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(c) Pester Lloyd / 20 - 2013   WIRTSCHAFT 15.05.2013

 

Noch keine Wende

Aber kleine Hoffnung beim BIP in Ungarn: absolut -0,9%, relativ +0,7% in Q1/2013

Das Statistische Zentralamt in Budapest, KSH, gab am Mittwoch die Daten (erste Lesung) für die Wirtschaftsentwicklung Ungarns in Quartal 1 2013 bekannt. Die Gesamtwirtschaftsleistung (BIP) schrumpfte inflationsbereinigt gegenüber den ersten drei Monaten 2012 um 0,9% in absoluten Werten, hauptsächlich wegen weiterer Rückgänge bei der Industrieproduktion, während Landwirtschaft und Bauwirtschaft leicht zulegen konnten.

Die BIP-Entwicklung in Ungarn zum jeweiligen Vorjahr, Daten: EU-Kommission, Grafik: MTI

Kalenderbereinigt ergibt sich immerhin ein Plus von 0,7% zum Vorjahresquartal so das KSH, was Kommentatoren bereits veranlasst, von einer Wende, zumindest hinaus aus der Rezession zu sprechen. Allerdings wird am Ende des Jahres das absolute Volumen gemessen und auch nur dieses ist es, das zur Berechnung der Defizitquote herangezogen werden kann. Das KSH warnt jedoch vor einer realtiv hohen Fehlerquote, die sich erst durch genauere Berechnungen bis Ende Mai verringert. Es wird erwartet, dass - aus taktischen Gründen (es steht dann die Entschiedung über das EDP in Brüssel an) - diese zweite Lesung deutlich besser ausfallen könnte, immerhin waren die Basisdaten vor einem Jahr ziemlich niedrig. Die ungarische Wirtschaft ist heute ungefähr auf dem Volumenniveau des Jahres 2005. Im vierten Quartal könnte es, zumindest prozentual zu einem sprunghaften Anstieg des BIP kommen, da die Vorjahreszahlen - selbst für Realisten überraschend - niedrig ausfielen.

Die BIP Entwicklung in der EU 2012 (zu 2011), Ungarn liegt hier mit einem Minus im Spitzenfeld, allerdings Dank besonders niedriger Basisdaten.

Da die Industrie - wertmäßig - die tragende Säule der ungarischen Wirtschaft darstellt, auch wenn die Regierung das Land gerne als Agrarland postuliert, ist der Rückgang des Industrieausstoßes um 2,9% im März als kritischer Hinweis zu betrachten. Nach Arbeitstagen gewichtet beträgt der Rückgang 0,7%, für die ersten 3 Monate 2013 ergibt sich ein Rückgang von 3,1%. Während die Exporte von Industriegütern mit 0,5% kaum zurückgingen, belegt die mangelnde Nachfrage im Inland (-8,5% im März), dass es mit der Investitionstätigkeit der inländischen Wirtschaft nicht besonders rosig aussieht. Zu schaffen macht Ungarn auch die sinkende Nachfrage auf dem Weltmarkt bei Computer und -zubehör, Elektronik und opitschen Produkten (alle Gruppen zusammen -17,4%). Hier sind auch die Auftragsprognosen frustrierend, sie sanken um fast ein Viertel zum Vorjahr. Da ein Großteil dieser Fertigungsindsutrie in Ungarn als reine Werkbank installiert ist, lässt sich hier auch wenig beeinflussen. Interessant ist, dass, obwohl der März 2013 5 Grad kälter war als der März 2012, die Abnahmemengen für Energie sanken. Entsprechend dem gesunken Output sank auch die Produktivität um 3,4%.

BIP-Entwicklung nach KSH-Zahlen seit 2002, jährlich und auf Quartalsbasis (blaue Balken)

Die Entwicklungen zusammengefasst: es ist noch zu früh von einer Wende zu sprechen, dazu ist die globale Nachfrage zu schwach und sind die Binneninvestionen nach wie vor viel zu gering. Immerhin scheint einmal ein Boden gefunden, was einen Fortschritt darstellt. Dass Ungarn die Wende zu einem Pluszeichen am Ende des Jahres schaffen wird, daran ist nicht zu zweifeln, allein schon eine durchschnittliche Ernte würde das BIP um 1 Punkt besser als 2012 aussehen lassen, ein Plus in Summe von 0,5%-0,8% ist realistisch. Das Defizitziel ist aus anderen Gründen weiter gefährdet.

 

Ansonsten hängt Ungarns ökonomisches Wohl und Wehe nach wie vor an den großen industriellen Investoren aus dem Ausland, eine strukturelle und nachhaltige Wende zum Besseren kann letztlich aber nur ein gesundeter Mittelstand schaffen, doch dafür sind die Rahmenbedingungen in Ungarn - trotz großspuriger Ankündigungen hinsichtlich der EU-Förderungen bis Kreditprogrammen der MNB - nicht vorhanden, da die Praxis, wie so oft, von den formulierten Vorgaben und Wünschen abweicht. Steuerlich, bürokratisch, investitionsseitig und hinsichtlich des Kapitalzuganges sind die Bedingungen für ehrliches, innovatives, aber kapitalschwaches Unternehmertum in Ungarn - auch im regionalen Vergleich - nach wie vor toxisch. Was die Regierung in wohlklingenden Programmen als wegweisende Förderpolitik anpreist, mündete bisher am Ende meist schlicht in Klientelpolitik, bei der es nicht auf den gesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen return on investment ankommt, sondern nur darauf, in welche Taschen das Geld wandert.

cs.sz.

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