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(c) Pester Lloyd / 20 - 2013   BOULEVARD 17.05.2013

 

Eseleien

Zwei Esel zerfleischen einen Rentner in Ungarn, der Spiegel berichtet. Wir auch.

Das führende deutsche Nachrichtenmagazin, "Der Spiegel" bzw. seine Online-Version nimmt sich - wie übrigens viele westliche Medien - Ungarn meist nur dann an, wenn es um drastische Themen geht. Es muss schon einiges geschehen, bis überhaupt ein Land des ehemaligen Ostblocks mediale Aufmerksamkeit im Westen bekommt. “Muki” und “Szamóca”, zwei Langohren, die einen Rentner zu Tode bissen waren wieder einmal ein solches Thema. Wir haben noch ein paar Vorschläge.

Ungarn liefert seit Orbán zuverlässig: im Jahr 2011 war es das Ende der freien Medien und die Befreiung einer in Sklaverei gehaltenen Frau in Südungarn, weswegen Spiegel online sogar in der Redaktion anrief, ob wir da "Details" hätten. Hatten wir nicht, zumindest nicht über das hinausgehend, was seit Spartacus über Sklaverei so allgemein bekannt ist. 2012 regte die Verfassung auf, wobei man erst 2013 zu merken schien, warum sie das tut und es tötete der Rotschlamm zehn Menschen. 2013 dann kam der "Abschied vom Rechtsstaat" seitens des Irren in Budapest, Tausende waren auf der Autobahn eingeschneit und der Antisemitismus wurde immer lauter, so laut, dass man den Rassismus gegen eine halbe Million Roma kaum noch hört, zumindest im Westen und nun zerbissen auch noch zwei Esel einen Rentner.

Wir wollten die tragische Story über den Unglückseligen pensionierten Feuerwehrmann, der am Montag in Magyarszecsöd von zwei beißwütigen Eseln vom Motorrad gezerrt und zerlegt wurde, eigentlich auslassen, immerhin gibt es so viele skurrile Unfälle, dass uns ein paar beteiligte Huftiere nicht sonderlich erwähnenswert erscheinen, doch wenn schon der "Spiegel" darüber berichtet, muss die Sache wohl wichtig sein.

Die Esel des Grauens, sie heißen “Muki” (Foto vorne) and “Szamóca” (Macker und Walderdbeere) wurden nun dem Amtstierarzt überstellt, der über ihr weiteres Schicksal befinden soll, die Polizei untersucht die Umstände und prüft, ob Fahrlässigkeiten seitens des Halters vorliegen. Jede Untersuchung, ob sich unter dem Eselspelz vielleicht eine linksliberale Verschwörung oder ein israelischer Geheimagent verbarg, blieb bisher erfolglos, auf eine parlamentarische Unterseuchungskommission verzichtete man diesmal.

Ein Reporter berichtet, dass "es kaum denkbar ist, dass diese friedlich grasenden Wesen solch bestialische Tat begangen haben sollen." Offenbar war der arme Rentner nur "zur falschen Zeit am falschen Ort", ein Gefühl, das nicht wenige Ungarn aus verschiedenen Gründen immer wieder haben. Wie auch immer, nun formieren sich in ungarischen Boulevardblättchen bereits Leser, die Gnade für die beiden Langohren fordern, denn in Ungarn hat man bekanntlich ein Herz für Esel. Auf der Weide, im Parlament oder in der Salami.

"Der zuständige Amtstierarzt sagte dem Blatt, die Esel hätten den Motorradfahrer vermutlich als Eindringling in ihr Territorium betrachtet und seien deshalb so aggressiv geworden." berichtet der Spiegel mit Bezug auf das Boulevardblatt "Bors". Das qualifiziert sie - die Esel - eigentlich dazu, den nächsten Bayerischen Friedensmarsch (für Spiegelleser: das ist eine ungarische Erfindung,
bitte hier nachlesen) anzuführen, denn was Orbán und Bayer nicht gelingt, nämlich die neuen Okkupanten, also die EU und "die Multis" aus dem Lande zu halten, vielleicht schaffen das dann diese Esel, wenn man ihr Gewaltpotential in patriotische Bahnen lenken könnte...

 

Wir hätten für den Spiegel übrigens noch ein paar weitere Themenvorschläge mit hohem Klick- und Aufmerksamkeitspotential, denn darum geht es ja wohl. Für das Ressort Naturwissenschaften: rote Punkte auf den Popos ungarischer Babies als ministeriell beglaubigter Beweis der Verwandschaft von Magyaren und Japanern, sodann die Entdeckung der direkten Blutslinie zwischen Jesus (der kein Jude, sondern ein Partherprinz war) und den Ungarn, nebst der mehrfach geschwungenen Doppelhelix des magyarischen Erbgutes in Form des Sternzeichen Sirius, was auf eine himmlische Sendung schließen lässt, von der auch der Premier stetig beseelt ist. Diese Theorien wurden u.a. von einem ehemaligen Staatssekretär sowie "Wissenschaftler" getätigt, der gerade eine hohe staatliche Auszeichnung aus den Händen eines Ministers erhielt, sind also wahr. Auch, dass Ungarn das einzige Land Europas ist, in dem man von 170 EUR "ganz gut leben kann" wäre berichtenswert, aber dann könnte es sein, dass dem Spiegel zu viele Leser abhanden kommen, weil alle ins neue Paradies der Esel, äh Arbeiterklasse strömen...

red.

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