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(c) Pester Lloyd / 26 - 2013   GESELLSCHAFT 26.06.2013

 

Strafrecht mit Vor- und Beigeschmack

In Ungarn tritt ab 1. Juli ein neues Strafrecht in Kraft

Ab 1. Juli tritt Ungarns neues Strafgesetzbuch in Kraft. Während die Regierungspartei von einer Entschlackung überholter Rechtsvorschriften und Anpassung an neue gesellschaftliche Realitäten spricht, die eine effizientere Prävention und Bestrafung erreichen soll, kritisiert die Opposition die Politisierung des Strafrechts durch eine betonte Law-and-order-Ausrichtung, die kaum mit kriminalistischen oder gerichtspraktischen Erfahrungen hinterlegt ist.

Auf einer Pressekonferenz am Montag machte Justizstaatssekretär Róbert Répássy noch einmal Werbung für das neue Gesetzeswerk. Es sei "streng, aber nicht scharf oder undifferenziert". Die vorgesehenen "Strafen stehen im Verhältnis zur Tat", erlaubt aber den Richtern auch die Einbeziehung des "Charakters des Täters und der Umstände der Tat". Härter geht das Gesetz zukünftig mit Gewalttätern und Wiederholungstätern um, vor allem wenn die Opfer Kinder, ältere oder behinderte Menschen sind. Auch die Verhängung lebenslanger Sicherungsverwahrung ohne Einspruchsmöglichkeit vor dem Obersten Gericht (also nur noch zwei Instanzen), wurde verankert. Vor allem kleinere "Einstiegs"-Delikte in jüngerem Alter könnten durch eine neue Art von "Kurzzeithaft" besser und nachhaltiger geahndet werden, freut sich Répássy. Richter können danach ein bis mehrtätige Arreste verhängen, um den Übeltätern einen "Vorgeschmack auf das Gefängnis" zu geben, der hoffentlich abschreckend wirkt, so der Staatssekretär. Auch würde nun häufiger U-Haft als Hausarrest (mit Fußfessel) verhängt werden.

 

Die Opposition kritisiert den riesigen Aufwand, den die Regierung betrieben habe, um sich als Sherriff aufzuspielen: ohne eine angemessene Sozialpolitik sei aber jede Art von Strafverschärfung für die Katz´, lässt sich der Tenor der Kritiker zusammenfassen. Bürgerrechtsgruppen merken zudem an, dass die Art und Weise der Strafverschärfungen offenbar auf "bestimmte Volksgruppen" zugeschnitten worden ist, gemeint sind hier vor allem die Roma. Vor allem die Neudifinition der Notwehr bzw. Selbstverteidgung eröffne Selbst- und Lynchjustiz neue Möglichkeiten, so erscheint es laut Gesetzestext nun nicht mehr unrealistisch, dass ein Bürger, der einen Dieb beim Klauen von ein paar Äpfeln erschießt, strafrei ausgehen könnte. Kritisiert wird auch die Strafverschärfung für den Konsum "weicher" Drogen wie Cannabis. Bei einem entsprechend harten Richter, seien bis zu acht Jahre Haft für ein paar Joints drinnen. Auch eine Beleidiung der "Heiligen Krone" ist nun ein gefängnisbewehrtes Strafdelikt. Offenbar wolle Fidesz mit dieser Politik eine bestimmte Lebensart und vom Mainstream abweichende Denkweisen drangsalieren.

Zum Thema:

Tod dem Hühnerdieb...
Das neue Strafrecht in Ungarn als Instrument der Politik
http://www.pesterlloyd.net/html/1226neuesstrafrecht.html

Harte Hand
Acht Jahre Haft fürs Kiffen? Ungarn verschärft sein Strafrecht
http://www.pesterlloyd.net/2012_06/06strafgesetz/06strafgesetz.html

red.

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