den 10% die obige Steuerschätzung, den "Streuverlust" würde der Handel natürlich über Preiserhöhungen an die Kunden weitergeben, ebenso die Kosten für den enormen Verwaltungsaufwand und die Installation des Rücknahmesystems. Wie zu hören, müssten sich alle Getränkehändler für das neue System extra registrieren lassen, gegen Gebühr, versteht sich. Auch die Hersteller müssen eine jährliche "Verwaltungsabgabe" für den "Betrieb des Pfandsystems" entrichten, obwohl sie mit dem gar nichts zu tun haben, was nochmals die Preisspriale antreibt. Experten errechneten, dass eine 1,5 Liter-Mineralwasserflasche so bis zu 40% teurer werden könnte, was - nicht zuletzt - auch die Inflationsprognose der Regierung sprengen würde.

 

Der ökonomische und ökologische Hintergrund würde ein praktikables Recyclingsystem in Ungarn durchaus rechtfertigen, immerhin liegt die Recycling-Quote bei PET-Flaschen bei gerade 20%, während sie z.B. in Belgen bei 80% liegt. 1,5 Milliarden PET-Flaschen werden in Ungarn jährlich verkauft und hinterlassen 48.000 Tonnen Müll, rechnete index.hu vor. Ein Pfandsystem würde hier also einen gewissen Anreiz schaffen, wenn es transparent und zielgerichtet wäre. Was die Regierung jedoch plant, ist nichts weiter als eine weitere Umsatz- bzw. Verbrauchssteuer und die Menschen und Familien, die brav die Flaschen sammeln, kämen wegen des umständlichen Systems letztlich teurer als zuvor, würden also bestraft, statt gefördert.

Typisch ist, dass sich die Regierungsvorlage explizit auf ein "best practice"-Modell im Westen bezieht, ohne genau hinzuschauen. Die Holländer ziehen 2015 die Notbremse, denn es stellte sich heraus, dass die Kosten weit höher liegen als der Nutzen, für alle: Verbraucher, Händler und den Staat. Auch aus Deutschland könnte man lernen, dass die Zwangsabgabe auf PET-Flaschen und andere Einwegverpackungen nichts bringt. Bei der Einführung 2003 wurden 74% des Mineralwassers in wiederverwertbare Flaschen gefüllt, 2010 nur noch in 34%, während sich die Recyclingquote um 10% verringerte...

red.

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